Читать книгу Ingenieure - Status und Perspektiven - Armin Odoleg - Страница 11

Die „Paradoxe Verschreibung“

Оглавление

Im vorigen Kapitel wurde bei den nebeneinander geführten Leistungs- und Signalleitungen erwähnt, dass man manchmal das Gefühl hat, dass es besser sei, das Gegenteil von dem vorzuschlagen, was man beabsichtigt, also „Leistungskabel und Signalkabel nebeneinander führen und das möglichst dicht“. Das führt zum Thema „Paradoxe Verschreibung“, die von Paul Watzlawick als häufig effektiv beschrieben wurde. Sein Buch „Anleitung zum Unglücklichsein“ beschreibt eine solche, wie unschwer zu erkennen.

Momentan gehen wir alle davon aus, dass jemand etwas vorschlägt, was diesem als sinnvoll erscheint und der andere prüft es, um es dann evtl. auszuführen. Das klingt logisch. Das ist auch so, wenn ein Chef etwas anweist. Aber - ist das immer so? Vieles spricht dagegen. Es wird berichtet, dass Anti-Raucher-Kampagnen bei Jugendlichen von Zigarettenfirmen gesponsert werden. Das klingt absurd, oder? Ist es aber nicht, denn statistisch gesehen beginnen mehr Jugendliche zu rauchen, die an einer solchen Veranstaltung teilnahmen. Dies ist perfektes Marketing unter altruistischem Deckmantel.

Im Engineering hat man das Gefühl, dass es oft zielführender sei, das Gegenteil von dem vorzuschlagen, was man eigentlich will. Denn irgendwie machen Personen scheinbar absichtlich das Gegenteil von dem, was vorgeschlagen wurde. Auch denkt man darüber nach, ob es an der Argumentationsweise liegt oder ob das Anliegen vielleicht falsch vorgetragen wurde.

Andererseits: Vor ein Mannloch17 von 60 x 60 cm wurde ein Mannloch von 40 x 60 cm gebaut. Wahrscheinlich wären auch 20 x 40 cm verwendet worden, wenn es zulässig gewesen wäre. Sehr kollegial. Das Mannloch war dazu da, den Zugang zu einem Produkt zu gewährleisten. Und da Serviceleute in dieser Branche normalerweise nicht schmächtig sind, werden sie Probleme haben, dort durchzuschlüpfen. Zudem beide Mannlöcher mit kurzem Abstand versetzt angeordnet wurden.

Eine Anfrage bezüglich der Umkonstruktion wegen des Mannloches war eigentlich deswegen, da die Konstruktion technisch unsinnig war: Das Gussteil war komplex aufgebaut und von der Materialdicke stark unterschiedlich18 . Normalerweise baut man Gussteile möglichst glatt und gleichmäßig dick. Ein Lunker („Gussloch“), der durch die Komplexität gefördert wird, macht solche Teile zu Ausschuss. „Wir haben Gussprobleme“ hieß es später. Das bedeutet „übersetzt“: Wir mussten viele Teile dieser tonnenschweren Platte nach dem Gießen als Ausschuss deklarieren und wegwerfen bzw. wieder einschmelzen.

Als „Zuckerl“ für die Ingenieure: Für dieses Teil mit einem Durchmesser von 2,4 m musste auch ein rechnerischer Festigkeitsnachweis erbracht werden. Das Ergebnis war: „Die Platte hält den Belastungen stand“. Diese Platte sollte aber nicht der Festigkeit dienen, sondern sie sollte Verformungen verhindern. Die Verschiebung der Krafteinleitungspunkte, die einen Hinweis auf dessen Wirkung gegeben hätte, wurde nie thematisiert. Diese Information hätte man aber leicht den Festigkeitsrechnungen entnehmen können.

Dies stellt leider „Neu“-Deutsches Engineering von Ingenieuren dar, die frisch von der Hochschule kommen. Die gut gemeinten Hinweise von Kollegen als helfende Institution werden ignoriert. Ein paar hundert Kilogramm Guss hätte man hier sparen können; Guss „doppelt“ man nicht.

Vor etwa 30 Jahren, hätte man bei der Konstruktion eines solchen Teiles vom Abteilungsleiter einen ordentlichen Rüffel „kassiert“, dass so etwas nie wieder vorgefallen wäre. Heutzutage werden diese Konstruktionen als Patente „durchgedrückt“, um eine bessere Patentstatistik der Abteilung zu bekommen, da selbst Abteilungsleitern häufig komplett die Grundlagen fehlen. Dazu und zu den Ursachen dafür später mehr.

Ingenieure - Status und Perspektiven

Подняться наверх