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Vorwort

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Als Luft- und Raumfahrttechniker arbeite ich mittlerweile im Bereich der Windkraft. Warum? Als ich vor langer Zeit studierte hörte ich den Vortrag eines Betriebswirts. Er fragte: „Wie viele Unis gibt es, die Luft- und Raumfahrttechnik unterrichten?“. Wir kamen auf mindestens 8; Fachhochschulen und Universitäten. Dann meinte er: „Nehmen wir einmal an, pro Universität gibt es in diesem Studiengang 50 Studenten (wir waren mehr) – dies bedeutet im Minimum 400 Abgänger pro Jahr“. Er schloss mit der Feststellung: „Wissen sie, wie viele im Jahr in Deutschland gebraucht werden? Ich sag's Ihnen: es sind 70!“.

Und damals waren Firmen, die Flugzeuge bauten, in Deutschland noch relativ zahlreich.

Zum Thema „Windkraft“: Mir fallen ad hoc 6 Universitäten ein, an denen ein Lehrstuhl für Windkraft eingerichtet wurde. Man kann zu diesem Thema stehen, wie man will, aber: Wie viele Ingenieure werden momentan ausgebildet und wie viele werden benötigt? Muss jeder Fehler wiederholt werden? In jedem Falle wird künstlich ein Überangebot erzeugt. Vorsichtig geschätzt werden also doppelt so viele Fachleute ausgebildet wie benötigt werden. Und gleichzeitig wird der „Fachkräftemangel“ permanent thematisiert. Komisch, oder?

Das Dokument stellt somit an Beispielen die Situation insbesondere von Ingenieuren, aber auch anderen Naturwissenschaftlern, dar. Dies geschieht durch konsequentes, systematisches Hinterfragen dieser Situation.

Die Erfahrung aus vielen Firmen zeigt, dass dort so ziemlich alles eigenartig ist. Die Systeme, von denen man umgeben ist, erweisen sich großenteils als widersprüchlich. Diese Systeme werden hier erklärt, die Widersprüche aufgezeigt und der Sinn dargelegt. Denn normalerweise wäre es leicht, sie aufzulösen – wenn es wirklich gewünscht wäre.

Das bedeutet nicht, dass dies für alle Firmen gültig ist. Es scheint mir jedoch im Mittel und insbesondere für größere Firmen korrekt zu sein. Die Firmen sind dann auch zum Teil mit großem Presserummel in die Insolvenz gegangen. Oder sie waren permanent kurz davor – deshalb waren sie permanent in finanziellen Nöten und damit fehlte auch das Geld für die Angestellten und an eine Gehaltserhöhung war schon gar nicht zu denken. Während Gehaltserhöhungen nach einem halben Jahrzehnt Firmenzugehörigkeit „nicht möglich“ waren, hat der Vorstand zum selben Zeitpunkt immer eine Möglichkeit gefunden, sich mehrere Millionen an Boni, also an zusätzlichem Gehalt, zu gönnen. Wie hoch dies ausfiel, kann nicht exakt beziffert werden, aber als Mitarbeiter einer Firma kann es leicht näherungsweise rückgerechnet werden, da „Gehaltsaufwendungen“ öffentlich dargelegt werden müssen. Und das Gehalt der normalen Angestellten stieg in den letzten Jahren in keiner bekannten Firma um über 8 %...

Primär geht es hier aber nicht um Geld. Es ist allerdings ein Indikator des Respekts gegenüber den Angestellten. Hauptsächlich befasst sich der Text damit, wie es im „Land der Dichter und Denker“ im Ingenieurwesen und in den Naturwissenschaften bestellt ist. Dort denken doch die meisten, dass alles nach Faktenlage entschieden wird, oder? Es gibt Probleme und die werden dann gelöst – das ist doch nur logisch!

