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3 Folgerungen

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Die von Paulus ausgesprochene Angst vor der jüdischen Gemeinde in Judäa ist eine präzise Wahrnehmung der eigenen Situation, für die folgende Faktoren bestimmend sind:

 Seit dem antiochenischen Konflikt wird die paulinische Mission in Jerusalem und in den Gemeindegründungen im Westen neben jüdischen Interventionen begleitet von judenchristlichen Missionaren, für die eine stärkere Bindung an die Jerusalemer Gemeinde und an den von Paulus weithin nicht mehr geteilten jüdischen Rahmen christlicher Theologie bestimmend ist (Act 13,50; 14,2.19; 15,2; 17,5.13; 18,12; 20,3; 2 Kor 11,5.22; Gal 6,12f. u.ö.).1 Dieser AntipaulinismusAntipaulinismus hat sich im Lauf der Zeit verstärkt. Er tritt in Philippi präventiv (Phil 3,2) bereits vor Eintreffen des Apostels auf und erwartet ihn ebenso bereits in Jerusalem (Act 21,20).

 Oftmals hat Paulus den massiven, gelegentlich sogar für ihn lebensbedrohlichen Gegensatz der jüdischen SynagogalgemeindenSynagogalgemeinden erfahren (2 Kor 11,24–26). Diese Verfolgungen in der Diaspora dürften den jüdischen Gemeinden in Judäa nicht unbekannt geblieben sein, möglicherweise sogar ihre Unterstützung gefunden haben.2

 Im weiteren Vorfeld des jüdischen Kriegs ist in Judäa eine zunehmende Distanzierung gegenüber römischem Einfluss zu beobachten. Man kann annehmen, dass innerhalb der Urgemeinde aufgrund ihrer Scharnierstellung zwischen jüdischer Tempelgemeinde und heidenchristlichen Gemeinden in der Diaspora Kontakte zu Letzteren sehr sorgsam geprüft wurden, um die eigene Stellung nicht zu gefährden.3

 Die Verpflichtung für das Kollektenwerk liegt mittlerweile sieben Jahre zurück. Zwischenzeitlich hat Paulus allenfalls ein einziges Mal Jerusalem besucht (Act 18,22$Apg 18,22), allerdings dann nicht, um die KollekteKollekte abzuliefern. Über den Verbleib der Sammlung in Galatien erfahren wir nichts.4 Die nach Jerusalem mitgeführte Kollekte stammt, wie oben erwähnt, aus den Gemeinden in Makedonien und der Achaia. Sie scheint nicht das Ergebnis einer langjährigen Sammlung zu sein, sondern wurde wohl kurz vor der Abreise in Eile fertiggestellt.5

 Der Stellenwert von Geldgaben innerhalb der antiken Gesellschaft lässt häufig eine soziale und politische Brisanz erkennen. Paulus spielt in Röm 15,26f.$Röm 15,26f. bewusst auf den mit der Geldgabe verbundenen Aspekt der Anerkennung des Gebers durch den Empfangenden an und genauso umgekehrt6. Er stellt aber die Kollekte nicht mehr als Lastenausgleich zwischen Armen und Reichen im Sinne von 2 Kor 8,13f.$2Kor 8,13f. dar. Paulus setzt mithin die Kollektenthematik als Mittel für die Anerkennung seiner Mission ein.7

 Die Darlegung dieser Thematik im Römerbrief kann kaum anders verstanden werden, als dass Paulus darauf baut, dass die römische christliche Gemeinde, möglicherweise auch mit Hilfe der Kontakte zu den römischen Synagogen, sich für ihn in Jerusalem bei der Tempelgemeinde und bei der Urgemeinde einsetzt.8

Über den Verbleib der KollekteKollekte kann man nur spekulieren. Die häufig aufgemachte Alternative „Annahme oder Ablehnung“ ist möglicherweise zu einfach.9 Das Schweigen der Apostelgeschichte deutet doch wohl an, dass sich die Übergabe nicht reibungslos, auf jeden Fall aber nicht im Sinne ihrer ursprünglichen Intention vollzog. Ich halte es für möglich, dass die Aktion zur Auslösung der Nasiräer im Kontext der Kollektenabgabe interpretiert werden kann. Es müsste dies zugleich – und so stellt Act 21,24 es ja auch dar – in der Absicht des Paulus ein letzter Versuch gewesen sein, in Jerusalem seinen rechtgläubigen Standort unter Beweis zu stellen.10

Es ist abschließend die Frage zu stellen: Weshalb entschließt sich Paulus in Abänderung seiner früheren Überlegung (1 Kor 16,1–4$1Kor 16,1–4), die Kollekte jetzt persönlich nach Jerusalem zu bringen, obwohl er um die Gefahren dieser Reise weiß und obwohl sein Missionsplan ihn nach Spanien führt? Wäre „Paulus nicht besser bei seinem ursprünglichen Plan geblieben […], die Reise nach Jerusalem nicht selbst zu unternehmen“11? Weshalb kann die Spanienmission nicht angetreten werden, ohne zuvor persönlich nach Jerusalem gegangen zu sein? Es will scheinen, als hinge die Zukunft der paulinischen Mission an dieser Jerusalemreise. Bei der Beantwortung dieser Frage sind vielleicht „mannigfache Auskünfte von gleicher Wahrscheinlichkeit und Unsicherheit“12 möglich. Meine Vermutung geht dahin, dass einerseits der Verweis auf die Notwendigkeit der Beendigung der Kollekte13 und ihrer „versiegelten“ Übergabe14 in Röm 15,28$Röm 15,28 anzeigt, dass für Paulus die Einlösung der Kollektenverpflichtung zu diesem Zeitpunkt unabdingbare Voraussetzung jeglicher weiterer Missionsarbeit war. Andererseits aber sucht derjenige PaulusTod des Paulus, der den Römerbrief immer mit Blick auf Judäa und Jerusalem geschrieben zu haben scheint15, der vor allem in Röm 9–11$Röm 9–11 eine Antwort auf die für ihn sich als Aporie darstellende Rolle Israels angesichts der Verkündigung des Evangeliums gesucht und gefunden hat, nun auch – nach Jahren – die offene Begegnung mit Israel in Judäa und der Urgemeinde in Jerusalem. Er hat die Hoffnung, dass die Gebete der römischen Gemeinde und die Botschaft des Römerbriefs ihm vorausgehen, dennoch wissend, dass diese letzte Reise unter todesbedrohlichen Vorzeichen steht.

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