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Phase 4: Phasen der Stabilität – Innere Unruhen – Niedergang des Parthischen Reiches: von Vologases I. (ca. 51–79 n. Chr.) bis Artabanos IV. (ca. 216–224 n. Chr.)
ОглавлениеIn der vierten Phase des Parthischen Reiches mehrten sich die Kämpfe mit Gegnern in Ost und West. Durch die Angriffe von Trajan ab 114 n. Chr. verloren die Parther in kurzer Zeit Mesopotamien und Babylon, die sie nur mit großer Anstrengung zurückerobern konnten. Der Streit um den Einfluss in Armenien spielte immer wieder eine entscheidende Rolle. 161 n. Chr. erklärte der parthische König Vologases IV. den Römern unter Kaiser Marcus Aurelius formal den Krieg.95 Es war vermutlich das erste Mal in der Auseinandersetzung zwischen den beiden Großmächten, dass ein parthischer Herrscher den Römern förmlich den Krieg ansagte. Den Parthern gelang es, Armenien zu erobern und bis nach Syrien vorzudringen. Dies forderte zwangsläufig die Römer zum Gegenschlag heraus. Von 162 bis 166 n. Chr. kämpfte Lucius Verus, der von Kaiser Marcus Antonius nach Osten geschickt worden war, gegen das Parthische Reich und konnte 164 n. Chr. die Parther erfolgreich aus Syrien und Armenien vertreiben. 165 n. Chr. eroberte er die Städte Seleukia und Ktesiphon. Erst eine Seuche – diskutiert werden die Pocken, aber auch eine Infektion mit Yersinia pestis (Pesterreger) – zwang die Römer zum Rückzug. Die Seuche breitete sich mit den Soldaten bis nach Rom aus und forderte dort täglich bis zu 2000 Tote. Über 24 Jahre wütete diese Krankheit, ehe sie relativ rasch verschwand. Man schätzt, dass bis zu 25 % der Bevölkerung an ihr gestorben sei.
Als Folge dieser Kämpfe zwischen beiden Großmächten gelangten Dura Europos, Edessa und Carrhae wieder in den römischen Machtbereich. Armenien blieb unter römischer Kontrolle. Nach diesem Krieg, der den Fernhandel Parthiens erheblich beeinträchtigt hatte, war bis zum Regierungsende Vologases’ IV. (ca. 191 n. Chr.) eine längere Stabilitätsphase zu verzeichnen.
Von 195 n. Chr. an kämpfte Lucius Septimius Severus gegen die Parther und konnte 198 v. Chr. die parthische Hauptstadt Ktesiphon erobern und zerstören. Durch diesen Krieg gelang es den Römern, zwei neue Provinzen – Osrhoene und Mesopotamia – zu schaffen und die Parther deutlich zurückzudrängen. Ein letzter römischer Angriff gegen das Parthische Reich erfolgte durch Caracalla im Jahr 216 n. Chr. Die Parther konnten jedoch in der Schlacht von Nisibis (217 n. Chr.) die römische Armee schlagen und die Römer zu hohen Tributzahlungen verpflichten.
Vologases I. (ca. 51–79 n. Chr.),96 der Nachfolger von Gotarzes II., war einer der erfolgreichsten parthischen Könige und ein ebenbürtiger Gegenspieler Roms, unter dem das Parthische Reich eine Blütephase erlebte. Seine Herrschaft war anfänglich geprägt von Auseinandersetzungen im eigenen Land, denn er musste nach der vorangehenden Unruhephase versuchen, im Reich wieder Stabilität zu erreichen, was ihm letztlich auch gelang. Da er mit Hilfe seiner Brüder auf den Thron gebracht worden war, schuldete er diesen eigene Machtbereiche. Politisch geschickt, übergab er seinem Bruder Tiridates Armenien und seinem anderen Bruder Pakoros den Thron von Media Atropatene.
Nach Kämpfen seines Bruders Tiridates mit Rom, bei denen es um Gebiete in Armenien gegangen war, wurde im Jahr 63 n. Chr. ein Kompromiss mit den Römern erzielt: Tiridates sollte zwar die Herrschaft über Armenien erhalten, allerdings wollte Rom seinen Einfluss dort wahren und verlangte, dass Tiridates vom römischen Kaiser Nero (54–68 n. Chr.) gekrönt werde. Tiridates zog mit 3000 Reitern nach Rom, die Kosten dafür wurden von Rom übernommen.97 Tiridates, auch Tiridates I. genannt, ist damit der Gründer des arsakidischen Zweiges in Armenien, der bis 428 n. Chr. dort herrschte. Dieser Handel mit Nero sollte den Parthern und den Römern für ca. 50 Jahre Frieden verschaffen.
