Читать книгу Das Liliengrab - Valentina Berger - Страница 16
ОглавлениеKapitel 11
Lauras Handy klingelte. Sie blickte auf das Display, und ihr Herz pochte schneller, als sie die Nummer erkannte. Gott sei Dank hatte die Ampel gerade auf gelb geschaltet.
Sie hob ab.
„Wir sollten uns schleunigst zusammensetzen‟, klang Wagners Stimme an ihr Ohr.
„Habt ihr was herausgefunden?‟, fragte sie.
„Wir haben eine Spur.‟
Das reichte, um sie neugierig zu machen.
„Ich bin in einer Viertelstunde da‟, sagte Laura. Der Besuch in dem Secondhandladen würde noch etwas warten müssen.
Abgehetzt betrat Laura Campelli das Besprechungszimmer. Sie konnte es kaum erwarten, von ihren Ergebnissen zu berichten. Wagner und Heinz diskutierten miteinander und blickten nicht einmal auf, als sie eintrat.
Laura hatte das Gefühl, platzen zu müssen, wenn sie ihre Neuigkeiten nicht gleich los würde.
„Meine Herren, könnt ihr euren Meinungsaustausch mal kurz unterbrechen? Ich war nämlich den ganzen Vormittag und den halben Nachmittag unterwegs. Und ich habe etwas gefunden.‟
Endlich zollten die beiden ihr Aufmerksamkeit.
„Also: Ich war in diesem Geschäft, Baby’s Doll. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, welche Preise die dort haben. Aber egal, ich habe zwei Kunden ausfindig gemacht, die so ein Taufkleid gekauft haben. Es war eine Kollektion vom vorigen Jahr.‟ Die unfreundliche Verkäuferin und die Blümchenwindeln verschwieg sie. „Die erste Kundin wohnt im zweiten Bezirk. Zuerst war sie nett und freundlich, aber als sie mir das Taufkleid vorzeigen sollte, hatte sie es plötzlich eilig, mich loszuwerden. Sie meinte, sie wüsste nicht mehr, wo sie es hat.‟ Sie blickte triumphierend von Wagner zu Heinz. „Ich hab dann mit einer Nachbarin gesprochen. Die findet Martha Groß, so heißt die Frau, suspekt. Die hätte ständig fremde Kinder in ihrer Wohnung. Meint ihr nicht, dass das verdächtig wirkt?‟
Wagner meinte: „Na ja, es reicht zumindest, die Dame im Auge zu behalten und mit ihr noch einmal zu reden.‟ Er machte sich eine Notiz und sah sie auffordernd an.
„Na gut. Aber ich fahr nicht noch mal hin. Ich glaub, sie mag mich nicht. Bei der zweiten Adresse gab die Zeugin an, sie hätte das Taufkleid an einen Secondhandladen verhökert.‟
Sie hätte wenigstens ein kleines Lob für ihre Arbeit erwartet. Stattdessen fragte Wagner: „Und dieser Secondhandladen? Hast du dort schon nachgefragt?‟
Laura schüttelte den Kopf. „Nein, dazu kam ich nicht mehr. Ich war gerade auf dem Weg dorthin, als du mich angerufen hast. Aber nun zu euch: Du sagtest, ihr hättet eine Spur.‟
Heinz nahm ein Blatt Papier vom Tisch und hielt es ihr hin. „Das ist der Fußabdruck von Kevin Kruger. Die Mutter hat ihn heute Morgen vermisst gemeldet. Ich hab den Ausdruck gerade vorhin vom Krankenhaus bekommen.‟
Laura griff danach. „Ich lass das gleich mit denen des toten Jungen vergleichen.‟ „Das brauchst du nicht mehr. Deine Mitarbeiter haben das bereits erledigt. Das tote Baby ist Kevin.‟
Laura schluckte. Alles drehte sich einen Moment um sie. Sie musste sich setzen. Den Namen zu kennen, machte es nicht leichter. Im Gegenteil.
„Und jetzt?‟, fragte sie. „Wie geht es weiter? Geht es überhaupt weiter, nachdem wir den Leichnam identifiziert haben?‟
Wagner schlug mit der Faust auf den Tisch. „Ja, verdammt! Wir haben zwar den Namen, aber wir wissen immer noch nicht, was passiert ist. Es gibt zu viele Ungereimtheiten.‟
„Es ist immer noch nicht klar, ob das Kind entführt wurde. In der Nacht von Freitag auf Samstag hat die Nachbarin es jedenfalls weinen gehört – wenn man ihr Glauben schenken kann, danach nicht mehr. Und das, obwohl sowohl Yvonne Kruger als auch die Nachbarin bestätigt haben, dass Kevin sehr viel geweint hat‟, warf Heinz ein.
