Читать книгу Das Liliengrab - Valentina Berger - Страница 10

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Kapitel 5

Heinz saß mit Wagner und Laura in dem großen Besprechungsraum. Hier wurden Geburtstage gefeiert und Informationen zusammengetragen. In diesem Raum wurde gleichermaßen gelacht, geweint und gearbeitet.

Der große Tisch bot genügend Platz, um Dokumente und Papiere auszubreiten und deshalb legte Wagner, immer wenn es möglich war, die Lagebesprechungen hierher. Heinz fühlte sich schon fast so heimisch wie in seinem Büro. Er hatte seinen Lieblingsplatz mit dem Fenster im Rücken. Da saß er auf seinem Stuhl und kritzelte auf einem leeren Notizblock herum.

Laura spielte mit ihrem Haar und wickelte Strähnen auf einen Bleistift.

„Das Wichtigste ist, dass wir ihn identifizieren‟, sagte Wagner.

„Mein ich auch‟, stimmte Heinz zu.

Lauras Locke hatte sich verfangen und sie riss an ihr, um sie frei zu bekommen. „Mist‟, sagte sie leise. Als sie endlich den Bleistift aus ihrem schwarzen Haar bekommen hatte, schaute sie auf. „Das Taufkleid hatte Spuren von Paraffin und noch einer Substanz, die wir erst einordnen müssen. Ja, und die Lilien. Die müssen aus einer Blumenhandlung sein. Jetzt blühen sie nicht im Garten. Der Käufer muss aufgefallen sein.‟

Wagner schüttelte den Kopf. „Nicht zwangläufig. Das sind Grabblumen.

Wahrscheinlich werden die zu Hunderten täglich verkauft oder ausgeliefert.‟

„Aber so viele auf einmal?‟, ließ Laura nicht locker.

„Wenn der Täter nun in verschiedenen Geschäften eingekauft hat?‟, gab Wagner zu bedenken.

„Es wäre einen Versuch wert, bei den Blumenhandlungen nachzufragen ‟, meinte Heinz. „Hat denn nun jemand das Baby als vermisst gemeldet?‟

Wieder ein Kopfschütteln von Wagner. „Kannst du bereits sagen, wie lange das Baby tot ist. Ungefähr wenigstens?‟

Heinz nahm die Brille von seiner Nase und putzte sie mit seinem T-Shirt. „Das ist halt alles ein bisschen schwieriger als bei Erwachsenen. So ein kleiner Körper kühlt viel schneller aus und der Mageninhalt ist auch nicht aufschlussreich. Einige Milchreste, aber die werden auch von Marke zu Marke und Kind zu Kind unterschiedlich schnell verdaut.‟

Er wollte sich nur ungern festlegen, aber Wagner ließ sich nicht so leicht abspeisen. „Dann gib uns einen ungefähren Rahmen.‟

Heinz seufzte. „Nach Berücksichtigung aller Informationen würde ich sagen, zwischen gestern Mittag und gestern Abend.‟

„Das ist ja tatsächlich ziemlich vage‟, kam auch prompt Wagners Vorwurf.

„Ich kann es nicht näher eingrenzen, tut mir leid.‟ Er kannte das schon. Alle Ermittler wünschten sich, den Todeszeitpunkt auf die Minute zu wissen. Aber er war nun mal kein Zauberer, er konnte keine Kristallkugel um Rat fragen, er konnte sich nur an unwiderlegbare Fakten halten, wie Mageninhalt, Temperatur, Ausprägung der Leichenstarre, Zustand der Totenflecken.

Wagner tippte mit seinem Kugelschreiber auf den Zettel vor ihm. „Wie sollen wir herausfinden, wer das Baby ist. Wo sollen wir ansetzen?‟, fragte er, in Gedanken schon einen Schritt weiter.

„Ist es nicht üblich, dass nach der Geburt Hand- oder Fußabdrücke genommen werden?‟, meinte Laura.

Heinz nickte bedächtig. Ja, das war in manchen Krankenhäusern Standard.

