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7. Die Aktualität des Idealismus

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Eingangs habe ich gesagt, der Deutsche Idealismus sei auch heute noch aktuell. Zunächst einmal kann sich die Philosophie des Geistes, die sich gegenwärtig unter dem Einfluss des Materialismus kaum mehr für die Eigenart des Geistigen interessiert, wichtige Anregungen beim Deutschen Idealismus holen.

Schon Platon hat gesehen, dass der Materialismus keine bloß akademische These ist, die uns im praktischen Leben gleichgültig sein kann. In seinen späten Dialogen hat er in der Klärung des Verhältnisses von Geistigem zu Physischem die wichtigste Aufgabe der Philosophie überhaupt gesehen. Er hat erkannt, dass es dabei um unser Selbstverständnis als freie und selbstbestimmte Subjekte geht. Im Sophistes (246a) bezeichnet er den Streit um die richtige Konzeption als „Gigantomachie“. Griechische Mythen erzählen vom siegreichen Kampf der olympischen Götter gegen die Giganten – langhaarige, bärtige, Schlangenschwänze tragende Ungeheuer –, die ihre Herrschaft bedrohten. Die Gigantomachie ist dieser weltgeschichtlich entscheidende Kampf, der Aufstand von Barbarei, Gewalt und Chaos gegen Kultur, Recht und Ordnung. Bei Platon steht dieses mythische Bild für den Aufstand der Materialisten, der „Erdgeborenen“, der Leute, die nur an das glauben, was sie anfassen können, gegen die „Ideenfreunde“, die Eigenart und Bedeutung des Geistigen anerkennen. Aus Fichtes Erkenntnis von der Intentionalität unseres Denkens ergibt sich ein Argument gegen den Materialismus, da so etwas wie Intentionalität im physischen Bereich nicht vorkommt. Dieses Argument spielt auch heute eine Rolle,8 lässt sich aber durch das Dimensionsargument erheblich verbessern (Kutschera 2009, 162–170).

Endlich sind die Argumente von Berkeley und Kant für den sekundären Charakter aller empirischen Eigenschaften und damit für die Unmöglichkeit, die Außenwelt so zu erkennen, wie sie an sich ist, zwar unbrauchbar, man kann die These jedoch stringent begründen (Kutschera 2009, 212–218). Man ist daher heute, ebenso wie zur Zeit Kants, mit den Grenzen unseres Erkennens konfrontiert. Fichte hat gesehen, dass sich diese Grenzen aus der Grundstruktur intentionalen Denkens ergeben. Damit stellt sich uns auch heute noch die Frage, ob es ein nichtintentionales Erkennen gibt, das diese Grenzen überwinden kann.

1 Eine Version des erkenntnistheoretischen Idealismus entsteht, wenn man Erfahrungen, wie Phantasievorstellungen, keinen Bezug zuordnet oder ihn nicht vom Gegenstand unterscheidet, denn der Gegenstand, also der Inhalt, ist als Proposition zwar kein Sinneseindruck, aber jedenfalls etwas Mentales.

2 „Das Bewusstsein des Gegenstandes ist nur ein nicht dafür erkanntes Bewusstsein unserer Erzeugung einer Vorstellung von Gegenständen“ (1971, 2.221).

3 Vgl. das Fragment B34 in: Hermann Diels und Walther Kranz (1903), und dazu Kutschera (2014, I, 3. 4.).

4 Zit. nach Hans Schulz (1923, 9).

5 Vgl. dazu z.B. die Ausführungen Gaudapadas, in Paul Deussen (2007, 587–604), sowie Kena-Upanishad (1, 3, ebenda 209), und Katha-Upanishad (1, 2, 18).

6 Ähnliche Nichtunterscheidungen von Eigenschaften und ihren Instanzen finden sich auch in den Upanishaden, wo es z.B. heißt: „Du bist das Leben, das Leben aber ist unsterblich.“ Korrekt müsste man sagen: „Du bist lebendig, Lebendiges aber ist sterblich.“

7 Zitiert in David Loy (1988, 108).

8 Vgl. Kutschera (1981, 6.3) und John Searle (1983).

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