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Die Qualifikation des Ingenieurs

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Die Kriterien zur Bewertung der Qualifikation von Ingenieuren werden vermutlich an Universitäten nicht offiziell gelehrt. Uns wurde dies in der letzten Stunde vor einer Prüfung beigebracht, als der Professor auf dem Pult saß, die Beine herumbaumeln ließ und „Geschichten aus dem Nähkästchen“ erzählte.

Er fragte uns fast beiläufig, wie wir Studenten denn einen guten und einen schlechten Ingenieur erkennen würden. Sein Fazit war (nach Darstellung einer relativ komplexen Geschichte), dass sich die Qualifikation eines Ingenieurs daraus ergibt, dass er möglichst nahe an das Machbare herangeht und sich keine Sicherheitsreserven lässt; nur so wird das herzustellende Produkt konkurrenzfähig. Dabei muss man aber wissen, in welchen Bereichen diese Vorgehensweise wichtig ist: Wo nicht, reicht ein „gut genug“ aus.

Umgekehrt ist es ja auch so, dass ein Produkt nicht mehr verkäuflich ist, wenn jeder Ingenieur Teile mit 50 % Sicherheitszuschlag konstruiert („Überdimensioniert“),.

„Mein“ Professor war bei großen Flugzeugprojekten Abteilungsleiter. Bei Flugzeugen trifft diese Aussage besonders zu, da jedes zusätzliche Gramm eine direkte Reduktion der Nutzlast in derselben Größe verursacht und zusätzlich den Treibstoffverbrauch hochtreibt. Diese Anforderung des Nahe-an-das-Machbare-Herangehens fordert viel Kompetenz, denn nur kompetente Ingenieure wissen, wie sie dies erreichen.

Hierzu ein Beispiel aus der Luftfahrtindustrie: Der Airbus A380. Hier gab es zunächst Projektverzögerungen durch die CAD-Systeme (Glossar), da Kabelbäume wenige Zentimeter zu kurz gefertigt worden waren. Hier hatten die Ingenieure, soweit ich es abschätzen kann, tatsächlich „geschlafen“ beziehungsweise die Schnittstellen ihrer CAD-Systeme nicht aufeinander abgestimmt. In diesem Fall gibt es viele Fehlermöglichkeiten. Diese hätte man durch Tests ausschließen können (also einen Probekabelbaum fertigen und dessen Länge ausmessen). Aber leider wurde (wie heutzutage üblich und auch verlangt) blind den Systemen bzw. den Computerprogrammen vertraut. Um dann festzustellen, dass es auf 50 m Länge 15 mm zu kurz ist. Oder so. Und so passierte, was eben passiert ist. Nun hatte die Presse ihren Aufmacher und einen Anlass, weiter über „Desaster“ zu berichten.

Als nächstes wurde gemeldet, dass die Tragfläche beim statischen Festigkeitstest versagte und dies bei 145 % Last. Hierzu hätte man wissen müssen, dass die Tragfläche in der Luftfahrt einen Sicherheitsfaktor von 1,50 hat, wodurch sie 150 % Last ertragen muss. Mit 145 % liegt sie somit nur etwa 3 % unter den 150 %; eine sehr gute Leistung des Ingenieurwesens. Insbesondere, wenn man weiß, wie hoch Materialkennwerte streuen. Eine Tragfläche, die 160 % Last ertragen würde, wäre viel zu schwer und würde Nutzlast kosten. Und wenn die Presse wüsste, wie es bei Airbus zum großen Teil „zugeht“, dann würden sie nicht so schlecht über die Ingenieure berichten. Aber das wird ignoriert, weil man dann nichts Negatives schreiben kann. Der Zeitgeist bedarf seiner Befriedigung.

Als Ingenieur sollte man das Rad möglichst nicht zum zehnten Mal erfinden. Häufig konstruieren Ingenieure in ihrem CAD-System jedes Teil neu. Dabei ist es in vielen Fällen einfacher und billiger, Kataloge aufzuschlagen und ein geeignetes Teil auszuwählen. Meist sind also Lösungen günstiger, die bereits existieren.

Auch hier fällt mir eine Geschichte ein: Ein großer deutscher Luftfahrtkonzern wollte eine neue Drohne, also ein unbemanntes Fluggerät, in Faserverbund-Kunststoffbauweise bauen. Nun hatte die Firma wenig praktische Erfahrung im Umgang mit diesen Kunststoffen (vgl. auch Einführung). Andererseits ist bekannt, dass es hierfür in Deutschland bei den Segelflugzeugbauern einen großen Erfahrungsschatz gibt. Dies, da Segelflugzeuge Luxusgeräte sind, bei denen alles „vom Feinsten“ verwendet wird. Aber es kam niemand auf die Idee, einen der Segelflugzeughersteller als technischen Berater hinzuzuziehen. Kunststoffbau ist Handwerk, was insbesondere von Vorständen gerne ignoriert wird. Diese gehen davon aus, dass man eine handwerkliche Fertigung an einem Tag aus- und drei Monate später wieder einschalten kann, was aber nicht funktioniert21 . Zurück zum Luftfahrtkonzern. Dies wäre neudeutsch eine Win-Win-Situation gewesen: Der Segelflugzeugbauer hätte im schwierigen Markt etwas dazuverdient und die Drohne wäre auf Anhieb gelungen. Aber man musste das Rad zum 10. Male neu erfinden und so wurde die Drohne alleine gebaut; Der erste Prototyp wurde krumm und schief, da man ihn zu früh aus der Form nahm. Man kann schließlich alles selbst. Man ist schließlich wer.

Das ist überall so. Jeder will irgendwie jeden Fehler wiederholen und alles neu erfinden. Dass Fehler gemacht werden können wird nicht in Betracht gezogen, denn in diesem Falle würde man sie ja vorher kennen und man würde sie nicht machen. Man kann eben über den eigenen Horizont nicht hinausdenken.

Für die Vermeidung von Fehlern gibt es kein Geld. Wohl aber für das nachträgliche Abstellen derselben. Damit wird schlampiger Arbeit Vorschub geleistet. Mehr dazu später. Vielleicht kann man den Dunning-Kruger-Effekt auch auf Institutionen erweitern. Oder jemand wollte (wieder einmal) mit Gewalt Geld sparen.

Was im Allgemeinen „nach hinten losgeht“.

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