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Schlechte Nachrichten

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Es ist klar, dass es schlechte Nachrichten geben muss. Es geht immer einmal etwas schief22 . Gleichzeitig sagt man, „dass der Überbringer der schlechten Nachricht getötet wird". Sie sind unangenehm und zerstören das Weltbild, das man sich mühsam geschaffen hatte.

Schlechte Nachrichten resultieren häufig aus Fehlern, die Gefunden wurden. Einen Fehler definiere ich hier als Zustand, bei dem entweder etwas gegen den aktuellen Stand der Technik verstößt oder bei dem die Spezifikationen nicht erfüllt sind oder etwas sich so darstellt, dass die Spezifikationen nicht erfüllt werden können. Zunächst muss aber ein Fehler überhaupt erst festgestellt werden. In diesem Falle existieren mehrere Optionen: Der Fehler ist wichtig oder man kann ihn ignorieren. Dies kann nicht immer auf Anhieb erkannt werden. Bisweilen sind aufwändige Berechnungen notwendig, die zeigen, inwieweit der Fehler Relevanz hat. Die Konsequenz ist, dass man als „Fehlermelder“ das Risiko eingeht, viel Wirbel um nichts zu erzeugen. Wenn man vor einem Fehler die Augen verschließt, geht man somit in keinem Falle das Risiko ein, dass man Arbeit macht, von der sich im Nachhinein herausstellt, dass sie unnötig war. Zudem man, wie beschrieben, sich immer unbeliebt macht, weil man schlechte Nachrichten überbrachte. Aus diesem Grunde werden Fehler sehr gerne einfach ignoriert.

Aus Fehlern lernt man eigentlich. Mit Sicherheit sind schon viele Patente aus Fehlern entstanden: Es bedeutet oft viel Arbeit, Fehler zu finden um sie dann kostengünstig abzustellen. Hier ist Systematik und auch Wahrnehmung gefragt. Die Methoden zur Fehlervermeidung legen die Normen „ISO 9000“ bzw. „ISO 90XX“ fest. Diese Normen unterstützen Firmen und auch Ingenieure darin, aus Fehlern systematisch zu lernen. Das haben aber scheinbar wenige so richtig verstanden. Oder wollen es nicht verstehen. Bei allen Dingen im Leben gab es Personen, die über etwas nachdachten und die Ergebnisse in Regeln, Gesetze und Normen „gegossen“ haben. Man muss sich nicht zum Sklaven derselben machen, aber im Allgemeinen steckt ein gewisser Sinn hinter Normen und Richtlinien.

Da somit die Karriere gefährdet wird, wenn man schlechte Nachrichten wie beispielsweise einen detektierten Fehler überbringt, überbringt man eben keine. Wer nichts anfasst, macht auch nichts kaputt. Zumal andere Leute auch immer nur gute Nachrichten bringen. Sonst würde man sich negativ abheben und somit wird immer nur „Kein Problem“ an die nächsthöhere Stelle gemeldet.

Bei extremen Leistungsproblemen einer Serie wurde ich beispielsweise angewiesen (mündlich – logisch), nicht zu schreiben, dass die eine Serie schlechter als die andere ist – nein, die andere musste besser als die eine sein, obwohl die eine so schlecht war, dass sie dadurch faktisch nicht verkauft werden konnte. Die Gefahr war offensichtlich gegeben, dass der Bericht dem Firmeninhaber in die Finger fällt und dieser bekommt von jedem immer nur positive Rückmeldungen. Weiterhin wollen obere Führungskräfte gar keine schlechten Nachrichten.

Dies trifft sich gut mit der kognitiven Dissonanz. Warum?

1 Die Meldung eines Fehlers oder einer schlechten Nachricht widerspricht dem Aschschen Konformitätsexperiment. Die meisten Personen machen es deshalb nicht, um mit der Mehrheit „konform“ zu sein. Es ist menschlich.

2 Wenn ein Problem auftritt, so muss man darüber nachdenken, es abzustellen. Dies ist unbequem. Außerdem müssten echte Entscheidungen getroffen werden – und nicht nur die Sache so weiterlaufen lassen, wenn jeder andere denkt, sie liefe gut.

3 Wenn in einer Aktiengesellschaft etwas schief geht oder die Gefahr besteht, dass etwas Größeres misslingt23 , so müssen Rückstellungen (Glossar) getroffen werden. Diese reduzieren in diesem Geschäftsjahr den Gewinn der Firma. Und dieser Gewinn hängt direkt mit den Boni (also den Zusatzeinkünften) der Vorstände zusammen. Durch Rückstellungen verdienen Vorstände, die Rückstellungen treffen mussten, eben in so einem Jahr einfach eine Million weniger. Somit meidet man eine Rückstellung so lange, bis der neue Vorstand die Kohlen aus dem Feuer holen muss. Der kurzfristige Vorteil steht im Vordergrund.

4 Wenn es einer Firma so schlecht geht, dass sie Entlassungen aussprechen muss, können das ja zunächst einmal keine eigenen Fehler sein – Man begründet dies mit der „Marktlage“, wobei jeder innerhalb der Firmen weiß, dass dem nicht so ist. Als Nachweis der schlechten Marktlage werden Firmen angeführt, denen bekannter Weise Fehler unterliefen. Im gleichen Atemzug streicht man die eigene Exzellenz heraus. Teilweise ist es unglaublich, zu welchen Verdrehungen das menschliche Gehirn fähig ist, um die eigene Inkompetenz zu kaschieren. Die Ursache liegt im „Dunning-Kruger“-Effekt. Sie bemerken ja selbst nicht, was für einen Unfug sie treiben und schreiben. Für viel Geld werden Beraterfirmen engagiert, die die Entlassungen personalisieren und die somit quasi mit dem Finger auf die zu Entlassenden zeigt. Für die Entlassungsmaßnahme ist immer Geld vorhanden. Denn wenn man selbst Entlassungen aussprechen würde, müsste man sich selbst die Finger schmutzig machen. Die Beraterfirmen dienen somit der Aufrechterhaltung der kognitiven Dissonanz der Vorstände bzw. Firmeninhaber. Beim Gehalt dieser handelt es sich somit um unnötige Luxus-Kosten, die die Personengruppe der Vorstände und Firmeninhaber zusätzlich zum Gehalt beansprucht.

5  Existieren in einer Firma Arbeitssicherheitsmängel, so läuft dort etwas falsch. Wenn jedoch keine Sicherheitsmängel vorhanden sind bzw. diese unter den Tisch gekehrt werden, muss man auch kein Geld zum Abstellen derselben ausgeben. Die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert, ist gering. Wenn die Mängel verschwiegen werden, werden somit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Fehler treten nicht zu Tage und Geld wird gespart. Und von Leuten, die offiziell auf diese Sicherheitsmängel hinweisen, trennt man sich.

Für den letzten Punkt stellt das Space Shuttle ein tragisches Beispiel dar: Beim Start waren Hitzekacheln abgefallen. Diese schützen die Aluminiumstruktur beim Wiedereintritt vor übermäßiger Erhitzung. Im konkreten Fall gab es Ingenieure, die mit Nachdruck auf die Gefahr für die Besatzung des Shuttle hinwiesen. Meiner Information nach wären Sie deshalb von der NASA fast gefeuert worden. Die Ignoranz der NASA kostete die Besatzung das Leben, das Shuttle ist beim Wiedereintritt in die Atmosphäre verglüht.

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