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Der Knorpel ist gefühllos, aber Reibung reduzieren kann er perfekt
ОглавлениеSchaut man sich die Gelenkflächen einmal genau an, so stellt man fest, dass das Ganze zuallererst eine ziemlich glitschige Sache ist. Um die Reibung zwischen zwei Flächen zu definieren, gibt es in der Technik den sogenannten Reibungskoeffizienten. Dabei werden zwei Flächen übereinandergeschoben und zusammengepresst. Das Verhältnis der Kraft, die man braucht, um die Flächen übereinanderzuverschieben, zu der Kraft, mit der man die beiden Flächen aufeinanderpresst, ist der Reibungskoeffizient. Je stärker man die übereinandergleitenden Flächen zusammenpresst, umso fester muss man ziehen. Das Verhältnis der beiden Kräfte zueinander aber bleibt das gleiche. Jedoch ist es ein Unterschied, ob die Flächen in voller Fahrt bereits übereinandergleiten, oder ob man schon leicht an ihnen zieht, diese sich aber noch nicht bewegen. In voller Fahrt muss man weniger stark ziehen, als man ziehen muss, damit es losgeht. Der Gleitreibungskoeffizient ist daher immer niedriger als der Haftreibungskoeffizient. Je kleiner diese Koeffizienten sind, desto geringer ist die Reibung.
In der Technik ist man seit Jahrhunderten bemüht, die Reibung zu reduzieren, wo immer es geht. Denken wir allein an einen Verbrennungsmotor. Zwischen Kolben und Zylinder geht’s zackig rauf und runter. Je geringer die Reibung, desto geringer der Verschleiß und die Reduktion der Motorleistung. Extrem wichtig also, die Reibung auf ein Minimum zu reduzieren. Durch Modifikation der Materialien, der Schmiermittel und der Schmiertechnik hat man hier Großes vollbracht.
Und jetzt kommt’s: Der Knorpel kann es viel besser! Nehmen wir die Haftreibung. In der Technik gilt als „Goldstandard“ Bronze auf Stahl. Gut geschmiert beträgt der Haftreibungskoeffizient hier 0,18. Das ist allerdings noch weit entfernt von dem Haftreibungskoeffizienten von Stahl auf Eis. Dieser beträgt nur noch 0,027. In der Technik ist das zwar nicht relevant, aber auch unerreicht. Und der Knorpel? Der schafft je nach Studie zwischen 0,02 und 0,005. Ein Meister seines Fachs! Mit solchen Reibwerten sollte nichts schiefgehen.
Tut es aber. Wenn es nämlich losgeht mit der Bewegung zwischen den Gleitflächen, wir also die Gleitreibung betrachten, sieht es auf einmal ganz anders aus. In der Technik wird es besser. Der Physik folgend beträgt der Gleitreibungskoeffizient von Bronze auf Stahl gut geschmiert nur noch 0,07. Das liegt am Flüssigkeitsfilm des Schmiermittels, der sich zwischen den Flächen bildet. Eine solche Flüssigkeitsreibung, wo ein Flüssigkeitsfilm die gleitenden Flächen voneinander trennt, ist durch nichts zu ersetzen. Ein echter Fortschritt der Technik! Aber wehe, wenn der Flüssigkeitsfilm zu dünn wird oder gar reißt. Dann reibt in der Technik Metall auf Metall und es knirscht entsetzlich. Der Kolben frisst sich in den Zylinder, der Kolbenfresser zerstört den Motor.
Und der Knorpel? Autsch! Dem gefällt das Rumgetrampel gar nicht. Er wird dabei nämlich immer wieder zusammengepresst und verliert einen Teil seiner Flüssigkeit, was ihm gar nicht guttut. Treibt man das im Labor ad absurdum und presst den Knorpel einige hundert Mal so lange auf eine Glasplatte, bis der Knorpel bei einer bestimmten Last nicht mehr platter werden kann, beträgt der Gleitreibungskoeffizient nur noch etwa 0,45.2 Das tut weh! Auch ein Flüssigkeitsfilm, der die Gelenkflächen voneinander trennt, kann sich in einem natürlichen Gelenk nicht richtig ausbilden. Im wahrsten Sinne des Wortes reiben sich die Flächen aneinander. Und aneinander auf.