„Ich hör mich um‟, bot sich Heinz an. Er hatte zu den hiesigen Krankenhäusern gute Kontakte. Einem Kollegen gegenüber waren Ärzte hilfsbereiter. Bei Polizisten beriefen sie sich öfter als nötig auf ihre Verschwiegenheitspflicht.

Wagner machte sich ein paar Notizen und Heinz fragte sich, ob sein Freund die eigene Handschrift wohl entziffern konnte. Sie sah für ihn wie eine Geheimschrift aus. „Du hast eine Schweineklaue, hat dir das schon mal jemand gesagt?‟, entfuhr es ihm.

Wagner blickte von seinem Gekrakel auf. „Du musst reden. Wer von uns beiden diktiert alles auf ein Tonband, damit die Sekretärin es abtippt?‟

„Du bist nur neidisch, weil ich mir den ganzen Schreibkram spar, aber das hat einen Grund. Es ist schwierig, mit von Blut und Eingeweide glitschigen Fingern einen Stift zu halten.‟

Wagner wurde eine Spur bleicher.

„Das Taufkleid war von Baby’s Doll‟, sagte Laura und kam damit wieder auf den Fall zurück.

„Klingt nach einem Dessous-Shop‟, meinte Wagner. Das brachte ihm einen bitterbösen Blick von Laura ein.

„Möglich, dass dir die Nachforschungen da mehr Spaß machen würden, aber es handelt sich um ein nobles Kinderbekleidungsgeschäft in der Innenstadt. Und da Shoppen wohl eher Frauensache ist, werd ich das für dich übernehmen.‟

Heinz blickte Laura überrascht an. Sie hatte mit all den Spuren genug zu tun. Fasern, Blut, DNA. Sie arbeitete jetzt schon mehr, als ihr guttat. Gerüchten zufolge schlief sie sogar im Labor, doch bisher hatte sich das nicht bestätigen lassen.

Wagner hob bei Lauras Vorschlag erstaunt die Brauen, widersprach aber nicht, was zweifelsohne klüger war. Laura hatte italienisches Blut in den Adern und sie konnte sehr enthusiastisch ihre Meinung vertreten, um es milde auszudrücken. Nur selten wagte es jemand, ihr Paroli zu bieten.

„Gut, dann übernimm du das‟, gab sich Wagner geschlagen. Laura lächelte. „Und dafür kümmerst du dich um die Lilien.‟

„Ich glaube nicht, dass das sinnvoll ist‟, warf Wagner ein. Doch Laura fuhr fort, als hätte sie seinen letzten Satz gar nicht gehört: „Die heißen übrigens Madonnenlilien. Und sie stehen für Reinheit und Unschuld.‟

Heinz musste grinsen, als er erkannte, dass Laura Wagner geschickt genau dorthi bugsiert hatte, wo sie ihn die ganze Zeit haben wollte.

„Also dann: Machen wir uns an die Arbeit. Treffen wir uns heute Abend, sagen wir um sechs?‟, kam es von Wagner.

Laura blickte betroffen zur Uhr. „Verdammt, ist heute Sonntag?‟

Heinz nickte. Laura fluchte noch einmal, sprang vom Sessel auf, raffte ihre Unterlagen zusammen und sagte beim Hinausgehen: „Tut mir leid, ich kann wahrscheinlich nicht. Familientreffen.‟ Wenn man ihrem Gesichtsausdruck Glauben schenken konnte, freute sie sich nicht darauf.

Wagner sah ihr nach und zuckte dann die Schultern. „Und was ist mit dir?‟ „Ich komme‟, sagte Heinz. Auf ihn wartete ohnehin niemand. Vielleicht konnte er Wagner zu einem Besuch ins „Traviata‟ überreden, ihrem Stammitaliener, bloß ein paar Meter von seiner Wohnung entfernt. Die weltbeste Pizza Salami und ein kaltes Bier. Dann würde dieser Tag wenigstens angenehmer enden, als er angefangen hatte.

Das Liliengrab

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