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Romantik – die Antwort des »Ungeweihten«

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1913

Gegen eine Predigt zu argumentieren, ist mißlich. Demnach sei folgendes zur Schärfung des Früheren gesagt:

Wir wollen, daß endlich der Weltschmerz gegenständlich werde. Die Kunst soll kein Morphium gegen den Willen sein, der in einer schmerzlichen Gegenwart leidet. Dafür steht uns die Kunst zu hoch (und Pubertät läßt sich nicht durch Lyrik schlichten). Der Oberlehrer zwar gesteht jene Romantik uns zu, der die Kunst ein Betäubungsmittel ist: mögen sie sich in eine harmlose und allgemeine Vergangenheit versenken (Schiller und Goethe, Hölderlin und Lenau, Rembrandt, Böcklin und Beethoven); ein Strom von Gefühlen soll sie entmannen. Aus dieser Schulromantik, die den Geist zum Genußmittel verknechtet, sind wir erwacht. Hyperion mag vielen aus der Seele sprechen – aber es sind schlafende Seelen. Helden und Dichter sind ihnen eine Schar von überschönen Traumgestalten, an die sie sich klammern um nicht zu erwachen.

Kein Schiller oder Hölderlin hilft uns. Keine Jugend hilft uns, die über ihren Lieblingsdichtern sitzt und die Schule Schule sein läßt. Wenn sie sich endlich offenen Auges erkennt, wird sie sehen, wieviel Feigheit und endlose Müdigkeit in ihr war. Dann wird sie den Hohn empfinden, der sie romantisch nennt. In allen wird der Jugendgeist erwachen, sie werden nicht mehr als einzelne an der Schule vorbeileben. »Romantik« wird dann heißen der wirkende Wille zu einer neuen Jugend und ihrer Schule.

Eine geistige Wirklichkeit wird sich auftun. Nun erst glauben sie an Kunst und Geschichte; Dichter und Helden bürgen für die künftige Schule. Und diese Jugend, welche gläubig dient dem wirklichen Geiste, wird romantisch sein.

Aber wir mißtrauen denen, die ihren Rausch von einem Geist empfangen, dem sie nicht dienen. Diese sind ungläubig.

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Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke

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