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Das Gespensterhaus

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Es gab da noch einen Ort, der nicht nur mir, sondern allen Kindern Angst einjagte. Das war das Gespenster- oder das Hexenhaus in dem Dorf von meinem Ähne.

Das Haus stand seit ich denken konnte leer, praktisch war es das einzige verfallene Haus im Dorf und zog schon deshalb die Aufmerksamkeit von uns Kindern an.

Wir sagten Gespenster- oder Hexenhaus dazu, obwohl niemand von uns je ein Gespenst oder eine Hexe darin gesehen hatte.

Es stand am Rande der Siedlung gegen den Berg; die Bewohner, eine alte Frau und ein alter Mann, waren vor einiger Zeit gestorben, danach wollte niemand mehr hinein.

Und so wurde ein Fenster um das andere eingeworfen, eine Tür um die andere eingedrückt und Stiege nach Stiege zerschlagen. Das trauten wir uns noch: Fenster und Türen einzuschlagen, weiter mochte keiner von uns gehen. Und so waren schon bald die tollsten Gerüchte im Umlauf: es gäbe da einen unterirdischen Gang, und wer da ins Haus hereinkäme, der fiele gleich hinunter in den Keller, wo die Geister auf ihn warteten.

Auch wenn viele daran zweifelten – auch ich –, so wollte es doch niemand auf einen Versuch ankommen lassen. Es blieb dabei, daß wir das Haus mit Steinen bombardierten und wußten, daß niemand mehr darin wohnte – außer vielleicht Gespenster und Hexen. Aber um sie war es ja nicht schad, wenn sie von einem Stein getroffen wurden.

Ich wußte sehr wohl wie Hexen aussahen; unten im Tal waren zwei, ganz in der Nähe von unserem Haus. Das waren zwei altledige Weiber, und zu ihrem Haus sagte man auch Hexenoder Storchenhaus. Das waren zwei hochgewachsene, dürre Damen, die sich aus allem Geschehen im Flecken raushielten und nur in ihrem Haus und von der kleinen Landwirtschaft lebten. So sah man sie öfters mit dem Handwagen oder dem sogenannten Räuberkarren herumfahren. Damit holten sie ihr Gmüs von den Feldern oder Gras und Heu für ihre Geißen.

Auch diese Weiber haben wir genarrt. Aber das war etwas anderes. Nie haben wir bei ihnen Fenster eingeworfen oder Türen eingeschlagen. Wir haben ihnen auf der Straße höchstens nachgeschrien; aber das war schon gefährlich genug. Denn wer wußte, ob sie uns nicht nachts erschienen: als Hexen und Gespenster. Ihr Haus war ja auch schon so eingerichtet: schmal und von der Straße etwas zurückversetzt. Von einem Winkel führte eine hölzerne Stiege nach oben zur Haustüre.

Jenes Gespenster- oder Hexenhaus in dem Dorf von meinem Ähne wurde eines Tages doch abgerissen und das Gelände von einem Bagger eingeebnet, das war schon eine Enttäuschung, nicht nur für mich, sondern für alle Kinder: jetzt waren die Geister hin und niemand konnte mehr nachprüfen, ob sie wirklich gelebt hatten. Sie hatten uns Angst gemacht, das mußte genügen.

Näher zum Himmel oder Fall Karl Simpel

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