Читать книгу Ayélé, Tochter im Schatten - Véronique Ahyi-Hoesle - Страница 13

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In der ersten Reihe neben Auguste sehr aufrecht sitzend und ein starres, aber glückseliges Lächeln auf den Lippen, erlebt Adele einen großen Augenblick: Ihre Tochter Marie-Eleonore wird zum Doktor der Medizin promoviert. Tausendmal hat sie von diesem Moment geträumt. Zehntausendmal hat sie das bereits vor einem Jahr gekaufte Kostüm anprobiert. Stunden hat sie vor dem Spiegel verbracht, an ihrer Haltung gearbeitet, den Kopf leicht schräg, den rechten Handschuh in der linken Hand, und die Beine zusammen, wie Anne-Aymone zu offiziellem Besuch im Buckingham Palast. Sie muss vollkommen sein. Dieser Dokhtohr-Titel ist auch der ihre. Sie hat sich dafür geschlagen, und heute in diesem kleinen Saal der Universität Claude Bernard beglückwünscht sie sich, damals an einem gewissen Sonntag im Oktober die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Die Gäste, die Adeles Krönung beiwohnen, sind handverlesen. Nichts Afrikanisches überschattet diesen Moment der Glückseligkeit, selbst ein Pierre-Henri von Vermont nicht, der seinerzeit wie ein Flegel abserviert wurde und noch immer im amerikanischen Exil ist.

Zum selben Zeitpunkt, nur zwanzig Kilometer davon entfernt, wird ein kleines Mädchen von drei Jahren, das ohne seine Mutter aufwächst, im Kindergarten von Quincieux aufgenommen.

Isabelle und Blandine haben Befehl, mich der Lehrerin vorzustellen und während der Pausen auf mich aufzupassen. Auf dem Heimweg erzähle ich ihnen ganz aufgeregt meinen Vormittag. Ich fühle mich nicht den Blicken der anderen Kinder ausgesetzt. Die Integration in meine Klasse verläuft ohne Probleme. Meine Andersartigkeit ist mir noch nicht bewusst. Ich singe und spiele mit den Schülern. Nur kann Fräulein Lambert leider nichts gegen die Grausamkeit der Kinder der anderen Klassen ausrichten.

Einen Monat später verliert mein Schutz seine Wirksamkeit, als die zwei Perlin Mädchen in ihrem Klassenzimmer die Tafel wischen und einige Übungen verbessern müssen. Einige der ältesten Schüler hatten schon lange auf diese Gelegenheit gewartet. Im Kommando kommen sie an, um mich genauer zu studieren. Ermutigt durch die Konzentration, mit der die Lehrerinnen unter der großen Linde sitzen und diskutieren, umzingeln sie mich und drängen mich in eine Ecke des Hofs. Die anthropologische Untersuchung kann beginnen. Sie ziehen an meinen Locken, lachen schallend, wenn sie auf meine platte Nase drücken, um sie noch platter zu machen, kneifen mir in die Backen, weil sie sehen wollen, ob meine Haut durch den Schmerz rot wird, heben meinen Rock hoch, ob ich überall dieselbe Farbe habe und kratzen mich, um sich zu vergewissern, dass mein Blut dieselbe Farbe hat wie ihres. Aber vor allem schimpfen sie mich Negerin. Ich schlage um mich und versuche ihnen zu entkommen, aber sie sind zu viele. Meine Tränen bringen sie noch mehr zum Lachen. Ich, die einzige farbige Schülerin an der Schule von Quincieux, kann weinen wie sie! Welche Entdeckung.

Die Trillerpfeife der Lehrerin beendet meine Qual. Die Großen verstreuen sich; ein Häuflein Elend, kauere ich erschüttert in der Ecke des Hofes. Der Zwischenfall kommt vor die Schulleiterin, die sofort die schuldige Lehrerin tadelt. Zuhause frage ich Mutter Denise, was eine Negerin ist. Ihre zögerliche und nebulöse Antwort bestätigt mir, dass sie mir etwas Schlimmes verheimlicht, etwas, das nicht aufhören wird, mich leiden zu lassen. Meine Kratzer sind in der Schule desinfiziert worden. In einigen Tagen wird jede Spur auf meiner Haut verschwunden sein, dieses Wort jedoch wird mir für immer eingeprägt bleiben.

Ayélé, Tochter im Schatten

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