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Die Universitäten Heidelberg und Freiburg
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Auch eine zweite geistige Bewegung des Spätmittelalters schlug im Südwesten ihre Wurzeln: das wissenschaftliche Studium, auf dem das moderne Schul- und Hochschulwesen gründet. Klosterschulen bestanden, wie man weiß, schon seit dem 9. Jahrhundert an den großen Abteien, aber sie verloren ihre Bedeutung. Dagegen unterhielten manche Bettelordenskonvente Schulen von hohem Niveau, so zum Beispiel das Freiburger Predigerkloster, an dem zeitweise Albertus Magnus wirkte. Zunehmend profilierten sich auch städtische Lateinschulen, etwa in Konstanz, Freiburg und Pforzheim, auch an kleineren Orten wie Villingen, Mosbach oder Wertheim. Die entscheidende Innovation im Bildungssektor erfolgte jedoch mit der Gründung der ersten Universität in unserem Raum durch Kurfürst Ruprecht I. von der Pfalz in Heidelberg im Jahr 1386. Zuvor bestanden auf (damals) deutschem Boden erst die Universitäten Prag (1349 durch Karl IV. in seiner Eigenschaft als König von Böhmen gegründet) und Wien (1365 von den Habsburgern ins Leben gerufen). Ruprecht I. (1309–1390), der seit 1338 zusammen mit seinem Bruder, seit 1353 allein die Pfalzgrafschaft regierte, gilt zu Recht als der eigentliche Begründer des pfälzischen Territorialstaates. Die Universitätsgründung gehörte in das politische Gesamtkonzept des Landesausbaus eines Fürsten, der – als Schwiegervater Karls IV. und einer der vier weltlichen Kurfürsten – zur ersten Garnitur der Territorialherren zählte. Die Universität brachte Prestige, konnte den Bedarf an landesfürstlichen Beamten decken und der Residenzstadt Heidelberg mehr Anziehungskraft geben. Hinzu kamen praktische Gründe für die Gründung einer |47|eigenen Universität. Deutsche Studenten mussten Paris verlassen, wenn ihre Landesherren sich seit dem Schisma nicht zu dem Papst in Avignon bekannten. Und auch in Prag gerieten sie unter Druck, seit dort eine national-tschechische Tendenz anschwoll. So verdankt die Heidelberger Universität ihre Entstehung einem ganzen Bündel von guten Gründen.
Ruprecht selbst verstand nichts von den Studien, die er an seiner Hochschule förderte. »Litteris ignoramus« (wir sind ohne schriftliche Bildung), gestand er in einem Brief. Aber er hatte gute Berater: Bischof Eckard von Worms (der auch seinen kirchenpolitischen Kurs bestimmte) und dessen Dompropst Konrad von Gelnhausen zählen zu den geistigen Gründervätern der neuen Universität, die ganz nach Pariser Vorbild geordnet wurde, wobei allerdings statt der dortigen Gliederung nach Nationen sich in Heidelberg die nach Fakultäten durchsetzte. Zum Rektor bestellte der Kurfürst den Niederländer Marsilius von Inghen, der Paris wegen des Schismas verließ. Er sollte »dem Studium in Heidelberg ein anheber und regierer sein«. Als Kanzler amtierte Konrad von Gelnhausen. Das wichtigste Gremium stellte die Versammlung – die universitas – der Doktoren und Gelehrten dar. Nach anfänglich gewaltigem Zustrom pendelte sich die Studentenzahl bei ca. 300 ein; das war erheblich mehr als in den ein paar Jahrzehnte später gegründeten Universitäten Freiburg und Tübingen.
Als zweite Hochschule war am Oberrhein in Freiburg eine Universität entstanden: Rund 70 Jahre nach den Pfälzern schuf der Habsburger Albrecht VI. 1457 in den österreichischen Vorlanden diese zweitälteste Universität in unserem Raum. Kaiser Friedrich III. (1440–1493) hatte 1450 seinem Bruder Albrecht (1418–1463) die Regierung über die habsburgischen Westprovinzen übertragen und ihn zum Erzherzog erhoben.
Universität Freiburg
Die Gründung der Universität entsprach dem politischen Geltungswillen und dem Ziel, Dynastie und Territorium auszuzeichnen. Hinzu kam in jener Zeit ein gesteigertes Bildungsbedürfnis der höheren Schichten. Persönliche Interessen hatte der Stifter kaum; er war leichtlebig und genusssüchtig und hieß zu Recht »der Verschwender«. Doch seine Frau Mechthild war eine kunstverständige, gebildete Fürstin, Tochter des Pfälzer Kurfürsten, seit ihrer Jugend in Heidelberg von der Bedeutung einer Universität überzeugt (ihr Sohn aus erster Ehe sollte 1477 die Universität Tübingen gründen). Rat und Anregung zur Universitätsgründung erhielt Albrecht ferner von einem jungen Gelehrten aus Villingen, Matthäus Hummel. Bald zog Freiburg wie Heidelberg bedeutende Talente an. Aus dem schwäbischen Balingen kam Gregor Reisch, der hier studierte, Beichtvater Maximilians wurde und Prior des Kartäuserklosters. Er verfasste mit seiner 1503 gedruckten »Margarita philosophica« das erste enzyklopädische Handbuch aller Studienfächer. Das Werk enthielt u.a. Auszüge aus der hebräischen Grammatik von Reuchlin, ausführliche Kapitel zu den Fächern des Trivium, besonders zur Mathematik, und trug u.a. entscheidend zur Verbreitung der arabischen |48|Zahlen mit dem Dezimalsystem bei. Man schätzte Reisch in der ganzen gelehrten Welt als »das Orakel Deutschlands«. Neben ihm sind der Musiktheoretiker Glarean oder der sprachgewaltige Engelbrecht aus Engen, der 1516 den Lehrstuhl für Poetik erhielt, zu nennen, der Geograph Waldseemüller oder der Jurist Ulrich Zasius, die alle in Freiburg wirkten. Waldseemüller gab in seiner im Elsass gedruckten Weltkarte dem von Kolumbus entdeckten Kontinent den Namen Amerika nach dem Entdeckungsreisenden Amerigo Vespucci, über dessen Seefahrten er schon 1507 einen Bericht publiziert hatte. Zasius, aus einer angesehenen Konstanzer Familie, war Stadtschreiber in Freiburg geworden; er wirkte zeitweilig als Rektor der städtischen Lateinschule und wurde auf Druck der Studenten 1506 Professor, ein kluger Pädagoge und glänzender Jurist. 1520 hat er ein neues Stadtrecht für Freiburg verfasst, eines der modernsten seiner Zeit, in dem er das römische Recht rezipierte und in die deutsche Rechtstradition transformierte.