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Experiment:
Ein Bier nach dem Rezept von Göttin Ninkasi

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Einige zentrale Fragen lässt der Hymnus an Ninkasi jedoch offen. Was genau passiert mit dem Sauerteig? Wann wird er mit dem Sud vermischt? Wie und zu welchem Zeitpunkt wird die Keimung des Getreides gestoppt? Auch Genaueres über den Gärungsprozess und das Aroma des Bieres erfahren wir nicht. Die archäologisch überlieferte Sachkultur ist an dieser Stelle aufschlussreich. Von zentraler Bedeutung erweisen sich die Ausgrabungen in der im heutigen nördlichen Syrien gelegenen Stätte Tall Bazi. Bierbrauen muss hier zu einer späteren Zeit als im Hymnus an Ninkasi, nämlich etwa 1300 Jahre v. Chr. in großem Umfang stattgefunden haben. Die Archäologen fanden einen großen Bottich von ca. 200 Litern Fassungsvermögen. Außerdem stießen sie auf Gefäße mit einem Loch im Boden von 90 bis 110 Litern Volumen, die in privaten Wohnhäusern in einer bestimmten Anordnung in den Boden eingelassen waren. Über die Rückstände von zweireihiger Gerste und Hefe an den Wänden der Gefäße konnten sie eindeutig der Produktion und Lagerung von Bier zugeschrieben werden. Auch kleinere Gefäße mit Bierrückständen und Getreidemühlen legen nahe, dass die Bierbrauerei einen festen Bestandteil der Hauswirtschaft dieser Zeit bildete.23

In einem Experiment versuchten die Experten für Brautechnologie der Technischen Universität München um Martin Zarnkow, gemeinsam mit den Archäologen, den Brauvorgang auf der Grundlage der Funde von Tall Bazi vor Ort zu rekonstruieren.24 Ausgehend von den lokalen klimatischen Verhältnissen, den Rückständen in den Gefäßen und dem Hymnus an Ninkasi wurde zunächst zweireihige Gerste für vier Tage in Tontöpfen gewässert. Das gekeimte, feuchte und nicht lagerfähige Grünmalz wurde für die sofortige Weiterverarbeitung auf den flachen Dächern der Siedlung ausgebreitet und unter der Sonne bei Temperaturen bis zu 60 °C gedarrt. Eine Röstung über Feuer gilt aufgrund des Mangels an Brennstoff in der Region als ebenso ausgeschlossen wie ein Maischvorgang über offener Flamme. Dafür sprechen auch die fest im Boden vergrabenen großen Töpfe. In ihnen wurde vermutlich der Sud aus dem mit einem Mahlstein gemahlenen, gedörrten Malz, bei natürlichen Temperaturen um 34 °C etwa 15 Minuten kalt eingemaischt. Eine Zufuhr von Hefe – ursprünglich wohl in Form lokaler wilder Hefen oder des hefehaltigen Maischeschaums eines vorherigen Bieres – führte binnen 36 Stunden bei einer Temperatur von 24 °C in den relativ kühlen Häusern von Tall Bazi zu einem trinkbaren Bier.25

Heute fiele es uns wohl schwer, das Getränk nach dem Rezept der Göttin Ninkasi, hergestellt mit den Methoden von Tall Bazi, tatsächlich als Bier zu erkennen. Das Ergebnis des Brauversuchs bestand in einem trüben, brotigen Bier mit einem sehr niedrigen Alkoholgehalt von lediglich 1,6 %. Ein geringer PH-Wert von 3,9 hemmt die Keime immerhin so weit, dass es unter günstigen Bedingungen zumindest zwei Monate lagerfähig gewesen wäre.26 Mangels effizienter Filterung schwammen wohl auf seiner Oberfläche noch zahlreiche Getreiderückstände, Spelz und auch Partikel der obergärigen Hefe. Peter Damerow zufolge ist es fraglich, inwieweit damalige Lebensmittel in ihrer Stofflichkeit überhaupt mit heutigen vergleichbar sind. Es besteht die Gefahr, die in den sumerischen Quellen verwendeten, teils schwer verständlichen Begriffe durch die Brille der modernen Brautechnik zu lesen. So würden Zutaten und Brauschritte in die Texte hineingelesen, die den Sumerern womöglich unbekannt waren. Damerow zeigt sich zudem skeptisch bezüglich des Tall Bazi-Bieres und geht davon aus, dass es wohl eher mit dem vergorenen russischen Brottrunk Kwas vergleichbar war als mit einem modernen Pils oder Lagerbier.27

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