Vologases I. stärkte vermutlich den zoroastrischen Glauben im Parthischen Reich, denn er ließ nach Angaben im Denkard,98 einem aus dem 9. Jh. n. Chr. geschriebenen Buch mit einer Zusammenfassung des Wissens über die zoroastrische Religion, das heilige Buch der Zoroastrier, das Avesta kopieren; gesicherte Beweise hierfür liegen jedoch nicht vor.
Sohn des Vardanes (ca. 55–58 n. Chr.), ein Sohn Vardanes’ I.,99 ein junger Rebell und parthischer Gegenkönig, revoltierte in Hyrkanien und gelangte für kurze Zeit dort an die Macht.100 Münzen aus seiner Zeit wurden in Mesopotamien (Prägeort Seleukia am Tigris) und dem parthischen Kernland (Ekbatana) gefunden. Auf seinen Tetradrachmen taucht immer wieder die königliche Warze auf, ein charakteristischer Auswuchs an der Schläfe, der auch bei anderen parthischen Königen abgebildet wird (Näheres hierzu findet sich im Kapitel „Das Herrscherbild als Propaganda“).
Pakoros II. (ca. 75–110 n. Chr.), der Sohn Vologases’ I.,101 wurde von seinem Vater schon als Kind, am wahrscheinlichsten zwischen den Jahren 75 bis 77 n. Chr., als Mitregent auf den Thron gehoben. Sein Vater erhoffte sich mit einem solchen Schritt zu Recht, dass die Monarchie dadurch gefestigt werde. Als Vologases I. im Sommer 79 n. Chr. starb, übernahm Artabanos III. (ca. 80–82 n. Chr.) für zwei Jahre den Thron, da der eigentlich vorgesehene Thronnachfolger noch zu jung war.102 Die frühen Münzen Pakoros’ II. zeigen ihn noch bartlos, während er auf seinen späteren Münzen mit Bart porträtiert wird. Da die römischen Schriftquellen uns nur wenige Informationen über die Herrschaft von Pakoros II. geben, kann eine stabile politische Lage im Parthischen Reich angenommen werden. Nach Angaben von Arrian (griechischer Schriftsteller, geb. um 85/90 n. Chr.) verkaufte er 109/110 n. Chr. die Osrhoene an Abgar VII.103 und verstärkte die Wallanlagen der Stadt Ktesiphon. Auch wirtschaftliche Stabilität kann für seine Regierungszeit postuliert werden, da Pakoros II. um 101 n. Chr. eine Delegation zur Handynastie nach China sandte, um die diplomatischen Beziehungen und den Handel zwischen beiden Ländern zu fördern. Auf den Tetradrachmen Pakoros’ II. findet sich, was sonst eher unüblich war, der Name des Herrschers.
Die Münzen des Typs S 72, die Sellwood aufgrund ikonographischer Aspekte einem separaten Herrscher Vologases II. (ca. 77–80 n. Chr.) zuordnete, werden nunmehr den Münzprägungen Vologases’ I. zugeschrieben, der 79 n. Chr. starb.104 Neuere Untersuchungen belegen, dass ein Vologases II. nicht existiert hat.
In die Regierungszeit der miteinander rivalisierenden Könige Vologases III. (ca. 105–147 n. Chr.) und Osroes I. (ca. 109–129 n. Chr.) fiel der Krieg Roms unter Trajan gegen die Parther (114–117 n. Chr.). Die Stadt Ktesiphon, die Osroes I. mit seinen Truppen verteidigte, wie auch die ihr gegenüber liegende Stadt Seleukia fielen in Trajans Hand. Eine Tochter des Partherkönigs wurde dabei gefangen genommen, während Osroes rechtzeitig fliehen konnte. Trajans Siegeszug wurde vor allem durch Unruhen zwischen den rivalisierenden Königen im Innern des Partherreiches ermöglicht. Aufgrund seines Sieges erhielt Trajan den Beinamen „Parthicus“. 116 n. Chr. drang er bis an den Persischen Golf vor. Zur Feier des Sieges über die Parther wurden in Rom großartige Zirkusspiele veranstaltet. Nachdem die Parther ihre Heere neu aufgestellt hatten, eroberten sie jedoch in kurzer Zeit die verloren gegangenen Gebiete zurück.
