Читать книгу Veränderungen von Verhaltensstandards im Bereich familialer Erziehung und Sozialisation seit 1945 - Winfried Wolf - Страница 7

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50er Jahre: Themenkategorien in Prozent


100% = 158: berücksichtigt wurden die Jahrgänge 54, 55, 57 und 58

60er Jahre

60er Jahre: Themenkategorien in Prozent


100% = 213: berücksichtigt wurden die Jahrgänge 61, 63, 67 und 68

70er Jahre

70er Jahre: Themenkategorien in Prozent:


100% = 121: berücksichtigt wurden die Jahrgänge 70, 75 und 78

80er Jahre.

80er Jahre: Themenkategorien in Prozent:


100% = 98: berücksichtigt wurden die Jahrgänge 81, 82 und 83.

Die Säulenhöhen stellen Mittelwerte dar, d.h. dass in den angegebenen Zeiträumen alle einschlägigen Beiträge zusammengezählt und dann die arithmetischen Mittel gebildet wurden; so kann etwa aus der vorgestellten grafischen Übersicht nicht ersehen werden, dass beispielsweise der Themenbereich „Umgangsformen“ in den frühen 50er Jahren wesentlich stärker vertreten war als gegen Ende dieses Jahrzehnts. Die Säulenwerte sind außerdem gerundet und lassen eine Differenzierung der einzelnen Säulen nur bis 1% zu; kleine Unterschiede werden also nicht veranschaulicht, können hier aber auch vernachlässigt werden, da aufgrund der nicht immer eindeutigen Zuordnung ohnehin nur gröbere Trends interpretiert werden können.

Veränderungen der Inhaltsstruktur

Ein Vergleich der Grafiken zeigt, dass die Themenkategorie „Krisen der Erziehung, Erzieherverhalten, Entwicklung“ über die Jahrzehnte hinweg stark vertreten ist und in den 80er Jahren das Doppelte ihres anfänglichen Umfanges erreicht. Dieser Zuwachs ist u.a. auf eine redaktionelle Neuerung zurückzuführen: Seit 1966 bietet der „Ratgeber“ einen psychologischen Beratungsdienst an, den jene Leser in Anspruch nehmen können, die mit ihren „Erziehungssorgen“ nicht allein fertig werden36. Das regelmäßige Aufgreifen von Problemfällen der Erziehung in Frage und Antwort durch einen ausgebildeten Psychologen sichert der Kategorie „Krisen der Erziehung, Erzieherverhalten, Entwicklungsprobleme“ seit Mitte der 60er Jahre einen gleichbleibenden hohen Anteil. Ein Vergleich der hier angesprochenen Themen zeigt, dass sich über die Jahrzehnte hinweg inhaltlich wenig geändert hat37. Typische „Fälle“ dieser Themenkategorie wie ‚Diebstahl bei Kindern’, ‚Unordentlichkeit’, ‚Einschlafschwierigkeiten’, ‚Aggressivität’, ‚Trotz’ etc. werden immer wieder aufgegriffen, im zeitlichen Längsschnitt betrachtet, jedoch mitunter verschieden gewertet, wie Inhaltsanalyse und Interpretation noch zeigen werden. Es sind sozusagen die Alltagsprobleme der Erziehung, die hier Berücksichtigung finden. Ein weiterer, seit den 50er Jahren umfänglich konstant gebliebener Bestandteil dieser Themenkategorie ist die Entwicklung des Kindes im ersten Lebensjahr.

Zahlenmäßig zurückgegangen sind die Beiträge, die eine betonte Normierung der Geschlechterrollen vornehmen. Fragen der besonderen Mädchenerziehung, denen man sich noch in den 50er Jahren in eigenen Artikeln widmete, werden in den 70er und 80er Jahren kaum mehr aufgegriffen. Die Eltern in ihrer geschlechtlichen Vorbildfunktion als Mann und Frau bzw. Vater und Mutter sind in späteren Beiträgen „Nur mehr“ Freunde und Partner des Kindes.

