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Brot

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Wenn ich nur das Wort Brot höre, denke ich gleich an Kommißbrot. Diesen Geschmack habe ich heute noch im Mund. Das kommt von der Einquartierung, die wir im Krieg bei uns hatten.

Es waren deutsche Soldaten, die unterwegs zum Truppenübungsplatz nach Münsingen auf der Schwäbischen Alb waren – oder von dort kamen, oder die eben hier unten im Tal und in den Wäldern darüber ihre Übungen machten. Es mochte vielleicht ein Dutzend gewesen sein. Sie hatten auch Gäule und Gewehre dabei.

Wir mußten die Scheuer ausräumen, Heu und Stroh vom Bahrn herunterlassen. Darauf schliefen sie. Zum Essen kamen sie in die Stube rauf, da hatte ihnen meine Mutter den Tisch gerichtet. Doch das Essen kochten sie sich selber in einem Kessel vor dem Haus. Nur Wasser und Most erhielten sie von uns. Es war eine lustige Truppe. Sie lud mich ein, hieß mich immer Platz nehmen und gab mir das Brot. Damals wußte ich noch nicht, daß es Kommißbrot hieß. Sie sagten es mir, und es schmeckte mir gleich, so daß ich jedesmal vielleicht einen halben Laib wegputzte. Ohne Butter, trocken, manchmal mit etwas Wurst dazu – und einem Glas Most.

Es war ja nicht so, daß ich Hunger leiden mußte, obwohl Krieg war und allgemeine Not herrschte. Wir betrieben selbst eine kleine Landwirtschaft mit einer Kuh, mit Hühnern. Mein Großvater, der Vater meiner Mutter, hatte noch mehr Acker und Wiesen und zwei Kühe in dem viel kleineren und höhergelegenen, etwa drei Kilometer entfernten Ort, wo ich einen Teil meiner Kindheit verbrachte und eigentlich auch das Bauernhandwerk erlernte.

Meine Mutter backte das Brot selber in einem der vielen Backhäuser im Dorf. Wir bauten Weizen an, mähten, machten Garben und brachten die Garben in die Drescherei. Das Korn wurde zur Mühle gefahren, dafür bekam meine Mutter das Mehl, und daraus backte sie die Laibe – meistens in dem Backhaus am Kanal, weil das für uns am nächsten war. Und dieses Brot meiner Mutter und meiner Großmutter schmeckte natürlich auch.

Aber nicht so wie das Kommißbrot der Soldaten.

Ich weiß nicht, woher sie es hatten: ob sie es auch selber backten oder es von jemand bekamen. Jedenfalls hatten sie immer genug davon.

Sie hatten auch genug Fleisch. Und Fett. Und Haber für ihre Gäule – den hatten wir nicht, weil weder wir noch mein Großvater Gäule hatten oder je gehabt haben. Den bekamen sie vielleicht vom Bürgermeister, der sich den Haber von den Bauern holte, die Haber und Gäule hatten. Es waren nicht viele im Dorf.

Nicht nur die Soldaten hatten ihren Spaß an mir. Ich hatte genauso meinen Spaß mit ihnen.

So haben mir gleich ihre Gewehre gefallen: die hatten sie im Kreis gegeneinander aufgestellt wie zu einem Indianerzelt, und ich war versucht, darunterzukriechen. Doch ich ließ es sein. Statt dessen holte ich mein Holzgewehr von der Bühne, das mir einmal ein Onkel geschnitzt hatte, und stellte es dazu. Die Soldaten lachten.

Du gibst einen Soldaten ab, sagten sie, wie dein Vater.

Und wie dein Großvater, sagte ein anderer.

Ich hatte mir die Pickelhaube meines Großvaters aufgesetzt, die ich auf der Bühne neben dem Verschlag, wo ich schlief, gefunden hatte. Ich mochte sie sehr gern, so wie das Holzgewehr. Ich setzte sie mir oft auf, und so ging ich auch auf die Gasse. Die Leute lachten, aber das machte mir nichts aus. Ich nahm nun mein Gewehr wieder von den anderen weg und stellte mich in Positur.

Nein, mein Großvater war Landjäger.

Die Soldaten lachten noch mehr.

Mir lief die Nase. Da ich nie ein Sacktuch einstecken hatte, wischte ich einfach mit dem Ärmel drüber. Das machte den Männern noch mehr Spaß. Jetzt marschierte ich mit durchgedrücktem Kreuz durch die Scheuer – vorher und nachher auch in der Stube, während die Soldaten am Tisch saßen. Die Männer kugelten sich, und ich hatte meine Freude daran, daß ihnen gefiel, was ich machte.

Da war einer unter den Soldaten, dem folgten die anderen; der sagte auch immer, wann genug gegessen und getrunken war und sie wieder an die Arbeit – an das Krieg üben – öder aufs Stroh neben die Gäule in der Scheuer gehen sollten.

Der hatte auch eine schöne Mütze, aber eine andere, keine mit einer Spitze auf dem Dach, so wie die von meinem Großvater, dem Landjäger. Sondern da war ein schwarzes Dach über den Augen.

Er kam jetzt mit dieser Mütze auf mich zu – ich glaube es war sogar in der Scheuer, oder in der Stube nach dem Vesper –, nahm mir freundlich meine Pickelhaube ab und setzte mir dafür seine Kappe auf. Die war noch größer als die Pickelhaube, und ich konnte zunächst nichts mehr sehen. Aber dann hob ich den Schild über den Augen an und sah, daß der Soldat meine Pickelhaube auf hatte – jetzt kannte der Jubel keine Grenzen mehr, sogar meine Mutter mußte mitlachen.

Es ist uns also noch ganz gut gegangen in der Zeit, wo die Soldaten im Haus waren. Und besonders ich hatte meine Unterhaltung.

Ich mochte damals vielleicht neun oder zehn Jahre alt gewesen sein. Zur Schule brauchte ich nicht. Das hätte für mich keinen Zweck, ich solle nur auf mich aufpassen und meinem Vater und meiner Mutter folgen, sagten sie im Krankenhaus.

Das tat ich dann auch, auf mich aufpassen und meinem Vater und meiner Mutter folgen, das heißt ich folgte mehr meiner Mutter, weil die mehr zu Hause war. Mein Vater war im Krieg – in Frankreich, in Belgien und Holland: er war beim Nachschub. Aber er kam immer wieder zum Urlaub heim: zweimal vierzehn Tage im Jahr. Und einmal hatte er vierzehn Tage Sonderurlaub wegen einer leichten Verwundung. Er trug den rechten Arm in der Schlinge, aber sonst fehlte ihm nichts.

Näher zum Himmel oder Fall Karl Simpel

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