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Meine Schwester

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Meine Schwester kam auf die Welt, als ich fünf Jahre alt war. Zum Glück hatte ich nicht viel Geschäft mir ihr, da meine Mutter eine Kindsmagd für sie hielt. Eigentlich mehrere hintereinander.

Meine Mutter hatte auch eine Frau, die ihr die Wäsche machte, und zwei Männer, die bei Feld- und Gartenarbeiten mithalfen. Später bekam sie von der Gemeinde auch Gefangene zugeteilt – Russen, Franzosen –, die sie nach Bedarf bei der Arbeit im Haus oder auf dem Feld einsetzen konnte. Die mußte sie morgens im Vereinshaus abholen – meistens ging ich natürlich mit – und abends um fünf Uhr zurückbringen. Denn schließlich hatte sie eine gewisse Verantwortung für sie. Da gab es sehr unterschiedliche Leute darunter, dankbare und anspruchsvolle; einige, die froh waren, herauszukommen, und andere, die meine Mutter ausnutzten.

Natürlich mußte ich auch mal ran und den Kinderwagen schieben. Das ging dann so:

Gleich nach unserem Haus in Richtung Flecken fiel die Straße oder Gasse gleich stark ab; da bekam man dann Schwung. Ich schob den Kinderwagen ganz ruhig vom Haus weg und wartete, bis meine Mutter nicht mehr herschaute. Dann stieß ich den Kinderwagen an und rannte, was ich rennen konnte, die Gasse hinunter und wartete unten in der Straße, in die unsere Gasse einmündete, auf ihn. Manchmal mußte ich auch wieder zurückrennen, weil der Wagen nicht gerade lief.

Aber das war nur am Anfang.

Mit der Zeit bekam ich den Dreh heraus, so daß der Wagen genau in der Mitte der Gasse mir entgegenrollte. Meine Schwester im Wagen merkte nichts; aber sie merkte auch nichts, wenn ich mal stehenblieb oder sie vor einem anderen Haus abstellte, um meinen eigenen Vergnügungen nachzugehen. Schreien tat sie sowieso. Als ich aber eine gewisse Perfektion im Umgang mit dem Kinderwagen entwickelt hatte – und die Nachbarn ins Haus kamen, um sich bei meiner Mutter über mich zu beklagen –, da durfte ich schon nicht mehr damit fort.

Auch wenn es nie einen Unfall gegeben hatte und der Wagen nie umgestürzt war.

Es sei einfach zu gefährlich. Und unverantwortlich von meiner Mutter. Es tat mir schon leid.

So mußte ich mich ganz mit meinem Rennwagen – auch Seifenkiste genannt – begnügen. Der war neu. Ich hatte endlich vier neue Kinderwagenräder und die Achsen dazu aufgetrieben. Darauf legte ich ein Brett, das ich bei uns im Schopf fand; vorher ließ ich mir von einem Schlosser die Achsen links und rechts durchbohren, damit konnte ich sie auf das Brett aufnageln und brauchte nicht mehr die Nägel um die Achsen herum krummschlagen. Das gab der ganzen Sache mehr Stabilität – und weniger Nägel brauchte man auch! Helfen bei dieser Arbeit tat mir mein Deede, der jüngste Bruder meiner Mutter und Sohn meines lebenden Großvaters in dem viel kleineren und höhergelegenen, etwa drei Kilometer entfernten Ort.

Er wurde auch zum Militär eingezogen; nur noch während des Urlaubs konnte er mir helfen.

Mein Rennwagen hatte ein richtiges Lenkrad, eine Vorderund eine Hinterradbremse.

Diese Seifenkiste hob sich von allen anderen in unserem Dorf ab.

Jeder wollte damit fahren. Aber da war ich wählerisch: ich ließ mich lieber von den anderen schieben. Daran hatte mein Deede auch gedacht. Er hatte hinten auf das Sitzbrett eine Latte genagelt, in der Mitte sägte er eine Ecke heraus: dahinein mußte man zum Schieben die Stange stecken. Und ich ließ mich schieben, freute mich königlich, daß ich den andern einmal etwas voraushatte. Und sie bauten meinen Rennwagen nach und ließen sich von ihren Freunden schieben. Das machte mir aber nichts mehr aus, Hauptsache ich war einmal schneller und besser gewesen. Danach mochten sie wieder machen, was sie wollten.

Ich richtete mich auch nicht nach ihnen, wie sollten die sich nach mir richten?

So lebten wir in Frieden miteinander, die Kinder des Dorfes und ich: jeder hatte, was er brauchte oder bekam mit der Zeit doch das, was in diesen Jahren möglich war.

Näher zum Himmel oder Fall Karl Simpel

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