„Wodurch für mich die Aussage der Mutter fragwürdig erscheint. Die hat ihre Finger mit ihm Spiel, sag ich euch‟, ereiferte sich Wagner. Heinz schüttelte den Kopf. „Ich räume ein, dass sie uns nicht die volle Wahrheit gesagt hat, aber vergiss die Lilien und das Taufkleid nicht.‟
Wagner schnaufte genervt.
„Ich finde die Lilien ebenfalls bedeutsam‟, meinte Laura. Sie war überzeugt davon, dass sie den Blumen bisher viel zu wenig Beachtung geschenkt hatten. „Bist du bei den Blumenhändlern fündig geworden?‟
Wagner schüttelte den Kopf. „Es sind einfach zu viele. Ich habe trotzdem ein paar Leute darauf angesetzt. Außerdem gibt es andere Hinweise, denen wir nachgehen sollten. Wie zum Beispiel der Secondhandladen. Das erscheint mir vielversprechender, als tausend Blumengeschäfte durchzutelefonieren. Was erzählen wir der Presse? Ich würde vorschlagen, wir halten uns möglichst kurz.‟ Heinz nickte. „Da bin ich deiner Meinung. Nur die wesentlichen Fakten. Alter und Geschlecht des Kindes, Todesursache noch nicht geklärt.‟
„Na ja, ein wenig ausführlicher wird’s schon werden müssen. Diese Reporter sind wie die Geier. Die lassen sich nicht mit ein paar Brocken abspeisen. Wir könnten noch erwähnen, dass der Junge möglicherweise entführt wurde. Jemand könnte ihn gesehen haben.‟
„Und die Lilien. Wir könnten einen Aufruf starten. Vielleicht finden wir auf diesem Weg das Geschäft, in dem die Blumen gekauft wurden‟, meinte Laura.
„Jetzt hör doch mit deinen verfluchten Blumen auf‟, wetterte Wagner. Laura starrte ihn überrascht an. Sie war zunächst einmal sprachlos, aber sie fühlte, wie es in ihrem Inneren zu brodeln begann. Wie kam er dazu, so mit ihr zu reden? Sie atmete durch, um sich einigermaßen zu fassen, und sagte so ruhig es ihr möglich war: „Was heißt hier ‘deine Blumen’? Und überhaupt: Du hast keinen Anlass, mich anzuschreien. Ich geh jetzt ins Labor hinüber. Da werden meine Ratschläge wenigstens nicht heruntergemacht.‟
Sie drehte sich um, warf Wagner einen vernichtenden Blick zu und verließ das Besprechungszimmer.
Heinz schüttelte verständnislos den Kopf. „War das notwendig? Sie hat es doch nur gut gemeint. Und ich denke ebenfalls ...‟
Wagner fiel ihm ins Wort. „Ich lasse die blöden Lilien ja überprüfen. Mehr kann ich nicht tun.‟
„Aber ...‟
„Nichts aber. Die Lilien werden nicht erwähnt und damit basta. Ich möchte diesen Hinweis aus ermittlungstechnischen Gründen aus der Presse heraushalten.‟
Heinz verstand. Oft konnte der wahre Täter durch die geschickte Ausspielung von Informationen erst überführt oder ein falsches Geständnis erkannt werden. Aber der Ton, den Wagner Laura gegenüber angeschlagen hatte, war reichlich unangebracht gewesen.
„Du bist für die Ermittlungen verantwortlich, und es ist deine Entscheidung, was du an die Zeitungen weitergibst, aber du hättest sie deswegen nicht so anschnauzen müssen‟, verteidigte Heinz Laura.
Helmut Wagner fuhr sich mit beiden Händen durch sein Haar, sodass es nun ein wenig unordentlich aussah. „Tut mir leid, du weißt, wie ich Pressekonferenzen hasse. Ich hab immer das Gefühl, diese Reporterfritzen stürzen sich auf mich, wie eine Hundemeute auf ihre Beute.‟
„Bei mir brauchst du dich nicht zu entschuldigen, sondern bei Laura. Und so schlimm, wie du es darstellst, ist es auch wieder nicht.‟
Wagner sah auf die Uhr und seufzte. „Ich muss los.‟
Laura schäumte vor Wut. Erst jetzt, da sie über Wagners Äußerung nachdenken konnte, fielen ihr die besten Entgegnungen auf seine Unverschämtheit ein. Dabei war sie sonst nicht auf den Mund gefallen.
