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Dong Dong

Als Sophie schwanger war, hatte ich mir lang und breit überlegt, wie wir Spielkameraden für unseren zukünftigen Sohn finden könnten. Könnte man Zettel an Bäume hängen, dass wir gleichaltrige Kinder suchen? Könnten wir eine Art Kindergruppe eröffnen in den Gemeinschaftsräumen, die es in einem kleinen Gebäude in der Mitte des Wohnviertels gibt, aus denen uns ab und zu Gesang von älteren Menschen entgegenschallt und an manchen Abenden Tanzmusik aus den chinesischen siebziger Jahren… Wie Kontakt aufnehmen zu anderen Eltern mit Kindern in ähnlichem Alter wie unser zukünftiger Sprössling?

Jetzt ein paar Monate später weiß ich es besser. Erstens ist unser Sohn eine Tochter und zweitens muss man einfach mit seinem Kind durchs Wohnviertel spazieren, dann trifft man garantiert mindestens ein Kind im ähnlichen Alter wie Anna, getragen oder gefahren meistens von Großeltern. Und dann ist es ganz leicht, ins Gespräch zu kommen miteinander, weil die anderen bleiben stehen, sie haben Zeit, es sind alte Leute, sie schwätzen gerne, sie sind neugierig auf ein Kind mit westlichem Vater.


Und an jedem Abend treffen sich eine ganze Menge von Eltern und Großeltern mit Kleinkindern in einem kleinen Hof am Kanal, der mit ein paar Turn- und Gymnastikgeräten bestückt ist, an denen Kinder und alte Menschen ihre Übungen machen, umgeben von einem kleinen Gärtchen und weiter hinten ist sogar ein kleines Tempelchen, wo alte Sessel herumstehen und in dem ringsum ein Bänkchen zum Ausruhen einlädt und dahinter ist ein liebevoll gepflegter kleiner Park, dem man ansieht, dass er nicht von Bediensteten der Verwaltung, sondern von Anwohnern betreut und verwöhnt wird. Der kleine Garten ist sehr nahe an einer dicht befahrenen Straße, die sich zum Glück durch das Bollwerk einer hohen Mauer getrennt auf einer höheren Ebene befindet und sich dann über eine Brücke schwingt. Aber der Lärm und das Gehupe der Fahrzeuge dringt doch herunter, wobei man diesen Lärm kaum mehr wahrnimmt, weil man ihn überall hat, eine Art Hintergrundrauschen, das allgegenwärtig die Stadt durchdringt. So lernen wir also Chen Li Han, Le le, Bei Bei und Dong Dong kennen.

Chen Li Han wohnt in der unmittelbaren Nachbarschaft, im Nachbarhaus. Er ist ein paar Wochen älter als Anna, sieht aber im Vergleich zu Anna viel älter aus, ein runder, starker, ruhiger Kerl mit dichtem schwarzen Haar, das ihm kräftig emporsteht. Er hat einen festen selbstsicheren Blick, der sagt: Mich kann nichts erschüttern. Zugleich strahlt er etwas Schwerfälliges aus, etwas Gutmütiges und Braves. Man kann ihn sich als Wächter oder Bodyguard vorstellen, der macht was man ihm sagt, ohne groß zu fragen, der treu ist und stark und kämpft bis zum Tod. ,

Unsere kleine Anna ist im Gegensatz zu ihm viel zarter, leicht erregbar, sehr empfindlich, unruhig, immer sich schnell hin und her drehend, wenn wir unterwegs sind, aufmerksam und sehr interessiert alles betrachtend, was ihr ins Auge springt, von jedem kleinen Geräusch aufgeschreckt, schnell von Lachen ins Weinen hinüberspringend und wieder zurück, immer in Bewegung, es sei denn, sie ist müde und gut behütet, dann fällt sie in ein dösendes Dämmern und hängt mit schweren Gliedern in den Armen des Glücklichen, der sie dann trägt.

Chen Li Hand habe ich noch nie mit seinen Eltern gesehen, sondern nur immer mit seiner Großmutter. Sophie sagt, die Eltern wohnten nicht so weit weg, aber würden ihn nur am Wochenende zu sich nehmen, die ganze Woche über sei er bei den Großeltern Ein typisch chinesischer Zustand. Die meisten Kinder wachsen so auf.

Lele, einen Jungen, habe ich schon öfters mit seiner Mutter und seinem Vater gesehen, weil er mit ihnen zusammen wohnt, aber die haben Verstärkung bekommen durch ihre Großeltern, die jetzt mit ihnen zusammen in einer Wohnung leben. Le les Vater ist in der Shanghai Bibliothek als einfacher Angestellter beschäftigt, das heißt, seine Wohnung wird nicht so groß sein und sie alle werden recht beengt zusammen wohnen. Lele hängt meistens träge und schwerfällig im Kinderwagen herum und schaut einen mit großen staunenden Augen an.

Dong Dong ist schon etwas älter als unsere Anna, er hat ein hübsches, bewegliches, zartes und aufmerksames Gesicht. Seinen jungen Vater habe ich bisher nur einmal kurz gesehen als ich an einem sonnigen Sonntagmorgen auf der kleinen Fußgängerbrücke stand, die über den Kanal führt, der unseren Wohnbezirk in zwei Hälften zerschneidet. Er macht einen sympathischen, offenen Eindruck und sagte, dass er für eine IT- Firma arbeite. Dong Dongs Großvater, ein kleiner untersetzter und freundlicher Mann mit einem irgendwie verhärteten Gesicht, das an einen Nussknacker erinnert, kommt aus einer Provinz im Südwesten Chinas. Er erzählt, er sei Lehrer gewesen, während der Kulturrevolution habe man ihn öffentlich gedemütigt und geschlagen. Seine Frau, ein altes verhuzzeltes Weibchen, das sehr ländlich aussieht, bringt manchmal eine große Decke mit, breitet sie mitten auf den kleinen Beton-Platz im Park des Wohnbezirks aus und setzt sich mit Dong Dong, Esswaren und Spielsachen darauf. Sophie und ich wir gesellen uns dann mit Anna gerne dazu. Rings um uns herum andere Mütter und Großmütter, Kinder und kleine Hunde. Ein großes Geschwätz und familiäres Zusammensein.


Da!

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