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Islamisierung und imperiale Machtentfaltung

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Islamisierung in Westafrika

In Westafrika war die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts eine durch die Islamisierung gekennzeichnete Zeit des Umbruchs. Noch zur Mitte des Jahrhunderts berichtet al-Bakri in Bezug auf Ghana von einem friedlichen Zusammenleben des Sakralkönigs und seiner mehrheitlich muslimischen – vermutlich einheimischen – Minister, mit den zahlreichen muslimischen Händlern aus Nordafrika, die zwar ihre eigene Stadt bewohnten, aber auch eine Moschee in der Königsstadt besuchen konnten. Zur gleichen Zeit entstand auf der Grundlage des malekitischen Islam unter der Führung ehrgeiziger Stammeshäuptlinge der Sanhadscha-Berber die militante Almoravidenbewegung, die – ausgehend von der Kontrolle der Endpunkte des westlichen Transsaharahandels – ihre Herrschaft von der Sahara zuerst über Marokko und dann über Südspanien ausdehnte. Die Almoraviden übten auch Druck auf Ghana aus, doch die Islamisierung des fest in der Soninke-Bevölkerung verwurzelten Staates erfolgte nicht durch eine Eroberung, wie der sehr viel später schreibende Ibn Chaldun (Khaldūn) mutmaßte, sondern durch einen inneren Machtwechsel, bei dem die muslimische Partei des Hofes, unterstützt von den Almoraviden, die Oberhand gewann. Erst nach dem Tod des Almoravidenführers Abu Bakr ibn Umar (Abū Bakr b. ‘Umar) im Jahr 1087 kam es in Ghana zu einem Umsturz, bei dem der letzte König der Zaghe-Dynastie, Kema Magha, von der gegnerischen Herrschergruppe vertrieben wurde. Unterstützt von den Massufa-Berbern suchte er Zuflucht in Gao und gründete hier unter Berufung auf seine Gleichwertigkeit für die sudanische Welt mit dem Propheten Mohammed die Dynastie der Za, die die vorherige Dynastie der Qanda, die bereits im 10. Jahrhundert zum Islam übergetreten war, ablöste. In Ghana selbst leitete die forcierte Islamisierung unter den Nachfolgern der Zaghe einen politischen Niedergang ein, der auch durch die anschließende „heidnische Reaktion“ der Sosso nicht aufgehalten werden konnte. Das große Ghanareich zerfiel und an seiner Stelle stieg das muslimische Mali weiter im Süden in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zur Großmacht des Westsudan auf.

Das aufstrebende Malireich

Im aufstrebenden Malireich bildete der Islam von Anbeginn eine wichtige Grundlage der imperialen Bestrebungen. Gestützt auf die Malinke dehnten die Keita in der Nachfolge Sundiatas ihre Macht vom Oberlauf des Niger weit nach Norden aus, und um 1300 standen Ghana und der gesamte Nigerbogen unter ihrer Herrschaft. Doch diese Herrschaft war wenig gesichert. Noch 1324 wählte Mansa Musa für seine berühmte Pilgerfahrt nach Mekka den Umweg über Walata, weit westlich von Timbuktu. Erst der große Reisende Ibn Battuta durchquerte zur Mitte des 14. Jahrhunderts auf seiner Rückreise nach Norden Timbuktu und Gao, die zu dieser Zeit offenbar fest in der Hand der Keita waren. Der Weltreisende lobt die im Land herrschende Sicherheit, erwähnt das Amt eines muslimischen Richters in der Hauptstadt und hebt hervor, dass der König persönlich für die gerechte Behandlung der ausländischen Kaufleute eintrat. Gewiss war der Islam nicht nur für die Handelsbeziehungen mit den muslimischen Mittelmeerländern förderlich, sondern lieferte auch eine wichtige Voraussetzung für die Überbrückung der ethnischen Gegensätze innerhalb des Reiches. Doch trotz der tiefen Islamisierung des Landes bildeten die Institutionen des Sakralstaates weiterhin die Basis des imperialen Zusammenhalts. Einen Hinweis darauf liefert Ibn Battuta mit seiner Bemerkung zur großen Bedeutung der Königin in Mali und in anderen Königreichen Schwarzafrikas sowie mit seinen Ausführungen zu dem in seiner Zeit ausgebrochenen Machtkampf zwischen dem König und der Königin. Um 1380 dehnte Mali seine Grenze sogar für eine kurze Zeit bis nach Takedda aus und beherrschte damit ein Gebiet von beinahe 3000 Kilometern Breite vom Atlantischen Ozean bis an den Rand des Aïr. Die kurze Zeit später einsetzenden akuten Zerfallserscheinungen werden zumeist als Folge dynastischer Konflikte interpretiert. Gewiss spielten dabei auch, wie in Ghana und in Kanem, unterschiedliche Auffassungen vom Wert der eigenen Staatstradition gegenüber dem Islam eine wichtige Rolle. Verdrängt aus dem Gebiet des Nigerbogens konnten die letzten Könige der Keita abseits vom transsaharanischen Handel nur am Oberlauf des Niger und am Gambiafluss, wo portugiesische Händler ihre Vasallenkönige antrafen, die Herrschaft der Malinke über ein verkleinertes und nach Südwesten verlagertes Malireich noch zwei Jahrhunderte aufrechterhalten.

