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Professionell und verstaatlicht:
Ägypten rationalisiert sein Brauwesen

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Unser Wissen über die Bierkultur verdichtet sich in der Spätzeit der altägyptischen Reiche ab etwa 664 v. Chr. und besonders in der hellenistischen Ptolemäischen Epoche der letzten drei Jahrhunderte vor der Zeitenwende. Die sich verändernde Bierkultur spiegelt dabei umfassende Veränderungen im ägyptischen Staatswesen und in seinen Beziehungen zu den Nachbarnationen wider. Die Gesellschaft wurde neu geordnet, traditionelle Vorstellungen und Lebensweisen wurden sukzessive abgestreift. Das Maat gerät unter dem Druck des kulturellen Austausches ins Wanken.

Von entscheidender Bedeutung für die kleine Globalisierung der ägyptischen Kultur während des 1. vorchristlichen Jahrtausends erwiesen sich die Verlagerung des Machtzentrums in das mittelmeernahe Sais, der Aufbau einer Flotte mit zahlreichen griechischen und phönizischen Söldnern und besonders die Eroberung des Landes durch die Perser nach der Schlacht bei Pelusion im Jahre 525 v. Chr. Noch tiefgreifendere Umwälzungen im Bereich des Handels und der Ernährungskultur erfassten Ägypten nach der Eroberung durch Alexander den Großen im Jahr 332 v. Chr. und der damit einhergehenden direkten Anbindung an den griechischen Kulturraum, bevor das Land ab 30 v. Chr. als Provinz Aegyptus zur Kornkammer des Römischen Reiches wurde.32

Die Veränderungen spiegeln sich in der zunehmenden Konkurrenz von Bier und Wein innerhalb der altägyptischen Gesellschaft. Wenngleich Wein durch die frühesten schriftlichen und archäologischen Quellen für Ägypten vielfach belegt ist, war Bier quer durch die Jahrhunderte das Getränk Nummer Eins in breiten Bevölkerungsschichten. Die Gründe liegen in den klimatischen und geographischen Bedingungen des Alten Ägypten, die vor allem den Anbau von Getreide ermöglichten. Weinbau stellte dagegen nur eine regionale Landwirtschaft im Norden des Landes, nahe des Nildeltas dar. Als entsprechend kostbar galt daher Wein. Wein war das Getränk begüterter Schichten, das bei herausragenden religiösen Festen konsumiert wurde. Ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. änderte sich das Bild.

Besonders durch den Handel mit dem griechischen Kulturraum und der späteren direkten Anbindung durch die Ptolemäer etablierte sich die Weinkultur über den Nilhandel immer stärker auch in anderen Teilen des Landes.33 Athenaios von Naukratis (Ende 2./Anfang 3. Jh.) zitiert den Gelehrten Dio von Alexandria (1. Jh. v. Chr.) in seinem Werk Deipnosophists I, 34B mit den Worten:

„Die ägyptische Oberschicht war dem Wein sehr zugetan und trunksüchtig; also wurde ein Weg gefunden, denen, die sich keinen Wein leisten konnten, Abhilfe zu schaffen, nämlich, jenes aus Gerste Hergestellte zu trinken; diejenigen, welche es tranken, waren so beschwingt, dass sie sangen, tanzten und sich in jeder Hinsicht wie mit Wein gefüllte Personen verhielten.“34

Dennoch blieb Ägypten bis in die römische Zeit ein Land des Bieres. Von Pelusium, einer Stadt am östlichen Nilarm, versorgte Ägypten den gesamten Mittelmeerraum und Vorderen Orient, in späterer Zeit sogar Rom, mit Bier. Gleichzeitig schienen die Ägypter auch Durst auf fremde Biere zu haben. So bildete Pelusium in der Spätzeit des Reiches den zentralen Hafen für Bierimporte aus Kleinasien.

Mit der ptolemäischen Herrschaft über Ägypten ging eine weitere Professionalisierung einher. Das Brauwesen der Zeit wurde verstaatlicht und steuerlich reguliert. Anhand der in Kupfer bezahlten Steuerbelege der größeren Brauereien werden die gewaltigen Produktionsmengen der ägyptischen Spätzeit offenkundig. In Ptolemäischer Zeit etablierte sich zudem eine hierarchische und gewerbsmäßige Organisation der Brauberufe. Neben dem bereits erwähnten „Hefemacher“ stoßen wir auf die Bezeichnungen zytopoios (Brauer) oder zytopolion (Bierhändler). Hohe Beamte im Bereich des korporativ organisierten Brauwesens waren auch der „Inspektor der Brauerei“ oder der „Königliche Bierinspektor“.35

So viel Begeisterung für einen vergorenen Gerstensaft stieß in der griechischen Kultur und später auch bei den Römern auf Verwunderung. Der bedeutendste Historiker der griechischen Antike, Herodot von Halikarnassos (490–424 v. Chr.), schreibt in seinem Hauptwerk Historien über die Ägypter: „Da sie keine Weinstöcke im Land haben, trinken sie einen aus Gerste hergestellten Wein.“36 Es überrascht daher nicht, dass das ägyptische Bier in dieser Epoche der Regulierung, Neuordnung und gegenseitigen kulturellen Durchdringung auch seinen Namen erhält. Im Wortbestandteil zythos, der stets in Verbindung mit den Berufen des Brauwesens auftaucht, verbirgt sich ein Begriff für „schäumen“. Zuerst stoßen wir bei Theophrastos von Eresos (371–287 v. Chr.), einem Schüler des Aristoteles, auf diesen Namen. Er bezeichnet damit „jene Getränke, welche aus faulenden Früchten zubereitet wurden, wie jene hergestellt aus Gerste und Weizen“.37 Während der hellenistischen Epoche geriet der Begriff zythos zum Wort für das ägyptische Bier schlechthin. Wir benutzen es auch heute noch. Denn die Wurzel zyme (Bier-Sauerteig) findet sich im heutigen Begriff Enzym wieder.38

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