Nach Osroes’ I. Flucht aus Ktesiphon gelang es ihm, im Jahr 117 n. Chr. seinen von den Römern auf den Thron gesetzten Sohn Parthamaspates zu verdrängen, und er verblieb bis ca. 129 n. Chr. auf dem parthischen Thron. Danach ging die Macht endgültig an seinen Rivalen Vologases III. verloren. Durch Friedensverhandlungen zwischen Hadrian und Osroes wurde der Euphrat erneut als Grenze bestätigt. Armenien und die Adiabene blieben römische Klientelkönigtümer.105
Parthamaspates (ca. 116 n. Chr.), der Sohn Osroes’ I., verbrachte einen Großteil seiner Lebenszeit im Exil in Rom und unterstützte Trajan bei dessen Feldzügen gegen die Parther. Parthamaspates wurde kurzfristig von den Römern nach dem Sieg über Seleukia zum parthischen König ernannt. Nach dem Abzug der Römer verlor er jedoch bald seinen Thron wieder an seinen Vater Osroes I. und floh zurück nach Rom. Anschließend verwaltete er den Kleinstaat von Osrhoene. In dieser Zeit versuchte er, seinen Einfluss über die Seidenstraße und den Handel mit Luxusgütern aus dem Osten auszudehnen, indem er Handelsbeziehungen zu dem aufstrebenden Königreich der Kuschan im Osten von Parthien aufbaute. Dieser Warenaustausch wurde durch Schiffsverbindungen über den Indus sichergestellt.
Mithradates IV. (ca. 129–140 n. Chr.) war der Vater Vologases’ IV., eines Gegenkönigs von Vologases III. Die Datenlage für diesen Herrscher ist insgesamt jedoch ebenso unbefriedigend wie die für den Unbekannten König III. (ca. 140 n. Chr.), der vermutlich während der Herrschaft von Vologases III. ein Rebell war.
Aus der Regierungszeit Vologases’ IV. (ca. 147–191 n. Chr.) stammt die parthischgriechische Bilingue auf einer Bronzefigur, die 1984 in Seleukia am Tigris gefunden wurde. Sie ist die einzige parthische Inschrift, die ein historisches Ereignis benennt. Sie stammt aus dem Jahr 462 nach seleukidischer Rechnung (= 151 n. Chr.) und informiert darüber, dass Vologases IV., Sohn des Miradates (Mithradates), den charakenischen Herrscher Miradates (Meredat), Sohn des Pakoros (= Pakoros II.), aus der Mesene (= Charakene) vertrieb.106 Die Bronzestatue des Herakles sei, so gibt der Text weiter an, von der Mesene nach Seleukeia transportiert und dort im Apollontempel aufgestellt worden. In der Bilingue wird als Vater Vologases’ IV. nur ein Miradates (Mithradates) genannt. Wie eine 1984 entdeckte Bronzemünze nachweist,107 war er der Sohn Mithradates’ IV.
Vologases IV. erlebte während seiner fast 44-jährigen Regierungszeit auch längere friedliche Phasen im Reich. Im Jahr 161 v. Chr. erklärte er allerdings den Römern den Krieg und drang in Armenien ein. Die Römer antworteten mit einem Gegenschlag, indem römische Truppen unter der Führung von Lucius Verus, der von Kaiser Marcus Antonius nach Osten geschickt worden war, von 162 bis 166 gegen die Parther zogen. Die Römer drangen weit in das Partherreich ein und eroberten 166 n. Chr. die Städte Seleukia und Ktesiphon. Die bereits am Anfang des Kapitels erwähnte Pest zwang das römische Heer zum Rückzug. Als Ergebnis des römischen Feldzuges gelangten Dura Europos, Edessa und Carrhae unter römische Kontrolle. Auch Armenien verblieb unter römischer Kontrolle. Münzfunde aus der Osrhoene, auf denen Vologases IV. abgebildet ist, lassen vermuten, dass die Osrhoene in der Regierungszeit dieses Herrschers ein parthischer Vasallenstaat war.
Die Datenlage für Osroes II., der ca. 190 n. Chr. nur kurz geherrscht hat, ist unbefriedigend.