Die Sonni- und die Askiya-Dynastie

Die großen Gegenspieler der Keita im Bereich des Nigerbogens waren die Songhai, die sich unter der Führung der Sonni-Dynastie gegen die Unterdrückung durch Mali auflehnten. Nach mehreren kleineren Vorstößen seiner Vorgänger dehnte Sonni Ali (‘Alī, 1465–1492) die Herrschaft der Sonni über das Siedlungsgebiet der Songhai hinaus von Djenné bis an die Grenze Borgus aus und zwang sogar das bedeutende Kebbi-Reich im Osten des Hausalandes in die Tributabhängigkeit. Er verfolgte eine Politik des juste milieu zwischen dem Sakralkönigtum und dem Islam, strapazierte aber die Kampfkraft des kleinen Songhai-Volkes so sehr, dass bald nach seinem Tod eine von dem obersten Heerführer Askiya Muhammad angezettelte und von der Mande-Bevölkerung und den muslimischen Gelehrten der Westprovinzen unterstützte Revolte ausbrach, die die Macht der Sonni beendete und zur Errichtung der stärker islamisch orientierten Herrschaft der Askiya führte. Trotz anschließender territorialer Erfolge wurden damit stillschweigend so grundlegende Institutionen des Sakralkönigtums wie die Bikephalität und die ausgleichende Macht der Königin und der Königinmutter beseitigt, so dass schon bald zerstörerische Machtkämpfe zwischen den Mitgliedern der Askiya-Dynastie ausbrachen. Als es 1591 schließlich einem marokkanischen Expeditionskorps gelang, die Sahara zu durchqueren, wurde das weitaus größere Songhai-Heer bei Tondibi nördlich von Gao nach einer kurzen Schlacht besiegt. Damit war die jahrtausendealte große Staatstradition des Westsudan auf Grund der ungezügelten inneren Machtkämpfe und der dadurch bedingten Vernachlässigung der äußeren Bedrohung durch besser bewaffnete Gegner an ihr Ende gelangt.

Islamisierung in Kanem

In Kanem am Tschadsee verlief die Islamisierung ähnlich und beinahe gleichzeitig. Hier gehörten die ersten zwei muslimischen Könige, die acht Jahre lang herrschten, zu den Zaghawa. Doch offensichtlich war die Hinwendung der stark polytheistisch orientierten einheimischen Könige zum Islam nicht glaubwürdig genug, denn um 1068 ergriff mit Hume ein Mitglied der Sefuwa die Macht, die sich als Nachfolger biblischer Patriarchen betrachteten. Es handelte sich dabei nicht um einen gewalttätigen Umsturz, sondern im Rahmen der Bikephalität (Doppelkönigtum) um die Verlagerung der Macht von der Erst- auf die Zweitdynastie. Dieser Machtwechsel von einer Herrschergruppe auf die andere zog keine gravierenden Konsequenzen nach sich, solange die Zaghawa als indigene Gruppe weiterhin eine wichtige kultpolitische Rolle im Staat spielten. Anders als in Ghana, wo die Radikalität der neuen Machthaber die Zaghe zur Flucht zwang, bewahrten die Sefuwa ihre Sakraltradition zunächst von einer zu starken Islamisierung. Das hatte den Vorteil, dass der unter dem Deckmantel des Islam fortbestehende Mune-Kult die Machtgelüste der neuen Herrschaftselite in Grenzen hielt.

