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DER MANN SPRANG ZURÜCK auf den Gehweg, als ihm der Wagen auswich. Aufgebracht blickte er ihm hinterher.

»Knapp vorbei«, sagte Milligan. »Auf die Art werden Sie niemals befördert, Boy Robin. Das war Barney Aird. Sie hätten ihn über den Haufen fahren sollen. Verbrechensbekämpfung nennt man das.«

»Mir wird das Feingefühl fehlen, mit dem Sie Ihren Beruf ausüben«, erwiderte Harkness.

Milligan blickte mit sonniger Boshaftigkeit auf die vorüberziehenden Häuser.

»Nein«, sagte er. »Wo Sie hingehen, werden Sie damit überschüttet. Laidlaw? Für die Zusammenarbeit mit dem brauchen Sie Gummistiefel, um durch das Tränenmeer zu waten. Er hält Verbrecher für unterprivilegiert. Er ist kein Detective. Er ist so was wie der Vertrauensmann aller Halunken. Wird eine tolle Erfahrung für Sie werden. Robin trifft Batman.«

Milligan fing an, Robin Hood, Robin Hood, riding through the glen zu summen. Harkness begriff, dass ihm Milligan den Wechsel zum Crime Squad nicht verziehen hatte.

»Angeblich ist er ein guter Mann«, sagte Harkness.

»Mag sein, dass er gut ist. Wahrscheinlich ist er sogar nett zu Tieren. Aber ein guter Polizist ist er nicht.«

Harkness schaltete vor der Ampel runter.

»Warum nicht?«

»Weil er nicht weiß, auf wessen Seite er steht. Im Zweifelsfall hängt er irgendwo in der Mitte. Das ist nicht sehr klug.«

»Glauben Sie denn, dass sich zwischen uns und den anderen immer so leicht trennen lässt?«

»Na ja, anscheinend glauben es die anderen, oder? Wäre ein bisschen zu einfach, ihnen zu widersprechen. Die andere Wange hinzuhalten und sich dann im Western Infirmary wieder zusammenflicken zu lassen. Ich gehöre nicht nach Fair Isle. Passt nicht zu meiner Augenfarbe.«

Er wandte sich mit all ihrer blauen Unschuld Harkness zu. Harkness lachte. Er hatte Milligan immer witzig gefunden.

»Laidlaw scheint aber ganz gut damit durchzukommen.«

»Abwarten. Er entwickelt sich langsam. Seine Ideen haben noch nicht das Alter erreicht, in dem sie sich rasieren müssen. Entweder wird er erwachsen, oder er muss einpacken. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Das geht uns allen so. Man fängt in diesem Job an, will jedem eine Chance geben, tatsächlich aber nehmen sich alle nur Freiheiten heraus. Aber das werden Sie noch lernen. Laidlaw braucht dafür eben länger als andere. Mehr nicht.«

»Es gibt Gauner und Gauner.«

»Na schön. Aber ich spreche von echten Gaunern. Um mit denen klarzukommen, sind Profis gefragt. Und Laidlaw ist ein Amateur.«

»Und wer ist ein Profi?«

»Boy Robin, Sie haben über ein Jahr lang mit mir zusammengearbeitet. Sind Sie so schwer von Begriff? Ein Profi weiß, was er ist. Ich habe mit Dieben und Gaunern, Zuhältern und Mördern nichts gemein. Nichts! Das ist eine andere Spezies. Und wir führen Krieg gegen sie. Hier geht es ums nackte Überleben. Wie soll das gehen, wenn wir nicht unterschiedliche Uniformen tragen? Woher sollen wir sonst wissen, wer gegen wen kämpft. Aber so ist Laidlaw. Er rennt mit einem deutschen Helm auf dem Kopf und in schottischer Black-Watch-Uniform kreuz und quer über Niemandsland.«

Sie waren in den Ardmore Crescent eingebogen.

»Er hat sich nie damit auseinandergesetzt, worum es in unserem Job geht. Nämlich darum, die Bösen dingfest zu machen. Und darum, alles daranzusetzen, damit dies gelingt. Man muss niederkämpfen, was sich einem in den Weg stellt. Mauern oder Menschen, unterschiedslos. Die siebzehn ist da drüben. Sehen Sie sich an, wie man das macht. Machen Sie sich Notizen, wenn Sie mögen. Da wo Sie hingehen, werden Sie sie vielleicht brauchen.«

Kaum war Harkness seitlich rangefahren, stieg Milligan schon aus. Harkness folgte ihm zum Eingang. Die Tür wurde ihnen von einem älteren Herrn aufgemacht. Milligan klappte seine Brieftasche auf und zeigte seinen Ausweis.

Eine Eintrittskarte in die Schauerhöhle von Drumchapel: Zwei Mal House of Gloom, bitte. Draußen die triste Modernität trostloser Straßen, die notgedrungene Unterstellung, das Leben würde von Gemeinheiten bestimmt; und hinter dieser Tür die düstere Unterwanderung dieses Prinzips, eine Ahnung der inneren Distanzen, die Trauer schafft und die manische Architektur des Herzens, die sogar in einem Sozialbau verwinkelte Türmchen und unheilvolle Geheimkammern entstehen lässt.

