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Neue Welt und neues Wissen

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Die Renaissance der ptolemäischen Kartographie führte zu einer Erneuerung geographischer Vorstellungen und trug indirekt zur Entdeckung Amerikas bei. Seit dem 12. Jahrhundert gerieten ältere Weltdeutungen zunehmend in Widerspruch zu realen Erfahrungen. Die Rezeption arabischer Texte (und möglicherweise auch Karten) widerlegte die Zonen-Lehre des Macrobius, der den heißen Äquator für unüberwindbar hielt. Die Klimazonenkarte des vom Juden- zum Christentum konvertierten Petrus Alfonsi (um 1110) veranschaulichte arabische wie hebräische Kenntnisse. Albertus Magnus und Roger Bacon diskutierten im 13. Jahrhundert unter Verweis auf arabische Quellen die Bewohnbarkeit der Äquatorregion. Aber erst die portugiesischen Expeditionen entlang der afrikanischen Westküste führten schließlich zum Abschied vom Diktum der Unpassierbarkeit.

Christoph Kolumbus

Dass die Erkundungen auch in westlicher Richtung erfolgversprechend sein konnten, ließ sich aus Ptolemaios ableiten, der die Ausdehnung der Oikumene von der Iberischen Halbinsel bis nach China mit ca. 180 Grad überspannte. Logische Konsequenz war, dass der zwischen Europa und Asien liegende Ozean nicht übermäßig groß sein konnte und eine Querung zuließ. Zu dieser Erkenntnis gelangte außer Paolo dal Pozzo Toscanelli auch der französische Bischof und Gelehrte Pierre d’Ailly (um 1350–1420), der sich in seiner »Imago Mundi« auf Aristoteles und Averroës berief. Christoph Kolumbus verfügte sowohl über eine Ausgabe von Qhristoph Kolumbus Ptolemaios’ Handbuch als auch über eine gedruckte Version der Schrift d’Aillys, die er eigenhändig mit Kommentaren versah. Die Stelle über die Größe des Atlantiks hielt Kolumbus für so wichtig, dass er sie mit einer Randbemerkung versah. Er selbst ging wohl zeitlebens davon aus, auf seinen vier Überfahrten die Ostküste Asiens erreicht und deren Reichtümer für die spanische Krone erschlossen zu haben. Inwiefern dies auch noch für die um 1500 gezeichnete erste Weltkarte mit den überseeischen Entdeckungen von Juan de la Cosa gilt, der Kolumbus und Vespucci auf einigen Fahrten begleitet haben soll, ist unsicher.

Die Weltkarten an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert dokumentieren einen zunehmend enger werdenden Zusammenhang zwischen den geographischen Erkenntnissen und ihrer graphischen Visualisierung. Zugleich zeigen sie, dass die Transformation antiker Vorstellungen in eine christliche Kartographie und sodann in eine vermessene Geographie mit Anpassungen und Neuinterpretationen einherging. Kartographische Zeugnisse sind keine unveränderlichen Reproduktionen, sondern kulturelle Entwürfe, die sich je nach Wissen und Verständnis, Intention und Zielpublikum wandeln. Dass die Ansichten alter Autoritäten allen Horizonterweiterungen zum Trotz nicht leichtgläubig aufgegeben wurden, verdeutlicht die 1517 dem Sultan Selim I. überreichte Weltkarte des osmanischen Admirals Piri Reis (Re’is, 1470–1554). Das erhaltene Fragment, das den Atlantik, Westafrika, die Iberische Halbinsel und die südamerikanische Küste präsentiert, bezeugt das rege Interesse der muslimischen Weltmacht am christlichen Experiment, einen alternativen Weg zu den Reichtümern Asiens zu erschließen. Gleichwohl greifen Fabelgestalten in Brasilien, darunter ein mit einem Affen tanzender Hundsköpfiger und ein kopfloser Blemmyer, das Bildrepertoire der mappae mundi auf. Denn gleichzeitig mit Entdeckung und Vermessung wanderten auch die Vorstellungen vom exotischen Fremden in die Neue Welt.

wbg Weltgeschichte Bd. III

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