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Exkurs: Theorien sozialen Wandels

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Allgemeines zu Theorien:

„In einem strengen erfahrungswissenschaftlichen Verständnis sind Theorien deduktive Aussagensysteme, in denen aus (a) generellen Behauptungen (Propositionen, Gesetze) über die Beschaffenheit eines Realitätsausschnittes, sowie aus (b) auf sie bezogenen Anfangs- oder Randbedingungen (c) Ereignisvoraussagen (Hypothesen) abgeleitet werden, die falsch sein können. Diese Deduktion wird Erklärung bzw. Prognose genannt.“6

Sind demnach die Theorien sozialen Wandels wirklich Theorien? Die meisten Theorien sozialen Wandels sind nicht Theorien in diesem deduktiven Sinn. „zumeist sind es viel komplexere Aussagen und Interpretationen der Ursachen, Abläufe und Wirkungen gesellschaftlicher Veränderungen: Kombinationen von Theorien, Modellen, Metatheorien und komparativen Analysen.“7 „Unter Modellen kann man stilisierende Rekonstruktionen von Realitätsausschnitten verstehen, die den Zusammenhang oder Ablauf beobachtbarer Phänomene stark vereinfacht wiedergeben.“8

„Rigorose Methodologen würden die Mehrzahl der Beiträge zum Problem des sozialen Wandels als generelle Orientierungen, begriffliche Schemata, oder Metatheorien bezeichnen: als analytisch mehr oder weniger explizierte Vorstellungen über die ‚Natur’ gesellschaftlicher Realität, als ‚Sprachen’, mit denen Erfahrungen geordnet werden.“9

Neben dem Interesse an Generalisierungen besteht aber immer auch das Interesse, spezifische historische Wandlungsprozesse zu verstehen und zu bewerten. Die an der Tradition der historischen Soziologie anknüpfende Methode der komparativen Analyse liegt sozusagen zwischen Theorie- und Modellbildung einerseits und Metatheorie und sozialphilosophischer Phraseologie andererseits. Durch den Vergleich zweier Gesellschaften, denen das Vorverständnis bestimmte Entwicklungsbedingungen zuschreibt, kann man Übereinstimmungen und Unterschiede in historischen Begriffen herausarbeiten, „die nur auf einige – anstatt auf alle – Gesellschaften anwendbar sind“.10

Was sind die Gegenstände von Theorien sozialen Wandels? Theorien sozialen Wandels lassen sich z. B. danach unterscheiden wie weit oder wie eng sie ihren Gegenstandsbereich definieren. Parsons etwa verstand unter sozialem Wandel die Veränderung der Struktur ‚sozialer Systeme’, das entspricht einer makroskopischen Betrachtungsweise. Von einer mikroskopischen Betrachtungseise können wir sprechen, „wenn sozialer Wandel als Veränderung von Beziehungen, Rollen, Rollenverbänden betrachtet wird“.11

Modernisierung ist in der Regel wohl makroskopisch zu betrachten, daneben sind aber auch Analysen interessant, die psychische und kulturelle Voraussetzungen und Konsequenzen der Modernisierungsprozesse in den Fokus stellen.

Was sind die Ursachen des sozialen Wandels? Hier hat sich die Unterscheidung von exogenen und endogenen Faktoren eingebürgert; dabei sind heute die klassischen Ein-Faktoren-Theorien des Wandels (intellektuelle oder technische Erfindungen, ökonomische Widersprüche, Umweltveränderungen, Eliteinteressen) weitgehend durch multivariable Theorien ersetzt worden. Die Unterscheide beginnen bei der Bestimmung, was als ‚exogen’ und was als ‚endogen’ zu gelten hat und unter welchen Bedingungen diese Faktoren wirksam werden können.12

Lässt sich die Richtung des Wandlungsprozesses bestimmen? „Die Frage nach den Dimensionen des Wandels ist zugleich die Frage nach der Möglichkeit, das Ausmaß der Veränderungen beziehungsweise Abweichung vom Ausgangszustand zu bestimmen. Radikalität des Wandels; Rapidität des Wandels; Verhältnis von geplanten und ungeplanten Veränderungen (Steuerung versus Anpassung); Beschleunigung oder Verlangsamung: das sind generelle Dimensionen, die neuere Theorien auch quantitativ zu bestimmen versuchen.“13

Veränderungen von Verhaltensstandards im Bereich familialer Erziehung und Sozialisation seit 1945

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