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3. Katholisch-theologische Religionsphilosophie bei Heinrich Fries

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Offenbar sieht es im Bereich des katholischen Denkens im Blick auf eine genuin philosophische Religionsphilosophie hoffnungsvoller aus. So findet sich etwa in dem Buch von Heinrich Fries, „Die katholische Religionsphilosophie der Gegenwart“4, das „Prolegomena zu einer katholischen Religionsphilosophie“ geben will (5), der Satz: „Katholische Religionsphilosophie ist zuerst und zunächst Philosophie, und zwar Philosophie im eigentlichen und strengen Sinn“. Drei Punkte sind es, an denen sich das echt Philosophische dieser Religionsphilosophie zeigen soll. Erstens nämlich verbleibt sie „nach ihrem Formalobjekt, nach Ausgangspunkt, Methode, Erkenntnisquelle und Gewißheit … im Bereich des Natürlichen und der dem natürlichen Erkennen zugeordneten und zugänglichen Welt“. Zum zweiten ist sie „auch insofern rein philosophisch bestimmt, daß sie sich der Religion im allgemeinen und umfassenden Sinn, der Religion als einer Grundbefindlichkeit und Grundtatsache des menschlichen Seins, der natürlichen Religion zuwendet. Die Religion als solche, nicht die in der Gestalt katholischer Religion allein sich findende ist ihr Materialobjekt.“ Drittens schließlich ist die katholische Religionsphilosophie „insofern eine philosophische Angelegenheit, als sie zunächst in keiner Weise Religionsbegründung sein will, also keine fundamentaltheologischen Ziele anstrebt“ (25).

Wenn aber das Philosophische der Religionsphilosophie so stark betont wird, entsteht das Problem, welche Bedeutung es dann noch hat, daß gleichwohl von „katholischer“ Religionsphilosophie gesprochen wird. Fries stößt selber auf diese Frage: „ Und doch ist die Bezeichnung katholische Religionsphilosophie nicht ohne Belang. Ganz von selbst entsteht hier die Problematik der ‚christlichen Philosophie‘ „ (26). Fragt man jedoch weiter, was denn mit diesem „ganz von selbst“ gemeint sein kann, dann entdeckt man, daß es nur vor dem Hintergrund ganz bestimmter Voraussetzungen ins Spiel tritt. Das zeigt sich an allen drei genannten Punkten.

Was zunächst jenes Verbleiben der Religionsphilosophie im „Bereich des Natürlichen“ betrifft, so wird dieser Gedanke durch einen vorausgehenden unterlaufen. Die christliche Philosophie, auch als Religionsphilosophie, geht nämlich „von der Tatsache aus, daß … eine tatsächliche Beziehung und Zuordnung der Natur zur Gnade, der Philosophie zur Theologie besteht“ (26). Diese „Tatsache“ wird nicht mehr infrage gestellt. Fries redet vielmehr „von einer philosophisch und theologisch gültigen Konzeption des Verhältnisses von Natur und Übernatur“, durch die „das ‚Philosophische‘ und das ‚Katholische‘ der Religionsphilosophie in gleicher Weise gewahrt“ werden (378). Im Hintergrund dieser Annahme einer Koinzidenz steht der Gedanke der Geschaffenheit beider Weisen des Denkens durch den einen Gott. Denn „einen sachlichen Widerstreit zwischen offenbarungsgläubigem und natürlichem Denken kann es grundsätzlich nicht geben, ebensowenig eine doppelte Wahrheit, weil Gott die Quelle des Glaubens und des Wissens, der Gott der Natur und der Gnade ist“. Kommt es doch einmal zum Anschein eines Konfliktes, dann ist aus der vorhergehenden Konzeption heraus von vornherein entschieden, wo Recht und Wahrheit liegen. Nicht nur bedeuten „die von der Offenbarung gegebenen Wahrheiten … für den gläubigen Philosophen eine negative Norm“, sondern „im praktischen Konfliktsfall … ist die Aussage des Glaubens die höhere und damit entscheidende Instanz“ (26f.). So enthüllt sich die als streng philosophisch angekündigte Religionsphilosophie schließlich als eine „die Offenbarungswahrheiten katholischen Glaubens als negative Norm und verpflichtende Instanz anerkennende … Untersuchung“ (30). Schließlich wird in völliger Deutlichkeit gesagt, damit werde „philosophisches Denken in den Dienst der Theologie gestellt“. Wie sie aber dann noch „ihre vollständige Selbständigkeit wahren kann“, bleibt unerfindlich (28).

