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II.

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Wer das Andere will, muss

von der Immanenz der Kultur ausgehen,

um sie zu durchschlagen.

Theodor W. Adorno4

Die schlichte Frage, was das ist, was Kultur genannt wird, ist im Zuge der Verabschiedung der Metaphysik und ihres unhistorischen Wesensdenkens in Verruf gekommen. Man hat sie durch die Frage ersetzt: »Was meinen wir, wenn wir ›Kultur‹ sagen?« Doch wenn der Gedanke nicht vom Meinen zu den tatsächlichen Verhältnissen und zum konkreten Verhalten in diesen vordringt, liefert er sich den Mächten aus, die das kulturelle Feld kolonisiert haben, und bietet der Welt das Schauspiel einer Kulturwissenschaft ohne Kulturbegriff.

Wer sich mit dem bloßen Wort ›Kultur‹ zufrieden gibt, macht es sich in der Gedankenlosigkeit bequem. Damit ein Wort zum Begriff wird, muss es unter seinem Namen eine theoretische Erklärung zusammenfassen. Dieses Begriffsverständnis ist in dem Maße ›entsorgt‹ worden, in dem man sich mit den Verhältnissen auf Kosten der theoretischen Grundlagen5 abgefunden hat. Dabei ist die Begründung, warum sich die Kulturwissenschaftler für ein »nicht widerstands-fixiertes Fachverständnis« (Fluck 2004, 20) entscheiden sollen, immer schon mitwirkender Teil der Wirklichkeit, über die sie objektiv zu sprechen glaubt: »Wenn man fragt, wogegen eigentlich Widerstand geleistet werden soll, dann gibt es keine konkreten Adressaten mehr wie ehemals den Kapitalismus oder die Bourgeoisie, sondern nur noch eine zunehmend diffuse Form von Herrschaft, die von einer radikalisierten Herrschafts- und Kulturkritik als distinktes Merkmal moderner Gesellschaften beschrieben wird.« (19) Abgesehen davon, dass drei Jahre nach dieser Äußerung die Krise den Kapitalismus als Adressaten des Widerstands in Erinnerung gerufen hat, enthält Kultur, strengt man ihren Begriff an, »allem Bestehenden, allen Institutionen gegenüber unabdingbar ein kritisches Moment«,6 dem nur Widerständigkeit gerecht wird.

Wie sich das Verständnis dieses kritischen Moments auffrischen lässt, damit es in den verwandelten Verhältnissen erneut Fuß fassen kann – darum geht es in den folgenden Versuchen. Sie dienen dem Anspruch einer philosophisch reflektierten, dabei von der »sinnlich menschlichen Tätigkeit, Praxis« (Marx, ThF 3/5) und den gesellschaftlichen Verhältnissen und Rahmenbedingungen derselben ausgehenden begrifflichen Annäherung ans Kulturelle. Von der Praxis auszugehen verlangt die Aufsprengung des Kulturbegriffs nach dem Vorbild von Spinozas Unterscheidung der je fertig vorfindlichen Natur von der momentan sich bildenden (Ethik I, LS XIX, Anm.). Daher werden wir bereits im Frageansatz zwischen dem praktischen Quellmoment der Kultur und ihren etablierten Formen unterscheiden, in denen sie von gesellschaftlichen Kräften kontrovers beansprucht und von politisch-ökonomischen Mächten und ihren Ideologien umfangen und partiell durchdrungen ist. Was Freud von geschichtlichen Gestalten sagt, gilt allemal für die resultierende Kultur, wie sie empirisch begegnet, und zwar sowohl in ihrem herrschenden Hauptstrom als auch in den subkulturellen Neben- und Gegenströmungen: Alles »scheint […] überdeterminiert zu sein, stellt sich als die Wirkung mehrerer konvergierender Ursachen heraus« (S 9, 554). Nicht anders hat Stuart Hall das Paradigma der frühen Kulturforschung bestimmt.7 Das Methodenarsenal ist seither reichhaltiger geworden, doch hinter das Paradigma der Überdeterminierung fallen Kulturforschung und Kulturpolitik, wie sich im theoretischen Handgemenge erweisen wird, nur um den Preis zurück, Akteure der Ideologie und Anhängsel der Ökonomie zu werden.

Wenn nun aber die ›Kultur‹ ein Feld der Interferenz und des Ringens heterogener Mächte ist, dann zieht sich das »Interesse der Freiheit« (Hegel) in die Frage zusammen, was denn nun das originär Kulturelle an der Kultur ist. Unser Standpunkt kann mithin nicht der »Standpunkt der fertigen Phänomene« (Marx) sein. Das bringt uns in Konflikt mit Positionen, die ihre Kategorien unkritisch den herrschenden Verhältnissen entnehmen und das Überdeterminierte en bloc für die kulturelle Sache selbst halten.

Es bleibt nicht bei diesem Zusammenstoß. Indem wir uns anschicken, an dem, was man ›Kultur‹ nennt, das Kulturelle vom Nichtkulturellen zu unterscheiden, stoßen wir ferner mit der von der Kulturpolitik bestärkten Alltagsvorstellung zusammen, Kultur sei ein gesellschaftlicher Bereich, abgegrenzt von anderen Bereichen, die mithin als Nichtkultur aufzufassen wären. Nun stimmen aber im Gegensatz zu dieser Bereichsvorstellung von Kultur die meisten, die sich kulturwissenschaftlich betätigen, ungeachtet ihrer sonstigen Meinungsunterschiede darin überein, dass sie unter Kultur einen Aspekt oder eine Dimension verstehen, die all jenen abgegrenzten Bereichen als etwas alle Abgrenzungen Durchquerendes zueigen ist, sei es auch in unterschiedlicher Weise und Gewichtung. In der Tat beschränkt sich das Kulturelle nicht auf den ›Kulturbereich‹, und noch weniger erschöpft sich der ›Kulturbereich‹ im Kulturellen.

Nach dem Kulturellen an der Kultur zu fragen öffnet den Blick dafür, dass in dieser andere Mächte mitwirken: Die Kultur ist auch ideologisch und vor allem kommerziell durchdrungen, während das Kulturelle nicht nur im ›Kulturbereich‹, sondern auch in der Ökonomie und der Ideologie, also in der ›Nichtkultur‹ am Werke ist, sei es auch als untergeordnetes Moment. Zumal der Markt – mit der Warenästhetik und den Ästhetikwaren der Kulturindustrie – und auf andere Weise der in Ideologie eingehüllte Staat mit seiner Kulturpolitik wirken als je nach Kräfteverhältnissen mehr oder weniger dominante Mächte auf dem Feld der ›Kultur‹ mit.

Die kulturelle Unterscheidung

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