Sollte er doch in der Hölle schmoren. Von ihr brauchte er sich kein Entgegenkommen mehr zu erwarten.
Sie setzte sich an ihren Computer und schrieb eine Mail an ihn. Ohne Anrede, ohne Betreff. Nur die Adresse von Martha Groß und die des Secondhandladens. Sie hatte sich die Sohlen platt gelaufen, sich mit einer unfreundlichen Verkäuferin herumgeschlagen, sich die Ohren von einem Kleinkind vollbrüllen lassen – und was war der Dank dafür? Na warte, ich kann auch anders. Dienst nach Vorschrift. Er würde schon sehen, was er von seinem Benehmen hatte.
Ein klitzekleines Stimmchen in ihrem Kopf wagte einzuwerfen, sie wäre nur deshalb so enttäuscht, weil sie ihm gefallen wollte. Blödsinn! Es ging ihr um diesen Fall. Und um nichts anderes. Nachdem sie sich diese beiden Sätze etwa ein Dutzend Mal vorgesagt hatte, glaubte sie sie sogar.
Wagner saß an einem Tisch, zwei Mikrofone vor sich. Die Scheinwerfer blendeten ihn und Schweißtropfen hatten sich auf seiner Stirn gebildet. Ob wegen der Anspannung oder wegen der Hitze in dem überfüllten Konferenzraum, konnte er nicht sagen.
Er hielt sich akribisch an die Notizen, die er sich zurechtgelegt hatte. Es dauerte bloß drei Minuten, bis er mit seiner Mitteilung fertig war. Wie auf Kommando begannen alle anwesenden Reporter gleichzeitig ihre Fragen zu stellen.
Wagner hob die Hand. Doch seine Geste blieb wirkungslos. Da donnerte er mit der Faust auf die Tischplatte. Nun verstummten die Stimmen schlagartig und alle Blicke waren auf ihn gerichtet.
„Ich kann Ihnen zurzeit nicht mehr sagen. Die Ermittlungen haben erst angefangen, und sie laufen auf Hochtouren. Lassen Sie mich nun wieder an meine Arbeit gehen.‟ Er stand auf. Sofort setzte wieder ein Gemurmel ein. Ein paar Unverbesserliche riefen ihm Fragen zu. Die einzige Antwort, die er auf sie hatte, war: „Kein Kommentar.‟
Er bemühte sich, den Weg nach draußen nicht wie eine Flucht aussehen zu lassen. Als er endlich wieder in seinem Büro war, atmete er erleichtert auf. Es war gar nicht so schlimm gewesen. Diesmal. Vielleicht, weil er sich diese Begegnung mit der Presse besonders schrecklich vorgestellt hatte. Nimm das Schlimmste an, dann kann die Realität nur besser werden, dachte er.
Ließ sich diese Philosophie auch für andere Dinge anwenden? Das Schlimmste wäre, überlegte er, wenn es sich tatsächlich um einen Mordfall handeln würde.
Wagner setzte sich in seinen Drehsessel und schaltete den Computer ein. Kaum war er hochgefahren, blinkte ein Briefsymbol. Er hatte eine Mail erhalten.
Sie war von Laura. Sie hatte ihm zwei Adressen geschickt. Er griff zu dem Haftnotizblock, löste einen Zettel ab und suchte nach einem Kugelschreiber. Fluchend, weil er keinen fand, obwohl er sich sicher war, dass am Vortag sogar mehrere auf seinem Tisch gelegen hatten, klickte er auf das Druckersymbol. Das Gerät begann zu rattern und spuckte gleich darauf ein Blatt aus. Welch Papierverschwendung für eine einzige Zeile. Dann griff er sich heute zum zweiten Mal das Branchentelefonbuch. Es gab einige solcher Secondhandläden in Wien. Im Zehnten gab es allerdings nur drei, und nur eines befand sich in der Oberlaaer Straße. Als Inhaber war Waltraud Prinz eingetragen. Er gab ihren Namen in die Polizeidatenbank ein, eher aus Routine als aus einem konkreten Anlass. Auf dem Bildschirm erschienen die Worte: Bitte warten!
Warten fiel ihm schwer. Schon als Kind war das so gewesen. Egal, der Rechner arbeitete alleine. Wahrscheinlich würde es ewig dauern, bis der Computer den Namen mit allen Einträgen abgeglichen hatte. Er hatte genug für heute. Er war müde, emotional ausgelaugt, und er war hungrig.
