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Die „Weltreligionen“ zwischen 600 und 1500

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Zeitgrenzen

In welchem Sinne auch immer man „Weltreligionen“ verstehen mag, gemeinsam ist ihnen, dass ihre geographischen Wurzeln in Asien liegen. Gemeinsam ist ihnen auch, dass ihre historischen Ursprünge deutlich vor das 7. Jahrhundert zurückreichen und sie somit zu Beginn des hier behandelten Zeitraums schon eine längere intellektuelle und institutionelle Entwicklung durchlaufen hatten. Eine Ausnahme bildet allein der Islam, der gewissermaßen als Nachzügler der achsenzeitlichen Transformationen zu Beginn des 7. Jahrhunderts auf der Arabischen Halbinsel entstand. Die Verkündigungen Mohammeds in den Jahren nach 600 markieren insofern ein für die globale Religionsgeschichte signifikantes Ereignis, als die daraus erwachsene Religion im folgenden Jahrtausend eine beispiellose Expansionsdynamik entfaltete, deren Folgen in Asien viel weitreichender und sichtbarer waren als in Europa. Die Ausbreitung des Islam veränderte nachhaltig die religiöse Landschaft der Alten Welt und ist die für die Weltgeschichte der Religionen entscheidende Neuerung der Zeit zwischen 600 und 1500. Weniger deutlich als der Beginn dieses Zeitraums lässt sich religionsgeschichtlich sein Ende markieren, wenn wir Asien in den Blick nehmen. Aus europäischer Sicht erscheinen die Reformation im 16. Jahrhundert und die darauf folgende Diversifizierung des westeuropäischen Christentums als signifikante Neuerungen, in Asien dagegen blieben die religionsgeschichtlichen Folgen der neuzeitlichen Transformationen Europas bis zum 19. Jahrhundert marginal. Die im 16. Jahrhundert einsetzende globale Mission des lateinischen Christentums brachte zunächst keine nachhaltigen Erfolge in Asien, und erst die Verbindung von europäischem Kolonialismus und christlicher Mission wurde zum Auslöser sichtbarer religiöser Reaktionen in vielen asiatischen Gesellschaften. Das Jahr 1500 kann daher nur vor dem Hintergrund der europäischen Geschichte für den Beginn einer neuen Epoche stehen.

Kulturelle Kontakte

Für die europäische Religionsgeschichte bedeutet die Neuzeit den Beginn einer über die Grenzen Europas hinausgehenden Expansion der westeuropäischen Formen des Christentums. Die wirtschaftliche, technologische, militärische und intellektuelle Dynamik führte zu einem Ausbruch der westeuropäischen Zivilisation aus der regionalen Begrenztheit, die seit dem frühen Mittelalter bestanden hatte. Im Zeitraum zwischen 600 und 1500 – dem europäischen Mittelalter – war Europa religiös isoliert, im Westen durch den Atlantik, im Osten und Süden durch die islamische Welt. Die religiösen Kontakte mit dem Islam waren geprägt von politischem Antagonismus, und die asiatischen Religionen jenseits des Islam waren für Europa verschlossen. Im Unterschied zur christlichen Zivilisation Europas waren die großen Zivilisationen Asiens – die islamischen Reiche Westasiens, Indien und Ostasien – kulturell nicht isoliert, sondern standen in Kontakt miteinander. Transkontinentale Handelswege führten vom Mittelmeer über Zentralasien bis in die chinesische Hauptstadt Chang’an, und im Süden segelten arabische Seehändler nach Indien und Südostasien bis zur Küste Südchinas. Chang’an war während der Tang-Dynastie (618–907) eine kosmopolitische Metropole, in der sich Händler, Gesandte, Kleriker, Künstler und Gelehrte aus aller Herren Länder trafen: aus Persien, Arabien und Syrien ebenso wie aus Indien, Zentralasien, Korea und Japan. Es bestand ein reger kultureller Austausch, und neben dem Buddhismus fanden auch andere Religionen ihren Weg nach China. Kosmopolitisch ging es auch in den Handelszentren entlang der Seidenstraße und des islamischen Westens zu, wo sich Muslime, Juden, Christen, Buddhisten und Manichäer begegneten. Auf den Schiffen im Indischen Ozean reisten Araber, Perser, Inder, weiter im Osten auch Malaien und Chinesen.

