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b) Geschäftschancenlehre

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Eng mit dem Wettbewerbsverbot zusammen hängt die sogenannte Geschäftschancenlehre. Hier nutzt der Geschäftsleiter eine unternehmerische Gelegenheit für sich selbst aus, anstatt sie der Gesellschaft zu überlassen. Problematisch ist hier vor allem die Frage, welche unternehmerischen Gelegenheiten denn der Gesellschaft so eng zuzuordnen sind, dass sie ihr sozusagen „gehören“. Der Tatbestand der Geschäftschancenlehre ist also zweifelhaft, zumal eine gesetzliche Regelung letztlich nur im Rahmen des eben dargestellten Wettbewerbsverbots besteht. Der Sache nach geht es um eine – vorsichtige – Erweiterung des § 88 AktG. Mittlerweile haben sich einige formelle und materielle Kriterien ausgebildet, unter denen eine Geschäftsgelegenheit der Gesellschaft zuzuordnen ist, und eine Wahrnehmung durch ihren Geschäftsleiter für sich selbst dementsprechend als verboten anzusehen ist (Die Rechtsfolge eines Verstoßes kann man § 88 Abs. 2 AktG analog entnehmen, der BGH wendet dagegen im Bereich des GmbH-Rechts die Regelung des § 43 Abs. 2 GmbHG an.):

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Im Druckmittelzylinder-Fall[2] stellte eine GmbH Druckmittelzylinder her. Der Geschäftsführer hatte von einem neuartigen kostengünstigeren Dichtungssystem erfahren, das ein Dritter entwickelt hatte. Anstatt es seiner GmbH zu überlassen, kündigte er seinen Anstellungsvertrag und gründete mit dem Dritten ein Konkurrenzunternehmen, das nunmehr ebensolche Zylinder unter Verwendung des neuen Dichtungssystems herstellte und vertrieb. Der Gesellschaft sprach der BGH wegen einer Verletzung der Treuepflichten des Geschäftsführers aus § 43 Abs. 2 GmbHG im Grundsatz Schadensersatz zu. Unerheblich sei, dass der Geschäftsführer zunächst seine Anstellung gekündigt habe; unerheblich sei ferner, ob er privat oder beruflich von der Geschäftschance erfahren habe. Zu klären sei aber noch, ob der Dritte seine Entwicklung auch der Gesellschaft zur Verfügung gestellt hätte, wenn der Geschäftsführer sich für sie darum bemüht hätte (sonst mangelt es an der Kausalität).

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In einer Entscheidung aus dem Jahr 1997[3] hatte ein Fremdgeschäftsführer einer gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft mbH ohne Einwilligung des Aufsichtsrats zwei Grundstücke erworben, nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht ausschließlich zu privaten Zwecken. Der BGH befand, dass dieser Erwerb per se jedenfalls nicht von dem (im konkreten Fall sogar vertraglich anwendbaren) Wettbewerbsverbot des § 88 Abs. 1 AktG untersagt war, weil nicht ausreichend geklärt worden war, ob der Geschäftsführer die Grundstücke in der Absicht erworben hatte, durch alsbaldigen Weiterverkauf damit einen Gewinn zu erzielen. Nicht erlaubt dagegen wäre es dem Geschäftsführer gewesen (was die vorherige Instanz allerdings nicht verfahrensfehlerfrei hatte feststellen können), wenn er unter Ausnutzung seiner Organstellung die fraglichen Grundstücke zunächst „praktisch entmietet“ und dann erworben hätte. Denn damit hätte der Geschäftsführer unzweifelhaft seine Organstellung zu eigenen Zwecken ausgenutzt, was ihm seine organschaftliche Treuepflicht verbietet.

Gesellschaftsrecht II. Recht der Kapitalgesellschaften

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