Читать книгу Näher zum Himmel oder Fall Karl Simpel - Wilhelm König - Страница 36
Im Adler
ОглавлениеWieder einmal hatte ich im Auftrag meiner Mutter meinen Vater zu suchen. Er konnte nur in einer der Wirtschaften hocken: im »Adler«, im »Stern«, im »Grünen Baum«, in der »Traube« oder sonst irgendwo. Aber in einer Wirtschaft war er, das glaubte ich auch.
Draußen war es schon kalt und etwas Schnee gefallen.
Ich hatte mir zwei Kittel angezogen und eine Kappe, die über beide Ohren ging. So trat ich in den »Adler«. Die plötzliche Wärme ließ mir die Augen übergehen; die Nase fing an zu laufen, ich schmierte die Rotze am Ärmel ab. Ich blickte mich in dem Rauch um: da sah ich ihn. Er hockte am Stammtisch zwischen anderen Männern. Ich lief hin, stellte mich davor und sagte kein Wort.
Der Rauch brannte in meinen Augen, dieser Stumpen- und Pfeifenrauch, auch Zigaretten dazwischen – da waren mir doch die Trannen lieber, die wir im Wald auch schon probiert hatten: die brannten nur auf der Zunge, stanken aber nicht so wie die da. Und Tabak hatten wir auch schon geraucht im Schopf – bis einer in die Hosen geschissen hatte. Aber das kam sicher vom Most, den er dazu getrunken hatte. Nein, dachte ich, ich laß es nun sein.
Da stand ich, die Augen tränten und die Nase lief, was das Zeug hielt.
Mein Vater hatte mich noch nicht gesehen oder wollte mich nicht sehen. Dafür sprach ein anderer Mann neben ihm am Tisch:
Helm, dein Junger ist da, er will dich holen.
Guck mal, hat der keine schönen blauen Augen? Ganz der Vater, sagte noch einer.
Und die Augen tränten, und die Nase lief.
Hast wieder dein Sonntagshäs angezogen, bemerkte ein dritter.
Komm, hock dich hin und trink mit uns ein Glas, sagte wieder der erste.
Dackel, dachte ich; die Dackel.
Babba, du sollst heimkommen, hat die Mamma gesagt, brachte ich schließlich heraus.
Aber aus einem neuen Glas, mischte sich ein vierter dazwischen.
Babba, du sollst heimkommen, hat die Mamma gsagt, wiederholte ich.
Ich hatte bis jetzt noch nicht mal den Fuß bewegt.
Ja, ja; jetzt hock dich erst mal her. Willst eine Brezel? Da im Gräddle hats, sagte mein Vater.
Ich will keine Brezel, sagte ich.
Du willst eine, sagte mein Vater.
Und er will auch ein Glas Bier; Adler-Wirt, schenk ein, das war ein anderer, wer, das sah ich jetzt schon nicht mehr: ich zog die Nase hoch, wischte mir mit dem Ärmel übers Gesicht und zog die Nase hoch. Die Männer lachten ununterbrochen.
Da komm her, hörte ich wieder jemand sagen: das ist dein Bier. Sauf!
Im gleichen Augenblick wurde mir ein Stuhl unter den Hintern geschoben.
Ich griff zu dem Glas, trank einen Schluck und spuckte sofort alles auf den Holzboden.
Iß und trink nur, Karl, daß du äbbes wirst, schrie es.
Babba, du sollst heimkommen, hat die Mamma gsagt.
Mir wurde schwindlig; ich mußte raus, wenigstens mußte ich aufstehen und mich bewegen.
Ich rannte zur Tür und wartete in dem engen Vorraum, der die Wirtschaft von draußen trennte. Endlich kam mein Vater herausgeschwankt und nahm mich an der Hand; aber es war dann auf der Straße nicht ganz klar, wer wen führte. Bald machte ich mich von ihm los und sprang voraus. Ich kam aber dann doch noch später heim als mein Vater, der aber auch wieder an einem Hauseck hängengeblieben war, wie ich dem immer noch andauernden Donnerwetter meiner Mutter entnahm.