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Die Liebenden, Karte VI der Heldenreise

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Die Karte „Die Liebenden“ deutet nicht eine Liebesbeziehung an, sondern den Drang, Beziehungen jeglicher Art zu durchleuchten. Wir erhalten Antriebskraft und lösen Spannungen auf, setzen Schritte, suchen den Weg nach draußen und erfüllen bis dahin unmögliches. Stillstand kommt von uns. Um eine Änderung herbeizuführen, braucht es unsere Umkehr. Wir lernen, selbständig zu handeln. Dabei verlasen wir, was uns bisher vermeintliche Sicherheit gab. Bleiben wir aber stecken, werden wir fortan nur abwägen, aber nie Entscheidungen treffen.

***

Mara

In meinem 40. Lebensjahr befreite ich mich vorsichtig Stück für Stück aus meiner Starre und anerkannte das Recht auf eine eigene Meinung. Nicht alles konnte nur dumm an mir sein. Ich begann aufzubegehren, und das nicht nur bei Hugo.

Damit erntete ich überall erstaunte Blicke, die sich in wissende verwandelten: „Jetzt spinnt sie. Das muss unterbunden werden!“ Zum Teil führten sie mich mit einer Härte an meinen Platz, von der Hugo noch hätte lernen können.

Er tat sich schwer mit mir. Mein 40. Geburtstag stand bevor, und ich beschloss, diesen auch zu feiern. Da von ihm kein Geschenk zu erwarten war, außer vielleicht ein neues Bügeleisen, meuterte ich und entschied, in den Urlaub zu fahren.

Mir schwebte etwas Luxuriöses vor, nicht bloß die Verlagerung meines Haushalts in erschwerte Umstände. Ich weigerte mich, weiterhin auf Sofas bei Freunden oder Verwandten zu nächtigen, die über unseren Besuch auch nicht erfreut zu sein schienen. Ich weigerte mich, weiterhin in einer billigen Absteige zu hausen, und zu Fuß in der Hitze einzukaufen, während sich mein Mann mit den Kindern am Strand sonnte.

„Was willst du? Ferien! Mir ist niemand bekannt, der so oft in die Ferien reist wie du“, höhnte Hugo.

„Mir schon“, antwortete ich ruhig. „Mir ist hingegen niemand bekannt, der so gut verdient wie du“, was Hugo zum Erstrahlen brachte, „und sich trotzdem nur ein Loch in einer Gegend leistet, in der nicht einmal ein Restaurant existiert. Du kannst mitkommen oder nicht. Wir fahren, ich bezahle.“

Ich hatte begonnen, stundenweise zu arbeiten. Nicht, um mich selbst zu verwirklichen, sondern um über eigenes Geld zu verfügen.

„Was willst Du? In einem Restaurant essen? Damit du noch dicker wirst?“ Ich wies Übergröße 36 aus.

Hugo dämmerte es bald, dass er handeln musste. Wann immer er zu verlieren drohte, drehte er flink die Lage zu seinen Gunsten um. „Gut. Zu deinem Geburtstag darfst du die Destination wählen“, gab er großzügig nach, während er so tat, als hätte er nie etwas anderes verlangt.

„Ich will in die Südtürkei.“ Dieses Land war gerade angesagt und traumhaft schön. Türkisfarbenes Meer, Pinienwälder, lange unberührte Landstreifen ohne Hotelkomplexe, die über dem Meer thronten, was sich aber bald änderte.

Alle erschraken. Viel zu gefährlich! Vor allem mit türkischen Piloten zu fliegen. Hatten die überhaupt eine Schule besucht?

„Wir fahren sicher nicht in die Türkei.“ Verächtlich auf mich herabsehend stand er vor mir.

„Dann Griechenland.“

„Da waren wir schon.“

„Ja, in einem Loch.“

„Ich kenne niemanden, der so unzufrieden ist wie du.“

Wir wählten Dubrovnik. Ungefähr die einzige Destination, die mich absolut nicht lockte.

Sich ein angenehmes Ambiente zu erschaffen, schien nicht auf der Prioritätenliste eines sozialistischen Staates zu stehen. Es war keineswegs geschmacklos, es war gar nichts. Wir verbrachten unsere Ferien in einem Betonklotz mit dreihundert Zimmern. Groß genug, um sich zu verlaufen. Was ich auch tat.

Obwohl ich versuchte, mir die Lage schön zu denken, erzählten meine Gesichtszüge etwas anderes, denn Hugo höhnte: „Die Prinzessin ist auch nie zufrieden.“

Mit verächtlichen Blicken beobachtete er, wie ich seinen Koffer auspackte. „Spinnst du? Was soll diese bescheuerte Hose hier? Ja glaubst du, ich führe dich in ein nobles Restaurant? Das müsstest du dir zuerst verdienen. Wo ist meine Zeitung? Ich lese doch nicht deine dummen Liebesromane.“ Hugos Kiefermuskeln mahlten.

Dubrovnik missfiel mir vom ersten Blick an, und ich beschloss, nie mehr nach Kroatien zu reisen. Die herrliche Landschaft entging mir. Dafür sah ich Soldaten. Überall nur Soldaten. Irgendwo musste ein Nest sein. Sie zupften in meinem Inneren eine Seite an, was ich nicht verstand. Gebannt blickte ich ihnen nach.

Den ersten Tag lag ich bewegungslos am Strand und schämte mich dafür. Hugo hatte schon Recht, das wusste ich. Für alles zu faul. Dumm und dick. Doch die Sonne wärmte meinen Körper und tröstete meine gemarterte Seele. Es war, als würde eine andere Macht mich betäuben und langsam driftete ich in die Zwischenwelt ab.

Im Café am Ende des Strandes sehe ich einen Mann. Die Sonne strahlt in seinem Rücken und eine nicht von ihr entfachte Wärme durchströmt mich. Selbstbewusst lehnt er mit gekreuzten Knöcheln an einen Tisch und lacht mich an. Das Lachen wird noch unwiderstehlicher, als ich seinen Blick erwidere. Ich eile ihm entgegen, denn dieser Mann gehört zu mir.

So war es schon immer und so wird es immer wieder sein.

Sechs Tage danach beobachteten wir am Flughafen die Landung der Maschine aus Zürich, die uns zurückbringen sollte. Erleichtert über ihre wiedererlangte Beinfreiheit liefen die Passagiere hinter einer Glasscheibe an uns vorbei. Überrascht erkannte ich den Mann, der sich zu Hause vor mir verneigt hatte. Er trug eine grüne Jacke, die Ähnlichkeit mit einer Jacke aus Militärbeständen aufwies.

„Da, da ist er, der Ritter. Der arbeitet auf der Baustelle gegenüber!“, rief ich aufgeregt.

„Wer? Was schnatterst du da?“, fragte Hugo gereizt. „Mach nicht so ein Theater. Alle starren schon zu uns herüber.“

Der siebte Skarabäus

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