Das gleiche zeigt sich an dem zweiten Punkt, bei der von Fries behaupteten Neutralität der katholischen Religionsphilosophie, dergemäßihr Materialobjekt nicht die katholische, sondern die Religion überhaupt sein soll. Fries geht – mit Recht – davon aus, „daß jede, auch die sich voraussetzungslos nennende Philosophie, ihre Voraussetzungen hat, die sie als gültig und bindend annimmt“. Statt aber nun im Gefolge seines Entschlusses, „Philosophie im eigentlichen und strengen Sinn“ zu treiben, daraus die echt philosophische Konsequenz zu ziehen, daß diese Voraussetzungen zunächst einmal radikal befragt werden müssen,5 werden sie ohne weiteres als „gültig und bindend“ angenommen, und Fries folgert, es gebe also auch „eine Philosophie, die die übernatürliche Offenbarung und ihren Inhalt … anerkennt“ (28). Diese christliche Philosophie aber wird nun entgegen der ursprünglichen Behauptung der eigentliche Gegenstand der katholischen Religionsphilosophie, und damit wird die vorgebliche Neutralität schon im Ansatz aufgegeben. Denn anders kann es doch wohl nicht verstanden werden, wenn Fries erklärt: Die katholische Religionsphilosophie „bewegt sich innerhalb der für die christliche Philosophie festgelegten Bestimmungen und Grenzziehungen“ (30).

Schließlich verleugnet Fries auch in dem dritten Punkt den von ihm behaupteten philosophischen Charakter seiner Religionsphilosophie, wonach sie nämlich auf Religionsbegründung und fundamentaltheologische Ziele verzichte. Er macht es sich im Gegenteil geradezu zur Aufgabe zu zeigen, daß die Religion aus sich selber heraus zur christlichen Religion führe. „Das Phänomen der natürlichen Religion weist … über sich hinaus“; denn es gehört „zum Wesen der natürlichen Religion die Erwartung einer übernatürlichen Religion“. „Katholische Religionsphilosophie wird die Erfüllung dieser Erwartung in der christlichen Offenbarungsreligion finden und in ihr zugleich die höchste Form der Religion überhaupt.“ Sie wird daher „die letzten Antworten und Klarheiten, die dem philosophischen Bemühen versagt bleiben, in der Offenbarung und im Glauben aber geschenkt sind, entgegennehmen“. Und nun spricht Fries genau das aus, was er eingangs bestritten hat: „In ihrer Hinordnung auf die Theologie erhält katholische Religionsphilosophie ihren fundamentaltheologischen Aspekt, sie wird positive Begründungswissenschaft“ (386).

So ist also auch in dieser Religionsphilosophie katholischer Prägung, trotz gegenteiliger Beteuerungen, das Moment des Philosophischen nicht gewahrt. Zugleich aber zeigt sich, daß eine solche „katholische Religionsphilosophie“ an einem inneren Widerspruch krankt. Denn wie soll man die beiden folgenden Sätze vereinbaren: „Katholische Religionsphilosophie vollzieht sich, ohne vom Glauben her zu philosophieren oder Inhalte des Glaubens zu übernehmen und Religionsphilosophie in Glaubensphilosophie zu verwandeln“ (378), und: „Katholische Religionsphilosophie ist Philosophie der Religion aus katholisch-christlicher Existenz“ (30)?

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