Es existiert der „Zeitgeist“, nach dem die Gesellschaft funktioniert. In der Politik ist klar, wer an der Macht ist: Politiker haben ein Ohr für den Zeitgeist und es wird so entschieden, dass dieser befriedigt wird. Er wird durch die (angeblich) überwiegende Menge des Volkes vorgegeben. Zumindest ist es so, dass der, der diesen nicht befriedigt, keine Stimmen bekommt. Kleine Gruppen können ignoriert werden, denn sie sind für den Ausgang der nächsten Wahl nicht entscheidend. Beziehungsweise kann man auf ihnen herumhacken, um vermeintliche Lösungen zu suggerieren und nicht dem Vorwurf der Untätigkeit ausgesetzt zu sein. Das Volk möchte keine Probleme und Zwänge; es hat genug: Und so ist die Partei an der Macht, die Probleme nicht thematisiert und gleichzeitig so entscheidet, wie ein Großteil des Volkes es gefühlsmäßig haben möchte.

Warum ich das hier schreibe? Vor etwa vier Wochen bin ich bei YouTube über eine Dokumentation „gestolpert“ in der jemand die Qualität von wissenschaftlichen Veröffentlichungen in seinem Bereich (Ernährungswissenschaften) kritisiert. Er fordert die Zuschauer auf, diese kritisch zu betrachten. Der Vortragende zitiert auch die jeweiligen Literaturstellen, um die Reproduzierbarkeit seiner Aussagen zu gewährleisten.

Als Negativbeispiel diskutierte er eine amerikanische Veröffentlichung, mit der gezeigt wurde, dass die Reduktion der Aufnahme von Salz das Herzinfarktrisiko dahingehend verringert, dass in Amerika jährlich (bitte nicht auf die abenteuerliche hohe Zahl der Nullen festlegen) 10 Milliarden Dollar gespart werden könnten. Die Zahl der Probanden der Studie war – exakt Null. Es handelte sich um eine Computersimulation; die Ersparnis für die Wirtschaft wurde „hochgerechnet“. Eine folgende Studie mit erhöhter Salzaufnahme, in die fast 8000 Personen involviert waren und in der sogar eine (nicht signifikante) geringe Reduktion des Herzinfarktrisikos festgestellt wurde, ignorierte die Presse.

Analog dazu existieren in Deutschland Presseartikeln, in denen von 300.000 getöteten Fledermäuse pro Jahr an deutschen Windenergieanlagen berichtet wird. Diese Zahl wurde ebenfalls von durchschnittlich 13 toten Fledermäusen pro Jahr „hochgerechnet“. Der Rechengang ist nirgends dargelegt.

Erinnern wir uns an Studien, die vor etwa 12 Jahren stattfanden und in denen „Acrylamid“ in Pommes Frites nachgewiesen wurde. An Hand von Experimenten mit Ratten wurde „nachgewiesen“, dass dieser Stoff krebserregend ist. Heute ist von den Studien keine Rede mehr. Dies auch deswegen, da in vielen anderen Nahrungsmitteln dieser Stoff entdeckt wurde und dass in neueren Studien eher das Gegenteil gezeigt werden konnte. Die Presse gibt nicht gerne zu, dass sie schlecht bzw. gar nicht recherchiert hat. Weiterhin will die Presse auch nicht Schuld an der finanziellen Situation der betroffenen Firmen sein, die Pommes Frites produzierten und aufgrund der Pressemitteilungen kurz vor der Insolvenz standen.

Die Presse spricht von „Ingenieur-“ bzw. „Fachkräftemangel“, einer gut funktionierenden deutschen Wirtschaft, Innovation, einer niedrigen Arbeitslosigkeit und viel Wohlstand.

Insbesondere auf diesem „Fachkräftemangel“ wird quasi ein „Endzeitszenario“ aufgebaut, in dem ausführlich regelrecht ausgemalt wird, welches Risiko dadurch der Wirtschaft droht. Bisweilen werden Zahlen genannt, wie viele fehlen. In kurzen anderen Beiträgen wird jedoch berichtet, dass der Fachkräftemangel gar nicht existiert. Wie passen diese beiden Aussagen zusammen? Hier besteht die Möglichkeit, dass eine Seite die Unwahrheit oder „Halbwahrheiten“ erzählt oder beide Seiten reden über etwas unterschiedliches.

