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2.3.3 Pädagogische Matching-Prozesse

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Die Wechselwirkungen zwischen den personalen Polen im Bildungs- und Erziehungsprozess führen im Kontext sprachlich-kommunikativer Beeinträchtigungen auch zu Herausforderungen Folgendes Beispiel verdeutlicht das Wechselwirkungsverhältnis.


Eine Lehrerin ist in einer ersten Klasse mit einer sprachlich-kommunikativ sehr heterogenen Schülerschaft eingesetzt. Viele Kinder sind noch dabei, Deutsch als Zweitsprache zu erwerben und sprechen viele verschiedene Erstsprachen. Viele Schülerinnen und Schüler weisen zudem eine Sprachentwicklungsstörung auf, die sich ungünstig auf die narrativen Fähigkeiten und das Schriftsprachlernen auswirkt. Die Lehrerin bereitet deshalb mit großem Aufwand den Deutschunterricht vor. In der Unterrichtssituation können jedoch nicht alle Kinder die Bildungsangebote und den Arbeitsauftrag verstehen und am Lernprozess teilnehmen. Vielen Kindern bleibt der Unterrichtsinhalt – das Entdecken bestimmter Grapheme auf Arbeitsblättern – verschlossen, so dass sie sich anderen Beschäftigungen zuwenden. Andere beginnen, sich in ihrer Erstsprache zu unterhalten. Die Lehrkraft reagiert verunsichert, da sie mit größter Sorgfalt die Stunde geplant hatte. Leicht kann daraus eine negative Wechselwirkung entstehen.

Wie in diesem Beispiel stellt sich im Fach Pädagogik bei Beeinträchtigungen der Sprache und der Kommunikation stets die Aufgabe, eine genaue sprachpädagogische Passung zwischen den Lehrenden und den Lernenden herzustellen, damit die Ausbalancierung obiger reziproker Bildungs- und Erziehungsprozesse und damit sprachliches Lernen gelingen kann.

sprachpädagogisches Mismatch

Wie in unserem Beispiel ist die Realität aber häufig so, dass sich die Lernenden – hier die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund oder Sprachentwicklungsverzögerungen – sprachlich überfordert fühlen und immer mehr ein Vermeidungsverhalten entwickeln. Die Lehrerin wiederum reagiert hierauf demotiviert Diese Nicht-Passung zwischen den Lehrenden und Lernenden des sprachpädagogischen Dreiecks, welches unzählig viele Ursachen haben kann, nennen wir „sprachpädagogisches Mismatch“ (Licandro / Lüdtke 2012) (Abb. 15).


Abb. 15: Sprachpädagogisches Mismatch

sprachpädagogisches Matching

Wichtigste Voraussetzung für das Gelingen der zentralen sprachpädagogischen Aufgaben – die Integration sprachlicher Identität, die Inklusion sprachlicher Heterogenität sowie die Ermöglichung von sprachlicher Bildungsteilhabe – ist somit das Herstellen eines „sprachpädagogischen Matchings“ Damit ist gemeint, dass es der pädagogisch oder sprachtherapeutisch bzw logopädisch tätigen Person gelingt, eine stimmige Einheit mit den Personen mit sprachlich-kommunikativen Beeinträchtigungen zu bilden (Abb. 16), damit reziproke Bildungs- und Erziehungsprozesse entstehen können


Abb. 16: Sprachpädagogisches Matching

Bezogen auf das Beispiel heißt dies, dass die Lehrerin die heterogene sprachlichkommunikative Ausgangslage der Kinder bei ihrer Unterrichtsplanung stärker im Blick hat und die Bildungsangebote und Aufgabenstellungen besser an die

Bedürfnisse und die Lernmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler anpasst Hierzu kann sie beispielsweise die bilingualen Ressourcen nutzen, indem sie die Arbeitsblätter zur Graphem-Identifizierung mehrsprachig gestaltet.

Hilfen zur mehrsprachigen Gestaltung des Schriftsprachunterrichts (TürkischDeutsch) bieten mittlerweile mehrere Nachschlagewerke (Brachet et al. 2004; Haytaoglu / Büchner 2002; Ünsal / Fox 2002; Yörenc 2002).

Literaturempfehlungen zu pädagogischen Grundlagen des Faches

Lüdtke, U, Bahr, R. (2005): Pädagogik. In: Grohnfeldt, M. (Hrsg.): Lehrbuch der Sprachheilpädagogik und Logopädie. Bd. 1, 2. überarb. Aufl. Kohlhammer, Stuttgart, 79-110

Knebel, U. v. (2012): Bildung und Erziehung. In: Braun, O., Lüdtke, U. (Hrsg.): Behinderung, Bildung, Partizipation. Enzyklopädisches Handbuch der Behindertenpädagogik. Bd. 8. Sprache und Kommunikation. Kohlhammer, Stuttgart, 492 —496

Zusammenfassung

Dieses zweite Kapitel hat die pädagogische Konzeptualisierung des Faches sowie ihren Charakter als Integrationswissenschaft ausführlich erläutert. Dazu wurde zunächst das Verhältnis der Leitwissenschaft Pädagogik zu ihren vielfältigen Bezugswissenschaften näher bestimmt. Da der Mensch in seiner Sprachlichkeit Ausgangs- und Zielkategorie einer pädagogischen fachlichen Grundhaltung ist, wurden hiervon ausgehend wesentliche sprachphilosophische und anthropologische Grundlagen unseres Faches dargelegt. Eine abschließende Ausdifferenzierung der pädagogischen Grundlagen des Faches ermöglicht nun in weiteren Kapiteln, verschiedene spezifische Fragestellungen der Sprachpädagogik und pädagogischen Sprach- und Kommunikationstherapie konkret beantworten zu können.

Prüfungsfragen und -antworten zu diesem Kapitel im Online-Zusatzmaterial zu diesem Buch.

Pädagogik bei Beeinträchtigungen der Sprache

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