Vologases V. (ca. 191–208 n. Chr.) nutzte die Schwäche des Römischen Reiches und unterstützte Aufstände in der Osrhoene und der Adiabene (Abb. 17). Der römische Kaiser Septimius Severus begann daher einen Feldzug gegen die Parther und konnte 195 n. Chr. die Osrhoene erobern und sie Rom wieder untertan machen. Ein Gegenangriff Vologases’ V. auf Nisibis (Bereich heutige Südosttürkei) war nicht erfolgreich. Dies hatte zur Folge, dass Septimius Severus den Euphrat abwärts in das Parthische Reich drang, Seleukia und nach schweren Kämpfen Ende 198 n. Chr. auch Ktesiphon erobern konnte. Vologases V. war rechtzeitig aus der Stadt geflohen, die Einwohner der Stadt wurden von den Römern erschlagen oder versklavt. Ktesiphon wurde weitgehend zerstört. Durch diesen Krieg gelang es den Römern, zwei neue Provinzen – Osrhoene und Mesopotamia – zu schaffen. Hatra, das zu dieser Zeit unter parthischem Einfluss stand, konnte von Septimius Severus allerdings nicht erobert werden.108
Abb. 17: Vologases V., Silberdrachme, S 86.3, frontale Darstellung, Revers: stilisierter Bogenschütze, unter dem Bogen das Zeichen für Ekbatana. Inschrift oben: Name des Königs in parthischer Schrift; Inschrift darunter: nicht lesbare griechische Scheinschrift.
Möglicherweise durch diese Niederlagen bedingt, kam es zu Unruhen in der Persis, dem Gebiet, von dem 30 Jahre später die entscheidenden Aufstände ausgehen sollten, die zum Niedergang des Reiches führten. Mit zwei entscheidenden Schlachten konnte sich Vologases V. behaupten und die Rebellion beenden. Der Partherkönig starb um 208 n. Chr. Sein Sohn Vologases VI. wurde Nachfolger.
Informationen über die Herrschaft Vologases’ VI. (ca. 208–228 n. Chr.) sind spärlich. Offenbar war er in Kämpfe mit seinem jüngeren Bruder Artabanos IV. verwickelt, der in Medien herrschte und in Ekbatana Münzen prägen ließ. Vermutlich versuchte dieser, die Gesamtherrschaft über Parthien zu erlangen. Vologases VI. verlor offenbar bald die Kontrolle über den größten Teil des Reiches, und Artabanos IV. gelangte an die Macht. Dies war spätestens 216 n. Chr. der Fall, als der römische Kaiser Caracalla Artabanos IV. das Angebot machte, dessen Tochter zu ehelichen. Die erwartete Ablehnung dürfte der vorgeschobene Grund Caracallas gewesen sein, in die Adiabene einzufallen.109 Nach dem Tod Caracallas führte Kaiser Macrinus den Krieg fort, verlor die aber Schlacht bei Nisibis (217 n. Chr.), in deren Folge es 218 n. Chr. zu Friedensverhandlungen mit Artabanos IV. kam. Im Ergebnis blieb Nordwestmesopotamien weiter römische Provinz, während Armenien zumindest formell weiter unter römischer Oberhoheit stehen sollte.110 Für diesen Kompromiss musste Rom an die Parther jedoch 50 Millionen Denare zahlen.
Artabanos IV. (ca. 216–224 n. Chr.) war der letzte parthische König. 215 n. Chr. führte er in der Elymais die Investitur eines lokalen Fürsten namens Xwāsak durch, beide sind auf einer Stele aus Susa abgebildet. Trotz des Sieges über die Römer und des Friedensvertrages von 218 n. Chr., der den Parthern einen großen Geldgewinn gebracht hatte, muss Artabanos IV. in den folgenden Jahren an Macht eingebüßt haben. Möglicherweise spielten dabei auch Auseinandersetzungen mit seinem Bruder Vologases VI. eine Rolle, von dem man noch bis 228 n. Chr. Münzen gefunden hat. Münzen Tiridates’ III. (ca. 224–228 n. Chr.), die Sellwood primär Artabanos IV. zuschrieb, können aufgrund der gesicherten Inschrift „Tiridates“ diesem zugeordnet werden. Unklar ist, ob er König war oder arsakidischer Prinz, der nach dem Tod Artabanos’ IV. weiter gegen Ardashir kämpfte.111 In dieser Unruhephase kam es in der Provinz Persis zu einem Aufstand, der von dem lokalen Führer Ardaschir geleitet wurde. Ardaschir konnte schließlich 224 n. Chr. Artabanos IV. besiegen und töten. Der Sieg Ardaschirs wird auf dem bekannten Relief in Naqsh-e-Rostam (auch: Naqsh-e-Rustam) abgebildet, auf dem der neue Herrscher durch den Gott Ahura Mazda in sein Amt eingeführt wird, während sein Gegner Artabanos IV. tot unter den Hufen eines Pferdes liegt (Abb. 20). Das Reich der Parther fand mit dieser Niederlage sein Ende, ihm folgte das Reich der Sasaniden unter Ardaschir I.