Eben wollte er zum Telefon greifen, um seinen Freund anzurufen, als einer der Kollegen eintrat, die sich mit den Blumenhandlungen beschäftigt hatten.
„Oh, Peter! Komm rein.‟ Wagner rieb sich die Augen, um die Müdigkeit zu vertreiben. „Habt ihr was gefunden?‟
Der Beamte zögerte. „Ich kann auch morgen kommen, du siehst fertig aus und solltest Feierabend machen.‟
„Wollt ich ohnehin gerade. Also, was gibt’s denn?‟
„Wir haben eine Liste erstellt, aber die bringt nicht viel. In Blumenhandlungen werden nun mal haufenweise Lilien verkauft. Niemandem ist etwas Außergewöhnliches aufgefallen. Tut mir leid, aber das war ein Fehlschuss.‟
„Schon gut. Ich wollte nur nichts unversucht lassen. Na dann, schönen Abend‟, sagte Wagner.
Der Beamte nickte ihm zu und ging Richtung Tür.
„Peter‟, rief Wagner ihn zurück. Der Angesprochene drehte sich um. „Danke, dir und den anderen.‟
„Passt schon. Schließlich geht es um ein Baby.‟ Der junge Polizist hob zum Abschied die Hand und verließ den Raum. Wagner ging die Aufzeichnungen durch, die er eben erhalten hatte. Die Kollegen waren wirklich gründlich gewesen, das musste er ihnen lassen. Sie waren alle Telefonbucheinträge durchgegangen, hatten überall angerufen und zum jeweiligen Namen einen Vermerk gemacht. Es war aber nichts dabei, was ihm weitergeholfen hätte. Im Geiste hakte er diese Spur ab. Es hatte keinen Zweck, die Lilien zurückverfolgen zu wollen. Er musste sich auf etwas anderes konzentrieren. Etwas, das sich als weniger fruchtlos erwies.
Er griff zum Telefon und wählte Heinz' Nummer. „Ich mach jetzt Schluss. Sehen wir uns in einer halben Stunde im ›Traviata‹?‟
„Schon wieder? Wir waren doch erst gestern da.‟
„Schon, aber ich bin dir eine Pizza schuldig, und nachdem ich dem Verhungern nahe bin, kann ich ja das Notwendige mit dem Angenehmen verbinden.‟
Das „Traviata‟ lag praktischerweise nur wenige Meter von Heinz’ Wohnung entfernt, und es war Zuflucht und Heimat in einem. Hier, beim Duft von Knoblauch und Holzkohlengrill, bei guten Essen und einem, oder auch mehreren Gläsern Bier, sprachen Heinz und Wagner über Privates, über Belanglosigkeiten und über Wichtiges. Hier feierten sie ihre Erfolge, und hier trösteten sie sich bei Fehlschlägen. Aber nie, niemals redeten sie während des Essens über ihre Fälle. Diese Abmachung hatten sie am Anfang ihrer Freundschaft getroffen – und bisher hatten sie sich noch immer daran gehalten.
Heinz saß im hinteren Bereich des Lokals, wo es deutlich ruhiger war. Er wartete auf Wagner.
Er setzte gerade sein Bierglas an, als ihm jemand unvermittelt von hinten auf den Rücken klopfte.
„Servus. Halt dich mit dem Bier zurück. Meine Einladung umfasst bloß ein Getränk‟, sagte Wagner.
„Idiot. Ich hätte mich fast verschluckt‟, beschwerte sich Heinz, grinste aber.
Wagner hatte noch nicht einmal richtig Platz genommen, als die Kellnerin mit der Speisekarte erschien. Sie waren so häufig hier, dass die Bedienung längst ihre Namen kannte.
Wagner bestellte sich ebenfalls ein Bier. Dann konzentrierten sich beide auf die Karte.
„Ich denke, ich nehme die Muscheln‟, meinte Heinz. Wagner blickte auf. „Die hattest du doch schon gestern. Außerdem war Pizza ausgemacht. Denk an mein bescheidenes Polizistengehalt.‟
„Eben. Die waren hervorragend. Außerdem muss ich ausnützen, dass du mich einlädst‟, gab Heinz zurück. Wagner brauchte wieder einmal eine halbe Ewigkeit, um sich zu entscheiden. Normalerweise schloss sich sein Freund in seiner Unentschlossenheit Heinz an, aber Muscheln mochte Wagner nicht.
„Hast du in der Zwischenzeit was von Sonja gehört?‟, fragte Heinz, um irgendetwas zu sagen.
