Читать книгу Die O´Leary Saga - Werner Diefenthal - Страница 18
Gutshof
ОглавлениеAls Sarah wieder im Gut ankam, sah Andrew sofort, dass etwas passiert sein musste. Sie rannte auf ihn zu und flüchtete sich in seine Arme. Stockend und unter Tränen erzählte sie ihm, was mit dem Baby passiert war. Er versteifte sich. Das auch noch! Gab es denn gar keine guten Nachrichten mehr?
»Ach Sarah, das tut mir unendlich leid. So etwas ist immer eine Tragödie!«
Er führte Sarah in die Bibliothek und goss zwei große Gläser Whiskey ein, reichte eines davon seiner Tochter.
»Trink erst einmal. Ich weiß, es wird dir schwerfallen, aber bitte zerbrich dir nicht den Kopf darüber. Es war nicht deine Schuld. Das hätte niemand voraussehen können. Ich habe mir den Jungen gestern angesehen, er schien völlig in Ordnung. Aber du weißt selbst, wie es manchmal ist - sie liegen plötzlich morgens in ihren Wiegen und sind tot, ohne Vorwarnung, ohne Grund. Zumindest ohne dass wir einen Grund finden können.«
Josephine, die in der Nacht wieder bei Andrew gewesen war, kam aus seinem Arbeitszimmer, sie hatte die Stimmen gehört. Andrew fasste kurz die Ereignisse zusammen. Als er geendet hatte, strich Josephine Sarah tröstend über den Rücken.
»Ach Sarah, wie schrecklich. Es ist furchtbar, wenn sie so jung sterben.«
Da konnte Sarah sich nicht länger beherrschen, fuhr aus dem Sessel hoch. Der so abwegig erscheinende Verdacht, der ihr im Heim gekommen war, überschwemmte ihr Denken wieder.
»Ich glaube nicht, dass er einfach so gestorben ist. Ich will es nicht glauben. Da steckt etwas anderes dahinter! Da bin ich mir sicher!«
Stille. Josephine und Andrew starrten die Rothaarige an. Schließlich räusperte ihr Vater sich.
»Sarah … willst du etwa andeuten, Olive hätte Marys Baby getötet?«
»Wäre das so unwahrscheinlich?«
Die grünen Augen der jungen Frau funkelten angriffslustig. Josephine zog unbehaglich die Schultern zusammen.
»Wie kommst du darauf, Sarah? Welchen Grund sollte sie haben, das Kind umzubringen?«
»Das weiß ich doch nicht!«
Sarah hatte begonnen, im Raum auf und ab zu gehen, wurde immer aufgeregter.
»Vielleicht ist das ihre Art der Rache, weil ich mich ihr bei der Geburt widersetzt und ihr eins auf die Nase gegeben habe! Vielleicht weil es ein ›Kind der Sünde‹ und sie einfach nur eine religiöse Fanatikerin ist. Als ob man die Beweggründe dieser Weiber nachvollziehen könnte! Es ist ja offenbar nicht das erste Mal, dass hier Nonnen Säuglinge umbringen!«
»Nicht das erste Mal?« Andrew wurde immer unsicherer. »Wovon redest du?«
Hastig umriss Sarah die Geschichte von den verlorenen Kindern, die ihr damals Ruth Byrne erzählt hatte. Als sie geendet hatte, runzelte Andrew die Stirn, nahm einen Schluck aus seinem Glas und sah Josephine an.
»Stimmt das?«
Es war deutlich, dass er gern von ihr gehört hätte, dass es nur eine Geschichte, eine Sage sei, aber die Betreiberin der Post zögerte und senkte den Blick.
