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IV. Sozialisation und Erziehung in der Kindheit

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Problemverhalten und Krisen der Erziehung:

Der Schuleintritt und die ersten Erfahrungen in und mit der Schule sind für Kinder und wohl ebenso für die Eltern in den 50er Jahren, genauso wie heute, einschneidende Erlebnisse. Neue Verhaltensweisen müssen in der Familie vorbereitet und eingeübt und außerhalb der Familie erprobt werden. Wir werden darauf allerdings erst im Abschnitt zur Erziehung in den 60er Jahren näher eingehen können, denn das Thema Schule ist für den Ratgeber der 50er Jahre im Vergleich zu späteren Jahrzehnten insgesamt gesehen scheinbar noch eine mehr oder minder unproblematische Angelegenheit gewesen. Das zeigt sich z. B. bei der „Behandlung“ offensichtlicher Schulangst: Wenn ein Kind über Bauchschmerzen oder sonst ein „Wehwehchen“ klagt, ist die „ängstliche“ Mutter, wie der Ratgeber berichtet „meist sofort bereit, dem Kind zu glauben und es im Bett zu lassen“. Das ist nach Meinung des Ratgebers die falsche Verhaltensweise, denn „häufig will das Kind nichts weiter als die Schule schwänzen... Liebe Mutter“, fährt der Ratgeber fort, „fallt nicht auf Eure eingebildeten, schlauen kleinen Kranken herein. Seid nicht zu leichtgläubig, prüft den Zustand Eures Kindes, meist sind die Kleinen ja doch keine hervorragenden Schauspieler und man kommt hinter ihre Tricks.“ Der Ratgeber gibt den Müttern den Tipp: “Macht dem eingebildeten Kranken den Aufenthalt (zu Haus im Bett, d. V.)so unangenehm wie nur möglich, vielleicht noch durch eine meist unbeliebte Schwitzpackung. Dann wird ihm das Krankspielen verleidet“ (5/54/234).

Lernstörungen bezeichnen einen weiteren Problembereich, mit dem Eltern während der Schulzeit ihrer Kinder konfrontiert werden können. Wenn das Kind in der Schule nicht mitkommt, können mehrere Ursachen vorliegen. Bei geistig und körperlich gesunden Kindern, klärt der Ratgeber die Eltern auf „müssen... die Leistungen seelisch bedingt sein“. Die häufigste Ursache dafür: „dauernder Tadel und... ewige Kritik an seiner (des Kindes, d. V.) Arbeitsweise“ (vgl. 6/58/496). Viel besser wäre es doch, meint der Ratgeber, wenn Eltern bei einem mittelmäßigen bis schlechten Aufsatz etwa sich zu folgender Bemerkung durchringen könnten: „Der Aufsatz ist ganz gut, aber findest du nicht auch, dass die Schrift noch etwas schlecht ist?“ (6/58/496

Der Ratgeber weiß jedoch auch, damit möchte er möglichen Einwänden von Seiten der Eltern begegnen, dass die Geduld der Eltern auch einmal erschöpft sein kann und wären dann nicht „härtere Maßnahmen“ angebracht? Die „Ohrfeige zur rechen Zeit“ mag auch der Ratgeber als probates Erziehungsmittel nicht ganz zurückweisen, gibt aber zu bedenken, dass es „Aufgabe und Behandlung von Lernstörungen“ ist, „die Beziehungen zwischen Kind und Erziehungspersonen inniger werden zu lassen, Eltern und Lehrer müssen Freunde des Kindes, nicht seine Feinde sein“ (6/58/498).

Wir wollen nun darauf verzichten die weiteren Verhaltensbereiche der Kindheit, so wie sie sich im Ratgeber darstellen, nach Material „abzuklopfen“, einmal, weil diese Altersspanne keine besondere Berücksichtigung im Ratgeber findet (mit Ausnahme des Themas Schule und einiger Verhaltensauffälligkeiten, die auch an anderer Stelle angesprochen werden können), zum anderen können die für dieses Alter relevanten Erziehungseinstellungen auch im folgenden Abschnitt zur Sprache kommen, wenn nicht „jugendspezifische“ Problemkreise dargestellt werden.

Veränderungen von Verhaltensstandards im Bereich familialer Erziehung und Sozialisation seit 1945

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