Ich hoffe, dass am Ende dieses Buches jeder motiviert ist, sich wichtige Informationen selbst zu besorgen. Die Frage ist immer: Über was genau wird geredet, welche Information fehlt und wer hat u.U. Interesse, Zahlen zu verschweigen oder in eine erwünschte Richtung zu „verbiegen“?

Beim Fachkräftemangel beispielsweise maße ich mir an, wesentliche Zahlen, Daten und Fakten zu hinterfragen. Dies mit relativ einfachen Prüfungen zur Plausibilität und mit Internetrecherchen. Einzelne Aussagen im Internet sollten nicht als bare Münze genommen werden.

Bei der „gut funktionierenden deutschen Wirtschaft“ muss leider festgestellt werden, dass sie im „Dreamteam“ mit der Politik (Die Parteirichtung ist einerlei) in den letzten zwei Jahrzehnten alles gegen die Wand gefahren hat, was möglich ist. Kein einziges Projekt wurde auch nur halbwegs im Kosten- und Zeitrahmen beendet wurde. Den „Bock“ im Bereich Kostensteigerung hat bis Dato die Hamburger Elbphilharmonie geschossen, deren Kostensteigerung momentan mit dem Faktor 10 festgestellt wurde. Die Richterskala ist nach oben offen. Man könnte hier natürlich auch die „Drohne“ nennen – hier bekommt man für die eingesetzte knappe Milliarde nichts1 .

Alle Projekte wurden mit den tollsten Computer-Planungs-programmen (bspw. Microsoft „Project“) geplant. Diese lassen eine Darstellung und Auswertung des geplanten Projektes in jeder beliebigen Option dar. Bei Großprojekten werden sicherlich hunderte dieser Projektplanungsdiagramme erstellt.Um nachträglich einen Zeitverzug von 14 Jahren (NH90) verkünden zu müssen. Ist das alles „kontraproduktiv“? Wir werden sehen.

Aber: Bei TTIP (Transatlantisches Freihandelsabkommen) wird natürlich alles nach Plan laufen!2 Genauso wie es bei der Aufnahme Griechenlands im Jahre 2001 in die EU war: Knapp 10 Jahre später wird „bemerkt“, dass es Probleme gibt3 . So lange sie nicht schwerwiegend sind, kehrt man sie unter den Teppich. Um mehrere Jahre später den großen Knüppel auszupacken. Die Politik reagiert plan- und hilflos und weiterhin realitätsfremd.

Somit zeigt alleine die statistische Betrachtung dieser Fakten, mit welcher Wahrscheinlichkeit zukünftige Projekte auch nur halbwegs „gut gehen“ werden. Wenn es mathematisch möglich wäre, würde man vermutlich eine Wahrscheinlichkeit kleiner als Null errechnen.

Diese in diesem Buch getätigten Betrachtungen werden nicht dem Anspruch genügen, die „Wahrheit“ darzustellen. Dies kann auch nicht funktionieren, denn diese bedient eine komplexe Wissenschaft, die Philosophie. Außerdem kann man nicht für jeden Sachverhalt beliebig genaues Detailwissen besitzen. Und die Systeme werden mittlerweile beliebig komplex. Die Darstellungen in diesem Buch können somit auch nicht 100 % neutral sein, denn zum einen kann der Autor nicht alle Details wissen und zum anderen ist niemand völlig neutral.

Dieser Text soll eine Anregung geben, Dinge, die immer als selbstverständlich behandelt werden, aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Im Kantschen Sinne der Aufklärung: Gesicherte Erkenntnis ist der erste Schritt. Denn ohne diese kann der schwierigere Schritt, die Mündigkeit, nicht folgen.

Ingenieure - Status und Perspektiven

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