»Ich bin mir nicht ganz sicher. Es wird seit Jahr und Tag erzählt. Ich war selbst noch ein Kind, als das Kloster abgerissen wurde, und habe mit eigenen Augen natürlich keine Kinderleichen gesehen. Aber nach dem Abriss waren auf dem alten Friedhof diese kleinen Gräber. Das muss nichts bedeuten, sie können bei den Grabungen auch auf die Knochen von Erwachsenen gestoßen sein und wollten einfach nur Platz sparen, aber ich habe solche Geschichten schon häufiger gehört. Es ist ja kein Geheimnis, das Klöster nicht immer so keusch sind, wie sie sein sollten! Wenn es die Wahrheit ist, dann wäre es nicht das erste und nicht das letzte Mal, dass so etwas vorkommt. Aber ob es stimmt oder nicht, mit Olive hat das nichts zu tun. Das war lange vor ihrer Zeit.«
»Was ist mit dem Babygeschrei?« Sarah war nicht zu bremsen. All ihre Unsicherheiten, ihre Frustrationen der letzten Wochen brachen aus ihr heraus. »Ich habe schon ein paarmal Babygeschrei gehört, einmal hier im Haus, und an dem Turm am Friedhof.«
Andrews Gesicht war immer blasser geworden. Margret hatte ihm davon berichtet, dass Sarah von Babygeschrei gesprochen hatte. Er legte ihr einen Arm um die Schultern.
»Sarah, ich glaube, es war in letzter Zeit alles ein bisschen viel für dich! Es ist so viel passiert, so viel, was dich bewegt, verstört hat. Ich möchte, dass du dich ausruhst! Und zwar als Arzt, nicht als Vater! Komm, du gehst jetzt ins Bett, ich sorge dafür, dass du warme Milch mit Honig bekommst und dein Abendessen ans Bett. Und dann schläfst du dich ordentlich aus! Du willst deinen Patientinnen doch eine gute Heilerin sein, oder? Das kannst du nicht, wenn du nicht ausgeruht bist.«
Sarah wollte protestieren, aber schon als sie den Mund öffnete, merkte sie, dass sie einfach keine Kraft dazu hatte. Sie war wirklich erschöpft! Widerstandslos ließ sie sich in ihr Zimmer bringen. Innerhalb weniger Minuten war sie eingeschlafen.
»Ms. Green, Schwester Olive würde sie gerne sprechen.«
Margret sah von ihrer Handarbeit auf. Sie hatte, ohne das Wissen ihres Schwagers oder Sarah, damit begonnen, Tischwäsche und Handtücher zu besticken. Sie rechnete mittlerweile fest damit, dass Horatio Sarah über kurz oder lang einen Antrag machen würde. Und sie würde sich nicht nachsagen lassen, dass ihre Nichte keine anständige Aussteuer mitbrachte. Außerdem lenkte sie das von den Gedanken ab, die sie sich um Sarah machte. Seit dem Tod des Babys war sie kaum aus ihrem Zimmer gekommen, und das war mittlerweile fast eine Woche!
»Was will sie denn?«, brummte sie. Diese Frau war ihr mehr als suspekt.
»Sie sagte, sie würde die Mädchen bringen.«
»Mädchen? Was für Mädchen?«
Da fiel ihr ein, dass sie mit Andrew gesprochen hatte, dass sie dringend noch Personal bräuchte. Weihnachten näherte sich mit Riesenschritten, und seitdem Ruth weg war, fehlten überall Hände.
»Ach ja, stimmt.«
Sie stemmte sich hoch und ging in die Eingangshalle, wo Olive mit zwei jungen Mädchen wartete.
»Miss Green, sehr erfreut, Sie zu sehen«, lächelte die Heimleiterin sie an.
»Schwester Olive. Ich danke Ihnen für die Hilfe. Wen haben Sie mir denn mitgebracht? Ich weiß ja nicht, was mein Schwager Ihnen gesagt hat.«
Olive lächelte.
»Er hat mir erzählt, dass Ihnen eine Hilfe abhandengekommen ist. Und, nun ja, da Patricia leider nicht mehr unter uns weilt, habe ich mir erlaubt, Ihnen zwei meiner Mädchen mitzubringen. Sie sind beide sehr tüchtig.«
Margret betrachtete die beiden jungen Frauen. Beide trugen schwarze Röcke, dazu weiße Blusen und eine ebenfalls weiße, bretthart gestärkte Schürze. Auf dem Kopf hatten sie weiße Hauben, die Füße steckten in derben Schuhen.
»Und mit wem habe ich das Vergnügen?«, fragte Margret höflich. Ihre Gedanken rasten jedoch.
Olive zeigte auf die Blonde.
