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Hunde

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Nein, einen Hund haben wir nicht mehr gehabt seit dem Spitzer, den ich ja nicht mehr gesehen hab. Aber ich mochte Hunde sehr gern, und sie mochten wohl mich. Vielleicht hatte ich deshalb keine Angst vor ihnen – auch nicht vor den schärfsten und größten!

Auch nicht vor dem Schäferhund, der mal auf unsere Schlitten- und Schibahn am Bettelsteg gerannt war. Er gehörte dem Schäfer, der hier in der Nähe wohnte und jetzt heimgekommen war, seinen Hund aber einfach zwischen den Kindern herumrennen ließ.

Alle stoben sie schreiend auseinander. Ich aber blieb stehen und schlug mit dem Stock nach ihm, zuerst mit dem einen und dann mit dem andern; dann schnallte ich mir meine Faßdaugen ab und warf sie nacheinander nach dem Hund, der nicht gleich aufgeben wollte, sondern sich mir stellte.

Als ich auch die zweite Faßdauge nach ihm geworfen hatte, hob ich wieder den ersten und dann den zweiten Stock vom Schnee auf: so verjagte ich den Hund von der Bahn und trieb ihn noch am Bach entlang bis in seinen Hof hinein.

Das gab einen Aufruhr, und endlich tauchte auch der Schäfer auf; der schimpfte aber weniger mit dem Hund als mit mir, weil ich so grob gegen ihn vorgegangen sei.

Aber ich blieb hartnäckig: Der solle mir nur nochmal kommen, sagte ich.

Ich werde schon sehen, sagte der Schäfer, der Hund werde es sich merken und mich schon nochmal packen.

Und die Leute, die jetzt aus den Häusern gekommen waren und herumstanden, zusammen mit den Kindern, die sich nun wieder auf die Bahn trauten, glaubten das auch.

Ja, ja, sagte ich nur.

Aber der Hund machte nichts; er ging mir immer aus dem Weg, wenn er mich nur kommen sah.

Ich hab auch, ehrlich gesagt, nichts anderes erwartet; mit den bloßen Händen wäre ich ihm an die Gurgel gefahren.

Ich mochte ja Hunde gern, aber nicht solche, die gegen mich oder andere Kinder gingen. Da wird sich auch nichts ändern. Einige Jahre später habe ich mit einem solchen Schäferhund oder Wolfshund regelrecht Freundschaft geschlossen. Das war auf einem Hof in Oberschwaben, auf einem sehr großen Hof, so wie es bei uns im mittleren Württemberg keine gab, wo wir meinen Vater nach dem Krieg besucht haben. Er mußte hier als Knecht arbeiten in der Zeit, in der ihn die Franzosen gefangengesetzt hatten. Eigentlich waren es drei Hunde; der eine an der Haupteinfahrt von der Straße her, der andere hinten heraus zum Teich, und der dritte rechts bei den Pferdeställen und den Knechtwohnungen darüber.

Ich verstand mich mit allen dreien, aber am besten mit dem an der Haupteinfahrt. Er war in einem großen Käfig drin und sprang sofort zähnefletschend am Gitter hoch, wenn sich ein Fremder ihm nur näherte.

Das machte mich natürlich neugierig.

Nicht, daß ich ihn reizen oder herausfordern wollte: der Hund gefiel mir halt. Es war auch ein schönes Tier.

Schon am Morgen, gleich nach dem Kaffee, ging ich raus und stellte mich vor den Käfig und sprach mit ihm. Am zweiten Tag bellte er schon nicht mehr, wenn ich kam, knurrte nur noch und drehte sich weg. Schließlich gab er auch das Knurren auf und blieb stehen und drehte sich nicht mehr von mir weg.

Dann fragte ich den Bauern, ob ich mit dem Hund Spazierengehen dürfte – ich meine mit dem Harras, mit dem im Käfig an der Hauptein- und -ausfahrt? Ja, sagte er, wenn ich meinte; der Hund brauche schon wieder einmal Bewegung. Ich solle aber vorher nochmal mit ihm schwätzen, das heißt ihn füttern und so Sachen. Das tat ich auch; und jetzt winselte Harras schon, wenn er mich kommen sah. Ich ließ mir den Schlüssel zum Schloß an der Tür des Hundekäfigs geben und führte ihn heraus, und der Hund folgte mir, so als kannten wir uns schon ewig.

Ich rannte mit ihm über Äcker und Wiesen, an hohen Maisfeldern vorbei; ich warf einen Stock voraus und hetzte ihn hintendrein. Wir kamen auch zu dem Teich hinter dem Hof; das Wasser war nicht sauber. Trotzdem spuckte ich auf meinen Briegel, Harras sprang hinein und brachte ihn mir wieder – er war batschnaß, und ich wurde in diesen Tagen, wo wir meinen Vater auf dem Hof besuchten, auch nicht mehr sauber.

Es waren schöne Tage in Oberschwaben. Nicht nur wegen Harras. Auch wegen dem Essen und wegen der Milch, die es da gab: mehr als wir in dieser Zeit zu Hause hatten.

Mein Vater mußte auch Kühe melken und misten. Ich stand mit ihm in aller Herrgottsfrühe auf, half ihm oder schaute ihm nur zu. Dann melkte er einen steinernen Literkrug warmer Kuhmilch voll; ich setzte an und trank, bis mir der Bauch platzen wollte. Aber mein Vater sagte: trink nur.

Beim Essen am Tisch sagte meine Mutter: iß, und ich aß. Da saßen meine Mutter und ich allein mit dem Bauern und seiner Familie zusammen. Mein Vater mußte bei den anderen Gefangenen, den Knechten und Mägden bleiben.

Als an dieses Ende noch nicht zu denken war, erzählte mir mein Vater, daß sie in dem Lager – Mauthausen und, vor dem Krieg, Heuberg auf der Schwäbischen Alb –, wo er als Bewacher eingesetzt war, auch Hunde hätten. Auch Deutsche Schäferhunde; lauter schöne Tiere.

Ob die denn auch gegen Kinder gingen, fragte ich ihn einmal.

Die gingen gegen alles, sagte er, wenn man sie draufhetzt; die seien alle dressiert.

Dressiert? Auf was dressiert?

Auf Menschen; auf Juden, Zigeuner, Kommunisten . . .

Ich solle nicht so viel fragen, sagte mein Vater.

Na gut; er mußte es wissen.

Näher zum Himmel oder Fall Karl Simpel

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