Der Flur wurde von Schatten bevölkert, die größer wirkten als er selbst. Durch die halb geöffnete Wohnzimmertür schien das Licht einer einzigen Wandleuchte. Gemurmel wie bei einem Hexensabbat. Die Küchentür war geschlossen. Dahinter wurden vage Geräusche laut, die Männer waren in ihrer Hilflosigkeit gefangen.

»Ich möchte mit den Eltern der Verstorbenen sprechen«, sagte Milligan.

Gesprochenes erschien Harkness wie eine Fremdsprache hier.

»Oh, denen geht’s gar nicht gut, Sir«, sagte der alte Mann. »Sadie besonders. Aus der kriegen Sie kein vernünftiges Wort raus. Die machen Schreckliches durch, wissen Sie? Ich bin bloß ein Nachbar.«

»Ich möchte sie trotzdem sprechen«, sagte Milligan.

Seine Stimme klang wie Vandalismus. Er betrachtete den alten Mann, als wollte er ihn gleich verhaften.

»Was ist los, Charlie? Was ist?«

Die Frau war jünger. Sie machte ihnen Zeichen, leiser zu sein.

»Ist die Polizei, Meg. Die wollen mit Bud und Sadie sprechen«, wisperte der Mann.

»Oh Gott. Die Frau ist nicht bei Sinnen. Können Sie die beiden nicht in Frieden lassen?«

Aus Achtung vor ihren Gefühlen ließ Milligan seine Stimme zu einem grollenden Flüstern anwachsen.

»Missus«, sagte er, »es geht um Mord. Wir haben Ermittlungen zu führen. Wo ist Mr Lawson?«

»Die Männer sind in der Küche«, sagte die Frau.

»Hey, Bud ist an die frische Luft gegangen«, sagte der alte Mann.

Aber Milligan hatte die Tür bereits geöffnet. Dichter Zigarettenqualm lag wie Bühnennebel in der Luft. In den Schwaden saßen drei Männer.

»Mr Lawson?«, fragte Milligan.

Schweigen.

»Bud ist mit einem von uns raus.«

»Airchie Stanley.«

»Wann kommt er wieder?«

»Hat er nicht gesagt.«

Milligan schloss die Tür.

»Dann müssen wir mit Mrs Lawson sprechen«, sagte Milligan.

»Oje«, sagte die Frau. »Warten Sie eine Minute hier.«

Als sie hineinging, schwang die Wohnzimmertür auf. Sie wirkte wie ein angehobener Schleier, der die Polizisten von einer Trauer trennte, die sie niemals teilen konnten. Der Raum war voller Frauen, versunken in ihren Kummer. Harkness beobachtete die Jüngere, die den Kreis durchbrach und zu der kleinen Frau am Kamin ging. Sie hob das verletzte Gesicht, Unverständnis machte sich verschwommen darauf breit. Dann weinte sie erneut, als sei dies die einzige Antwort, die sie auf all das hatte. Ein paar andere Frauen gingen zu ihr, hielten die Reihen gegen die Männer fest geschlossen. Harkness fühlte sich verantwortlich.

Milligan wartete einfach nur, bis sie kamen und seiner Aufforderung Folge leisteten. Was sie taten. Den Rest empfand Harkness als qualvoll. Sie wurden in ein Zimmer geführt, offensichtlich das eines Mädchens, ein David Essex geweihter Altar. Die jüngere Frau setzte sich neben Mrs Lawson.

Milligan bewegte sich akribisch durch eine bereits tote Vergangenheit, wie jemand, der einen Friedhof umpflügt, während Mrs Lawson immer wieder von aufgeworfenen Knochen abgelenkt wurde. Über die Ereignisse der vorangegangenen Nacht konnte sie nichts sagen, was Laidlaw nicht bereits übermittelt hatte, außer dass Jennifer mit ihrer Freundin Sarah Stanley in der Disco war. Das Mädchen war anwesend und kam mit seiner Mutter zu ihnen. Jennifer sei mit einem Mann weg, den sie nicht gesehen habe, sagte Sarah. Er habe draußen gewartet, als sich Jennifer verabschiedet hatte. Milligan stellte geduldig weitere Fragen, aber mehr war nicht in Erfahrung zu bringen.

Sie nahmen zwei Fotos mit. Im Wagen reichte Milligan Harkness eines davon.

»Das ist für Laidlaw«, sagte er. »Als Gegenleistung für die Informationen, die er mir gegeben hat.«

Harkness betrachtete es. Jennifer stand auf der Straße. Sie war hübsch und sie lachte.

»Das war nicht gerade angenehm da drin«, sagte Harkness.

»Wir haben die Fotos«, sagte Milligan. »Der Rest geht uns nichts an. Auf dem Rückweg fahren wir noch mal bei der Spurensicherung vorbei, und das war’s dann für heute. In der Nacht wird nichts mehr passieren. Sogar Mörder müssen mal ins Bett.«

Milligan lachte. Harkness ließ den Wagen an.

»Ich frage mich, wo Bud Lawson steckt«, sagte er.

»Im Pub.« Milligan sprach im Brustton der Überzeugung. »Der lässt sich volllaufen.«

Laidlaw

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