Dunama Dibalemi – Herrschaftssicherung

In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts stand Kanem auf dem Höhepunkt seiner Macht: Es beherrschte zu dieser Zeit im Osten das weite Gebiet vom Tschadsee bis an die Grenze des Darfur, im Norden die zentrale Sahara bis in die Nähe des Mittelmeeres und im Westen weite Teile des Hausalandes. In dieser Zeit gelang es Dunama Dibalemi (1203–1242), dem König von Kanem, die kamelreitenden Berber in sein Reich einzugliedern und sie zu islamisieren. Erst als Dunama seine Islamisierungspolitik auf die Spitze trieb, indem er den Mune zerstörte, zerbrach die staatliche Einheit: Die Tubu lösten einen siebenjährigen Aufstand im Grenzbereich der Savanne und der Wüste aus und die Bulala begannen eine lang andauernde Revolte, die letztlich um 1380 mit Unterstützung der aus dem Osten eingewanderten Araber zur Vertreibung der Sefuwa aus Kanem und ihrer Festsetzung in der Westprovinz Bornu führte. Als die Sefuwa hier ihre Macht erneut konsolidierten, maßen sie der vorislamischen Staatstradition, wie aus der Errichtung eines eigenen Palastes für die Königinmutter außerhalb der Hauptstadt Birni Gazargamo zu ersehen ist, weiterhin eine große Bedeutung bei. Im Gegensatz zu den Askiya in Songhai beobachteten Idris Alauma (1564–1596) und seine hohen Staatsbeamten die Entwicklungen im Norden, insbesondere die Expansion der Osmanen, mit Sorge. Zwar konnten sie den Verlust der Stützpunkte im Fessan nicht verhindern, aber dank der Ausrüstung einer Heerestruppe mit Feuerwaffen sicherten sie die Herrschaft der Sefuwa über die Oasen des Kawar und erreichten die friedliche Fortführung des Karawanenhandels über die für Bornu lebensnotwendige transsaharanische Route. Erst der Sturz der Sefuwa und die Übernahme der Macht durch die Kanemi-Dynastie in der Mitte des 19. Jahrhunderts bewirkten in Bornu eine verstärkte Abkehr von den Überresten der sudanischen Sakralherrschaft und damit eine Vertiefung des Islam.

Verquickung von Religion und Sklavenhandel

Über die großen Sudanreiche hinaus nach Süden waren der Ausdehnung des Islam auf Grund der Verquickung der Religion mit dem Sklavenhandel enge Grenzen gesetzt. Im Gegenteil, der transsaharanische Handel wirkte sogar als Hemmnis für die weitere Expansion des Islam, denn die große Nachfrage der islamischen Welt nach Sklaven hatte eine Intensivierung der Sklavenrazzien durch die muslimischen Sahelstaaten zur Folge. Zwar förderte der Islam durch das Verbot der Versklavung von Muslimen die Solidarität zwischen den Muslimen verschiedener Volkszugehörigkeiten, aber die Notwendigkeit, für den ständigen Nachschub von Sklaven zu sorgen, schränkte auch die Bereitschaft der muslimischen Eliten stark ein, die Verbreitung des Islam unter den „heidnischen“ Nachbarvölkern zu unterstützen. Damit erwies sich der transsaharanische Handel mit der Außenwelt als Hindernis für den friedlichen Warenaustausch mit den Nachbarvölkern des Südens und führte so zu einer weitgehenden Verfeindung zwischen muslimischen und „heidnischen“ Völkern. Nur in Fällen einer Verlagerung der Sklavenbeschaffung auf abhängige Vasallenstaaten drang der Islam weiter ins Landesinnere vor und erweiterte damit die Zone der relativen Sicherheit. So zeichnete sich in den Hausastaaten, trotz der Oberherrschaft von Kanem-Bornu, in Folge der Konversion der Eliten zum Islam ab dem 14. Jahrhundert ein bemerkenswerter Aufschwung von Handwerk und Handel ab, bei dem die Sklaverei eine wichtige, aber keine entscheidende Rolle spielte.


