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2. Philosophieren als Fragen

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Philosophieren vollzieht sich als Fragen und Infragestellen. Das ist seine ursprüngliche Wesensbestimmung. Damit hängt ein Zweites zusammen. Fragen bedeutet, etwas nicht so stehen zu lassen, wie es sich zunächst zeigt; als Fragen und Infragestellen richtet sich das Philosophieren also auf das, was sich unmittelbar als fraglos und selbstverständlich gibt. Eben dies wird im Philosophieren infrage gestellt. Dieses fragt ausdrücklich, wie es denn mit jenem als fraglos und selbstverständlich Erscheinenden in Wahrheit steht.

Als ein solches Fragen ist das Philosophieren von alters her verstanden worden. Platon und Aristoteles erblicken seinen Ursprung im ϑαυμάζειν, dem „Staunen“, und sie sehen darin nicht etwa nur den historischen Beginn der Philosophie, sondern deren in jedem Philosophieren sich wiederholenden, das philosophische Denken ständig hervorbringenden Ursprung. In diesem Sinne nennt Platon im „Theaitetos“ das „Staunen“ das πάϑοϛ, die in einem eher passiven Sinne verstandene Leidenschaft des Philosophen (155 d). Aristoteles sagt es noch deutlicher: „durch das Staunen haben die Menschen sowohl jetzt wie zu Anfang philosophiert (M 982 b 11f.).1

Staunen ist nun, wie Aristoteles weiter ausführt, „In-Verlegenheit-Sein“ und „Unwissenheit“ (M 982 b 17f.), im Hinblick darauf nämlich, „ob es sich so verhält“ (M 983 a 13), ob es also mit dem Seienden, angefangen vom einzelnen Staunenerregenden bis zum Erstaunlichen des Seienden im Ganzen (vgl. M 982 b 13f.), so steht, wie es dem nächsten Anblick erscheint. In diesem, dem Staunen eigentümlichen „ob“ steckt der Keim des Fragens.

Nun sind freilich Staunen, In-Verlegenheit-Sein und Unwissenheit nicht schon selber Philosophieren, sondern lediglich dessen Ursprung, ἀϱχή φιλοσοφίαϛ, wie Platon an der oben angegebenen Stelle sagt. Philosophieren selber dagegen vollzieht sich als Wille zur Gewißheit, als Wegdrängen von der Verlegenheit, als, wie es Aristoteles formuliert, „Fliehen vor der Unwissenheit“ (M 982 b 15). Doch eben darin zeigt sich: Das Philosophieren läßt das Staunen nicht einfach hinter sich; dieses bleibt, entsprechend der zweiten Grundbedeutung des Wortes ἀϱχή, das Herrschende, es ist im ganzen Vollzug des Philosophierens als die im Wegdrängen und im Fliehen forttreibende Unruhe wirksam; hörte diese auf, so hörte auch das Philosophieren auf.

Indem das Philosophieren jedoch aus seinem bleibenden Ursprung anhebt, ist es selber nicht bloßes Staunen, In-Verlegenheit-Sein und bloße Unwissenheit, nicht bloßes betroffenes Erblicken des Fragwürdigen. In der Radikalisierung des schon dem Staunen eigentümlichen „ob“ kommt es zum Vollzug des Fragens, zur ζήτησιϛ (M 983 a 23), wie Aristoteles sagt. Als diese Suche ist das Philosophieren ausdrückliches Fragen.

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