Wagner schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich. Sie hat mir mein Handy aus Innsbruck geschickt. Sie hat nicht einmal etwas dazugeschrieben.‟
Heinz schüttelte bedauernd den Kopf. Diese ganze Sache mit Innsbruck hatte einfach unter einem schlechten Stern gestanden. Von Anfang an. „Wie geht es Emilia?‟, versuchte nun Wagner ein Gespräch anzufangen.
Heinz hob die Schultern. „Sie macht eine Therapie. Scheint ihr zu helfen.‟ Wagner nickte. Dann kehrte wieder Ruhe ein.
Das Einzige, das beide beschäftigte, war dieses tote Baby. Da fand sich kein Platz für geistreiche Gespräche. Schon gestern Abend hatten sie keine große Lust zum Reden verspürt.
Gott sei Dank brachte die Kellnerin die Speisen, und sie waren vorerst beschäftigt, sodass das Schweigen zwischen ihnen nicht unangenehm wurde.
„Einfach köstlich!‟, stellte Wagner fest, als er den ersten Bissen von seiner Pizza Provenciale nahm.
„Die Muscheln auch‟, stimmte Heinz zu. „Wie war die Pressekonferenz?‟
„Eh nicht so schlimm. Allerdings fürchte ich, dass sie sich morgen nicht mit so wenig Infos begnügen werden. Wir haben im Grunde nichts Neues. Und das ist ja das Vertrackte. Wenn ich ihnen nichts gebe, worüber sie schreiben können, erfinden sie einfach etwas. So entstehen die wildesten Spekulationen und die Bevölkerung glaubt sie.‟
„Schlussendlich machen die Reporter nur ihren Job. Auch unter ihnen gibt es solche, die gut recherchieren und nur schreiben, was bestätigt ist‟, meinte Heinz. „Wenn du über die Lilien nichts verlautbaren lassen willst – vielleicht kannst du erwähnen, dass wir dem Taufkleid nachgehen. Was mich wieder an Laura erinnert.‟
Wagner starrte ihn verständnislos an.
Heinz seufzte. „Du hättest dich entschuldigen müssen.‟
Wagner schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. „Ich Hornochse! Ich hab’s vergessen.‟
„Was den Hornochsen angeht, kann ich dir nur zustimmen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, warum dir die Frauen scharenweise nachlaufen. Du hast kein Gefühl für das weibliche Geschlecht.‟
Wagner grinste. „Du etwa? Du beachtest weibliche Wesen ja nur, wenn sie tot auf deinem Seziertisch liegen.‟
„Die kann ich wenigstens nicht beleidigen. Außerdem stimmt das nicht. Nur in letzter Zeit läuft in puncto Verabredungen wenig. Zuviel Arbeit.‟ Heinz konzentrierte sich auf sein Abendessen und hing seinen Gedanken nach.
„In letzter Zeit‟ war etwas beschönigend ausgedrückt. Wie lange war sein letztes Date her? Ein halbes Jahr?
Hin und wieder wünschte er sich, jemanden an seiner Seite zu haben. Jemand, der auf ihn wartete, wenn er heimkam. Jemand, der ihn in den Arm nahm, wenn er sich schlecht fühlte, weil ihn sein Job wieder einmal zu sehr plagte.
Aber andererseits: Welcher Frau konnte er seine Arbeitszeiten zumuten? Welche hätte Verständnis für seinen Beruf?
Er hatte schon zweimal eine längere Beziehung gehabt, doch schlussendlich waren sie daran gescheitert, woran viele scheitern: an der Arbeit. Und seit der Sache mit seiner Schwester fand er es auch vernünftiger, sich nicht zu binden. Je weniger Gefühl man investierte, desto weniger verletzlich war man.
Wagner hielt sich sein Handy ans Ohr, nach einigen Sekunden unterbrach er aber die Verbindung. „Es meldet sich nur die Mailbox.‟
„Tja, vielleicht hat Laura auch noch ein Privatleben‟, meinte Heinz.
Wagners Gesichtsausdruck war eine Mischung zwischen Unglauben und Erkenntnis. Heinz nahm das wohlwollend zur Kenntnis. Laura war seinem Freund also nicht egal. Er spielte nicht gern Amor, aber er wollte auch nicht mitansehen, wie die zwei litten, weil sie sich weigerten, miteinander zu reden, um diesen Zustand der Ungewissheit ein für alle mal zu beenden.
Sie ließen sich Zeit mit dem Essen. Plötzlich war es Heinz ganz recht, dass sie diese Abmachung getroffen hatten. Es hätte ohnehin nichts zu besprechen gegeben.
Nichts Neues, nichts, das sie nicht schon gestern durchgekaut hatten.