Große Moschee von Djenné (Mali). Lehmziegelbau mit Lehmverputz.

Das christianisierte Nubien

Im Bereich des Niltals stieß der Islam auf keinen Sakralstaat, sondern auf die zuvor christianisierten nubischen Reiche. Die Beziehungen zwischen dem muslimischen Ägypten und seinem christlichen Nachbarn im Süden blieben bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts weitgehend friedlich. Thronstreitigkeiten und Auseinandersetzungen zwischen den Mitgliedern der königlichen Familie von Dongola, der Hauptstadt von Makurra (Makuria), gaben den Mamluken schließlich die Gelegenheit zum Eingreifen in die nubische Politik. Im Verlauf dieser Konflikte bildete sich zudem am Hof von Dongola eine muslimische Partei, die den Mamluken besonders nahestand. Die wiederholten militärischen Expeditionen aus Ägypten, die in ihrem Gefolge auch arabische Nomaden als Hilfstruppen ins Land brachten, führten 1323 zur endgültigen Islamisierung der Herrscher von Dongola und damit zur Auslöschung des nubischen Christentums. Sie waren auch der Auslöser für massive arabische Einwanderungen und damit der Arabisierung des östlichen Sudan.

Die Staaten weiter im Inneren des Kontinents lagen lange Zeit außerhalb der Reichweite des Islam und zumeist auch der verheerenden Sklavenrazzien. Dazu gehören in Westafrika die Mossi- und die Yoruba-Staaten, die Reiche Nupe, Jukun und Benin, in Nordostafrika der Staat Kaffa und im Seengebiet Ostafrikas die Tutsi-Reiche Ankole, Ruanda und Burundi sowie Bunyoro und Buganda. Abseits vom Weltgeschehen und wenig berührt von überregionalen Handelsströmen verlief ihre Geschichte in friedlicheren Bahnen, und der Wandel folgte lange Zeit lokalen Faktoren, die sich einem einheitlichen Gesamtbild entziehen.

Straff organisierte Königreiche

Als die Portugiesen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auf der Suche eines Seewegs nach Indien sich langsam an der West- und Südküste Afrikas entlangtasteten, entdeckten sie im Hinterland der zuvor unbefahrenen Küsten straff organisierte Königreiche und nach Marktprinzipien orientierte, fest gewobene regionale Handelsnetze: das Reich Jolof zwischen dem Senegal und dem Gambia, die Westprovinzen des Malireiches südlich des Gambia, die Ausläufer des Jula/Wangara-Handelsnetzes in Elmina an der späteren Goldküste, das Benin-Reich westlich der Nigermündung, das Kongo-Reich südlich der Kongomündung, das Ndongo-Reich im heutigen Angola und das Reich des Monomotapa im heutigen Zimbabwe. Von Sofala, dem Hafen des Goldhandels mit Monomotapa, weiter nach Norden segelnd fanden sie die blühenden Handelsstädte der Swahili. Sie waren beeindruckt von der Vielfältigkeit des zivilisierten Lebens, die ihnen in den vorher unzugänglichen Gebieten weitab von den großen Kulturen der gemäßigten Breiten begegnete.

Auch in der heutigen Zeit spielen die vielerorts weiter bestehenden traditionellen Staaten Afrikas angesichts des fortschreitenden Zerfalls der von den Kolonialmächten errichteten modernen Staaten noch eine wichtige stabilisierende Rolle. Da mit der Ausnahme von Swasiland die in einigen Fällen in der Kolonialzeit versuchten Synthesen von traditionellen und modernen Staaten – wie in Ruanda, Burundi, Uganda, Madagaskar und Äthiopien – durch die modernen Machthaber aufgelöst wurden, handelt es sich dabei jeweils nur um kleine territoriale Einheiten. Innerhalb der schwachen modernen Staaten erweisen sich jedoch die sich langsam modernisierenden traditionellen Königreiche als erstaunlich resistent gegen staatliche Zerfallserscheinungen. Im Verlauf ihrer jahrtausendealten Geschichte haben sie so tiefe Wurzeln in der Bevölkerung geschlagen, dass sie als Faktoren der lokalen Identität kaum mehr wegzudenken sind.

wbg Weltgeschichte Bd. III

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