Auseinandersetzungen

Nicht alle Formen des kulturellen Kontaktes waren jedoch friedlich. Die engen Verbindungen der Tang-Dynastie nach Zentral- und Westasien wurden durch Eroberungen befördert, durch die das chinesische Reich im 8. Jahrhundert seine militärische Kontrolle im Westen bis nach Transoxanien und Sogdien ausweiten konnte. Im Jahre 751 kam es am Fluss Talas zu einer Schlacht zwischen chinesischen Truppen und einem Heer des Abbasidenkalifats, die mit einer chinesischen Niederlage endete und die das Vordringen des Islam in Zentralasien markiert. Von dort aus unternahmen muslimische Truppen seit dem 10. Jahrhundert auch Vorstöße in den Norden Indiens, wo sich zu Beginn des 13. Jahrhunderts eine türkisch-muslimische Oberherrschaft etablierte. Etwa zur gleichen Zeit formierte sich in Zentralasien die Militärmacht der unter Dschingis Khan (gest. 1227) geeinten Mongolen. Ihre Eroberungen schufen ein Weltreich, das sich Ende des 13. Jahrhunderts von China bis nach Westasien und Osteuropa erstreckte. Die damit geschaffene Pax Mongolica gab dem Austausch von Waren und Ideen zwischen Ost und West neuen Auftrieb. Über die sicheren Handelswege gelangten auch Europäer bis nach China, darunter katholische Missionare. Der italienische Franziskaner Johannes von Montecorvino erbaute 1299 in Peking eine Kirche und wurde 1307 zum Erzbischof und Patriarchen des Ostens ernannt. Die katholische Mission hatte jedoch keinen dauerhaften Erfolg; dagegen konnte sich der Islam unter der Herrschaft der mongolischen Yuan-Dynastie (1271–1368) durch die Einwanderung zahlreicher Muslime in China als Minderheitenreligion etablierten.

Herausbildung dreier religiöser Regionen

Zur Zeit des europäischen Mittelalters war Asien also ein religiös heterogener Erdteil, dessen kulturelle Zentren mit ihren religiösen Traditionen durch transkontinentale Kontakte verschiedener Art miteinander kommunizierten. Andererseits waren die großen Kulturregionen in West-, Süd- und Ostasien weit größer als Westeuropa insgesamt und wiesen deshalb eine erhebliche Binnendifferenzierung auf. Die Unterschiede zwischen den kosmopolitischen Handelszentren und dem agrarischen oder nomadischen Hinterland waren enorm, nicht nur was materiellen Reichtum betrifft, sondern auch hinsichtlich der Kommunikation mit der Außenwelt. Doch veränderte sich während dieser Zeit auch das religiöse Leben außerhalb der kulturellen Zentren durch die Expansion des Islam und des Buddhismus. Mit der Ausdehnung des islamischen Herrschaftsbereichs wurden die meisten Völker Zentralasiens muslimisch und auch in Nordindien fasste der Islam Fuß. Das Vordringen des Islam bedeutete zugleich das Ende des Buddhismus in Indien und Zentralasien. Dafür expandierte der Buddhismus weiter nach Osten, nach Korea und Japan, und auch Tibet wurde buddhistisch. Bis zum Ausgang des europäischen Mittelalters bildeten sich so drei große religiöse Regionen in Asien: das islamisch geprägte West- und Zentralasien, das hinduistische Südasien und das durch den Mahayana-Buddhismus geprägte Ostasien. Welthistorisch von geringerer Bedeutung sind in dieser Zeit Sri Lanka, Südostasien und die malaiische Inselwelt, die religiös durch den Hinayana-Buddhismus und hinduistische Einflüsse geprägt wurden.

Im Folgenden werden sich die Ausführungen auf die Religionsgeschichte Süd- und Ostasiens konzentrieren; auf den Islam wird nur am Rande eingegangen, weil diese Religion in einem anderen Kapitel dieses Bandes (S. 117ff.) gesondert behandelt wird.

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