»Das ist Mabel. Sie ist eine meiner besten Näherinnen. Wenn Sie also etwas zu stopfen, zu nähen oder zu bügeln haben, dann kann ich Ihnen Mabel nur ans Herz legen. Und das«, sie zeigte auf das andere Mädchen, »ist Alice. Ihre Stärken liegen in der Hausarbeit. Sie findet Schmutz sogar an Stellen, an denen man ihn überhaupt nicht vermutet. Darüber hinaus hat sie Talent für alle Arten von Gartenarbeit, also Gemüse ziehen, Blumen arrangieren und ist sogar eine recht passable Küchenhilfe. Also genau das, was Sie für die Weihnachtstage benötigen.«
Margret knurrte. Ihr fiel auf, dass Olive die beiden verschüchtert blickenden Mädchen über den grünen Klee lobte.
»Wir werden sehen«, meinte sie nur und trat zu Mabel und Alice. »Zeigt mir mal eure Hände.«
Gehorsam streckten sie diese aus und Margret betrachtete sie genau. Bei Mabel war eindeutig zu sehen, dass sie wirklich schon sehr viel genäht hatte. Überall waren kleine Einstiche der Nadeln zu sehen, und auch die Hornhaut saß da, wo sie sitzen musste.
Bei Alice jedoch stellte sie fest, dass dieses Mädchen wohl noch nie viel gearbeitet hatte. Zu weich war die Haut, kaum Narben oder andere Spuren, die auf körperliche Arbeit hindeuteten.
»Ich werde es mit euch probieren.«
Sie wandte sich an Olive.
»Vielen Dank für Ihre Mühe, Schwester. Ich werde Sie schon bald informieren, ob ich zufrieden bin.«
Olive verbeugte sich leicht.
»Ich bin sicher, Sie werden es sein. Miss Green, ich überantworte Ihnen die beiden. Aber ihre freien Tage müssen sie im Heim verbringen. Darauf muss ich bestehen.«
»Das verstehe ich und werde dafür sorgen.«
»Es wäre mir am liebsten, wenn sie am Abend immer zu uns kämen, aber das überlasse ich Ihnen. Wenn Sie es einrichten können und der Arbeit hier nicht schadet.«
»Ich denke, ich möchte sie bis zum Wochenende erst einmal hier im Dienstbotentrakt schlafen lassen. Dort sind sie unter Aufsicht.«
Ein Muskel im Gesicht der Heimleiterin zuckte.
»Wie es Ihnen beliebt. Aber ich muss darauf bestehen, dass sie nicht alleine ins Dorf gehen.«
Margret stemmte beide Hände auf die Hüften und schob störrisch das Kinn vor. In ihren Augen hatte die Heimleiterin denBogen überspannt.
»Schwester Olive! Wenn ich diese Mädchen hier bei mir behalte, dann muss ich mir sicher sein, dass ich sie auch in den Laden oder zur Post schicken kann, wenn es nötig ist. Damit ist verbunden, dass sie alleine gehen. Ich kann es mir nicht leisten, einen Wachhund zu beschäftigen, damit sie auch wieder zurückkehren. Sollte also die Gefahr bestehen, dass sie sich in die Büsche schlagen, dann nehmen Sie sie wieder mit!«
Das fehlte ihr noch, dass sich jemand in ihre Haushaltsführung einmischte oder ihr sagte, was sie zu tun oder zu lassen habe. Olive erbleichte ein wenig, hatte sich aber schnell wieder im Griff.
»Selbstverständlich. Sie haben bereits einige Sachen zum Wechseln dabei.« Sie verbeugte sich erneut leicht. »Miss Green, ich werde Sie nun verlassen.« Sie sah den beiden Mädchen in die Augen. »Und ihr, ihr denkt daran, was ich gesagt habe. Das ist eure Chance, wieder mehr Freiheit zu erlangen. Verbaut sie euch nicht!«
Alice und Mabel zuckten zusammen. Sie wussten genau, worauf Olive anspielte.
»Nein, Schwester, das werden wir nicht«, antworteten beide.
Olive verschwand und Margret stand mit den jungen Frauen alleine in der Halle.
»Habt ihr schon zu Abend gegessen?«, fragte sie. Ein stummes Kopfschütteln war die Antwort.
»Hab ich mir gedacht. Kommt, nehmt eure Sachen, dann gehen wir in die Küche. Beatrice soll euch was zu essen machen und dann alles zeigen.«