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Gibt es einen Urgrund aller Dinge?

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Von den ältesten Philosophen nun waren die meisten der Ansicht, dass als die Prinzipien (Urgründe) aller Dinge allein die Ursachen von materieller (stofflicher) Art zu gelten hätten. Das, woraus alle Dinge stammen, woraus alles ursprünglich wird und worin es schließlich untergeht, während die Substanz unverändert bleibt und sich nur in ihren Zuständen ändert, dies bezeichnen sie als das Element und als das Prinzip (Urgrund) der Dinge. Daher ist es ihre Lehre, dass es so wenig ein Entstehen als ein Vergehen gibt; bleibt doch jene Substanz stets erhalten. […] Denn notwendig muss eine Substanz da sein, sei es nur eine oder seien es mehrere, woraus das andere (d.h. die Erscheinungsformen des Seins, die Einzeldinge) wird, wahrend sie selbst (die Substanz) fortbesteht.

Was dagegen die Anzahl und die nähere Bestimmung eines derartigen Prinzips betrifft, so findet sich darüber keineswegs bei allen die gleiche Ansicht. Thales, der erste Vertreter dieser Richtung philosophischer Untersuchung, bezeichnet als solches Prinzip das Wasser. Auch das Land, lehrte er deshalb, ruhe auf dem Wasser. Den Anlass zu dieser Ansicht bot ihm wohl die Beobachtung, dass die Nahrung aller Wesen feucht ist, dass die Wärme selber daraus entsteht und davon lebt; woraus aber jegliches wird, das ist das Prinzip von allem. War dies der eine Anlass zu seiner Ansicht, so war ein andrer wohl der Umstand, dass die Samen aller Wesen von feuchter Beschaffenheit sind, das Wasser aber das Prinzip für die Natur des Feuchten ausmacht.

Manche nun sind der Meinung, dass schon die Uralten, die lange Zelt vor dem gegenwärtigen Zeitalter gelebt und als die ersten in mythischer Form nachgedacht haben, die gleiche Annahme über die Substanz gehegt hätten. Diese bezeichneten Okeanos und Thetys als die Urheber der Weltentstehung und das Wasser als das, wobei die Götter schwören; sie nennen es Styx wie die Dichter. Denn am heiligsten gehalten wird das Unvordenkliche, und der Eid wird beim Heiligsten geschworen. Ob nun darin wirklich eine so ursprüngliche Ansicht über die Substanz zu finden ist, das mag vielleicht nicht auszumachen sein. Jedenfalls von Thales wird berichtet, dass er diese Ansicht von der obersten Ursache aufgestellt habe.

Anaximenes sodann [setzt] vor das Wasser und als das eigentliche Prinzip unter den einfachen Körpern die Luft, […] Heraklit von Ephesus das Feuer; Empedokles aber kennt vier Elemente, indem er zu den genannten die Erde als das vierte hinzufügt. Diese, meint er, seien das beständig Bleibende; sie entstünden nicht, sondern verbänden sich nur in größerer oder geringerer Masse zur Einheit und lösten sich wieder aus der Einheit. Anaxagaras von Klazomenae dagegen, der ihm gegenüber dem Lebensalter nach der frühere, seinen Arbeiten nach der spätere war, nimmt eine unendliche Vielheit von Urbestandteilen an.

Aristoteles: Metaphysik. Ins Deutsche übertragen von Adolf Lasson, Jena 1924, 12f. (983 a); überarbeitet.

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