Читать книгу Ayélé, Tochter im Schatten - Véronique Ahyi-Hoesle - Страница 15

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Zu Weihnachten wünsche ich mir ein Fahrrad. Mutter Denise schreibt an Marie-Eleonore, denn dieser Wunsch überschreitet mit Abstand ihre Mittel. Ich bringe den Brief selbst zur Post, aus Angst, er könne verloren gehen und begleite ihn mit den Gebeten, die ich im Kommunionsunterricht gelernt habe. Mit pochendem Herzen finde ich am Weihnachtstag ein wunderschönes rotes Fahrrad vor meiner Tür.

In weniger als einer Woche kann ich es fahren und bin stolz wie ein Spanier. Am Sonntag fahre ich auf der Bahnhofsstraße mit meinen Kameradinnen, die alle älter sind als ich. Natürlich sind sie schneller, aber weniger kühn. Ich werde die Meisterin der Kurven mit vollem Karacho. Ein paar Segelflüge lassen mich wie einen Boxer nach dem KO in der zehnten Runde aussehen, aber ich imponiere den anderen. Ich bin total verrückt nach meinem Fahrrad. Ich poliere es ohne Ende. Selbst die Speichen werden einzeln abgewischt, damit sie glänzen. Mutter Denise profitiert von meinem Spleen und schickt mich zu Einkäufen in Quincieux und in den Orten der Umgebung.

Oft muss ich dazu mutterseelenallein und kilometerweit über verlassene Straßen radeln. Die Brücken von Chanets am Ortsausgang von Quincieux sind mir besonders unheimlich. Dort ist ein Verbrechen begangen worden, das nie aufgeklärt wurde, und es stehen da Wohnwagen, auf deren Bewohner die Leute mit dem Finger zeigen. Schmutzige Geschichten werden über sie erzählt, die meine Phantasie eines kleinen Mädchens nähren. Ich habe Angst. Sobald ich zu der Stelle komme, schaue ich weder nach links noch nach rechts und trete wie verrückt in die Pedale, bis ich ganz außer Atem bin. Erschöpft und mit hängender Zunge kehre ich zurück. Gott beschützt mich auf meinem kleinen roten Fahrrad. Aber wie lange noch?

Ayélé, Tochter im Schatten

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