Das Thema Sexualität nimmt in keinem der untersuchten Jahrgänge einen hohen Stellenwert ein. Vom Umgang mit der eigenen Sexualität ist in den 50er Jahren überhaupt nicht, in den 70er und 80er Jahren nur wenig die Rede.

Nicht völlig verschwunden, aber doch merklich zurückgegangen sind die Beiträge zum Thema Umgangsformen und Manieren. Serien wie „Höflich und nett – von A bis Z“ oder „Fibel des guten Tons“, die sich von Heft zu Heft fortsetzen, sind seit den 60er Jahren nicht mehr anzutreffen38, wenn man sich auch weiterhin diesem Thema in einzelnen Artikeln widmet. Der ursprünglich hohe Raumanteil dieser Kategorie wird jedoch nicht mehr erreicht.

Ein Problem im Bereich „Medien“ stellten für den „Ratgeber“ der 50er Jahre der Einfluss von Film, Funk und Fernsehen auf Kinder und Jugendliche dar; diesem Thema begegnet man seit den 70er Jahren nicht mehr so häufig. In etwa gleichgeblieben ist der Anteil derjenigen Beiträge, die sich um eine Vermittlung guter Kinder- und Jugendliteratur bemühen.

Einen vergleichsweise hohen Anteil mit steigender Tendenz verzeichnet die Kategorie „Lernen, Schule, Beruf“. Lernschwierigkeiten und Hausaufgaben sind in diesem Bereich die Standardthemen. Berufsbilder speziell für Frauen und Mädchen stellen einen weiteren bedeutenden Bestandteil dieser Inhaltskategorie dar.

Diskussion der Inhaltsstruktur des Themenbereichs „Kind und Erziehung“

Die Sparte „Kind und Familie“39 ist nicht nur in sich sehr heterogen – wir haben zwischen 12 Inhaltskategorien unterschieden – sie ist es auch formal. Es lassen sich folgende Rubriken, in denen Erziehungsprobleme bzw. Standards der Erziehung angesprochen werden, unterschieden:

Die ‚Briefkästen’, in denen Leserbriefe beantwortet werden.

Serien, die ein spezielles Thema über mehrere Hefte hin verfolgen (z.B. „Eltern und Jugendschutz“, ab 4/68/436).

Einzelbeiträge im belehrenden Stil (z.B. „Ist Mutter wirklich altmodisch?“, 1/54/2).

Beiträge im unterhaltenden Stil (z.B. „Eva und der Gartenstuhl“, 6/55/348).

Berichte und Reportagen mit Kommentierung (z.B. „Räuber in kurzen Hosen – Die Straftaten von Kindern steigen an“, 11/65/1182).

Belehrende und moralische Beiträge in Briefform (z.B. „Ein bunter Schmetterling, den man Flirt nennt“, 7/68/796).

Informative Beiträge (z.B. „Wichtige Hinweise zur Säuglingspflege“, 9/55/592).

Zu 1.: Der Beratungsdienst der Zeitschrift im Stil ‚Der Leser fragt – Frau Elisabeth antwortet’ wird seit Mitte der 60er Jahre regelmäßig angeboten und endet mit Heft 12 des Jahrgangs 1983. Mit der Form „Leser fragen – Berater antworten“ wurde dem Leserinteresse wohl am unmittelbarsten entsprochen. Interessant, dass man sich in den 80er Jahren aus der direkten Beratung zurückzieht und stattdessen Themen in Form von Leserbriefen zur Diskussion stellt. Der Berater stellt lediglich strukturierende Fragen, hält sich aber selbst mit Ratschlägen weitgehend zurück (vgl. Dr. Ell stellt zur Diskussion).

Gelegentlich werden Fragen zur Erziehung aber auch in der Rubrik „Leserbriefe“, die seit Erscheinen der Zeitschrift existiert, beantwortet. Hauptsächlich geht es hier jedoch um eine Beratung in „guter Haushaltsführung“. Seit 1969 bietet die Zeitschrift zusätzlich einen „Kummerkasten für junge Leute“ an. In ihm wird jeden Monat der Brief „eines jungen Menschen“ veröffentlicht. Die Leser sind dann aufgefordert selbst die Antwort zu geben (vgl. 1/69/15). Die Meinung des Psychologen schließt sich diesen Antworten an. Mit diesem Beitrag soll offensichtlich der Kontakt zwischen Leser und Zeitschrift noch enger gestaltet werden, vor allem ist man auch daran interessiert junge Leser für die Zeitschrift zu gewinnen.

