Читать книгу Der siebte Skarabäus - Ursula Arn - Страница 17

Dubrovnik, 4. Oktober

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Heute habe ich mir einen Ruhetag verschrieben und demütig warte ich, bis der Tag vorüber zieht. In gleicher Weise wie ich es auch die nächsten Jahre halten werde, da mein Leben ohne Aram so flach und überblickbar geworden ist, dass ich bis zu meinem Grabstein sehen kann.

Die Hotelanlage mag sich nicht verändert haben, ich hingegen bin nicht mehr dieselbe. Meine alte Identität habe ich wie eine Schlangenhaut abgestreift. Heute leiste ich mir schon mal einen Kaffee, falls ich Lust dazu verspüre, was jetzt der Fall ist.

Armer reicher Hugo. In der Hoffnung, die Wände seines Gefängnisses würden durch ein gefülltes Bankkonto zurückweichen, spaltet er jeden Franken.

Wie trostlos muss es für einen Narzissten sein, wenn das Umfeld ihn durchschaut hat und der Sockel zusammenbricht, auf den er sich mühsam gewuchtet hat.

Dass dies eines Tages geschehen wird, gehört leider nicht zu seiner Gedankenwelt. Bis jetzt fühlt er sich immer noch als Gottes Geschenk an die Frauen. Doch irgendwann wird auch sein Alter zum Problem. Dann wird’s teuer.

„Du stehst am äußersten Rand der Klippe und von dort gibt es bald nur noch eine Richtung“, warnte ich ihn. „Du wirst doch nicht annehmen, dass dir noch irgendjemand deine Lügen abnimmt, dass du immer mit allem durchkommst.“

Aber er arbeitet weiterhin an seinem Lügennetz. Es ist schwer, mit einem Narzissten zu argumentieren.

Narcissus, der göttergleiche Sohn eines Flussgottes und der Nymphe Liriope, wurde von allen geliebt. Doch ihn rührte keine Schönheit, sein Ohr blieb taub für die Seufzer der Mädchen. Seine Aufmerksamkeit galt allein seiner Person. Er wollte nur lauschen, wie vollendet, wie unerreichbar er war. Die Liebe der Nymphe Echo erhörte er nicht. Narcissus, der ihr niemals Komplimente überbrachte, die sie wiederholen konnte, verlor bald sein Interesse an ihr.

Vor Kummer über ihre unerwiderte Liebe starb die Nymphe Echo. Aus Mitleid verwandelten die Götter sie in einen Felsen und bestraften den Kaltsinn des Narcissus.

Eines Tages beugte er sich vom Jagen erhitzt an einer kristallklaren Quelle vor. Im See sah er ein Bild von unendlicher Schönheit und sein Herz wurde entzündet. Er wollte die Gestalt küssen, sie umfassen, doch sie verschwand. Dann sah er sie wieder und sie erwiderte seine zärtlichen Blicke, sein Lächeln. Sie winkte wie er, breitete die Arme aus wie er. Von namenloser Sehnsucht ergriffen, die nie gestillt werden konnte, verschmachtete Narcissus und starb.

Eine Blume, die Narzisse, steht jetzt an der Stelle, wo er einst geseufzt hatte und im Liebesschmerz vergangen war. Die Nymphe Echo aber wurde niemals vergessen und ist bis heute zu hören.

Die flammende Sehnsucht nach dem Unerreichbaren zehrt das Leben auf. Nur der Tod kann sie stillen.

Seither schmückt diese schattenbleiche Blume unsere Gräber.

Der siebte Skarabäus

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