Zu 2.: Serienbeiträge finden sich zu irgendeinem Thema fast in jedem Heft des „Ratgebers“; das mag mit dem Charakter der Zeitschrift als ausgesprochener Lesezeitschrift zusammenhängen. Im Erziehungsteil sind es oft Beiträge zur Säuglingspflege, die sich von Heft zu Heft fortsetzen und bestimmte Entwicklungsphasen des Kindes abhandeln. Daneben wird das Thema Erziehung aber auch verschiedentlich in Serien angesprochen, die nicht zum redaktionellen Teil „Kind und Familie“ gehören. Eine Beitragsreihe, die dem weiblichen Standpunkt eine männliche Betrachtungseise gegenüberstellt, nennt sich „Wie er es sieht“ (ab Jg. 60). In ihr und im sog. „Männereck“ wird dann gelegentlich aus spezifisch männlicher Sicht das Verhältnis des Mannes zu Frau und Kindern – meist in amüsant-humorvoller Weise – beleuchtet40. Zu den langlebigsten Serien gehören in den 50er und 60er Jahren die Beiträge zu Umgangsformen und Manieren.

Zu 3.: Zahlreich vertreten sind im „Ratgeber“ Artikel mit moralisch-belehrendem Anspruch. Sie finden sich meist am Heftanfang und beschäftigen sich in der Regel mit der Rolle der Frau in der Familie, der geschlechtsspezifischen Aufgabenverteilung zwischen Mann und Frau, der Belastung der Frau durch Haushalt, Kindererziehung oder Beruf und mit Spannungen zu anderen Familienmitgliedern, die aus dieser Mehrfachbelastung entstehen können. Vielfach handelt es sich hier um Beiträge, die zu einer Harmonisierung des Familienlebens beitragen wollen oder die Frau in ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter bestärken und rechtfertigen. Häufig wird auch auf die Mädchenerziehung und das besondere Verhältnis von Mutter und Tochter eingegangen.

Zu 4.: Auch im Unterhaltungsteil der Zeitschrift finden sich Beiträge, die implizit oder explizit Standards der Erziehung thematisieren. Hierzu zählen Kurzgeschichten und vor allem Beiträge, die aus der Abgrenzung der Geschlechtsrollen „Kapital’ ziehen41 oder etwa auch „drollige“ Kinderbilder, Witzzeichnungen und Comics für Kinder, in denen richtiges und falsches Verhalten illustriert und gegenübergestellt werden42.

Zu 5.: Berichte und Reportagen, die zur Inhaltskategorie „Kind und Familie“ gezählt werden können, nehmen meist Bezug auf bedenkliche Zeiterscheinungen wie Verwahrlosung, Teenagermode, gesundheitliche Gefährdungen oder etwa auch der Einstellung der Eltern zur Sexualaufklärung der Kinder43.

Zu 6.: Eine besondere Form der pädagogischen Beeinflussung durch den „Ratgeber“ stellen Beiträge in Briefform dar44. In persönlich gehaltenen Briefen an Ehefrau, Tochter oder Sohn werden bestimmte, meist störende Verhaltensweisen und Einstellungen des fiktiven Empfängers beschrieben, korrigiert und bewertet45.

Zu 7.: Beiträge informativen Charakters beziehen sich zum Großteil auf Themen aus den Bereichen Säuglingspflege und Gesundheit. Die Standardfragen sind hier: Wann sollte ein Kind wie und mit welchen Mitteln was bekommen? Oder Worauf ist beim Sonnenbaden, bei Verstopfung, unruhigem Schlaf, Ernährung etc. zu achten und welche Maßnahmen sind gegebenenfalls zu ergreifen, um das Kind vor Schaden zu bewahren?

Veränderungen von Verhaltensstandards im Bereich familialer Erziehung und Sozialisation seit 1945

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