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Brotbier aus Strohhalmen:
Die ägyptische Sortenvielfalt

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Zu den wichtigsten Quellen zählen die Überreste von Bier in Krügen oder Schüsseln. Durch sie lassen sich die Art des Bieres und die am weitesten verbreiteten Brauprozesse im Alten Ägypten rekonstruieren. Im trockenen Klima der Region werden organische Stoffe gut erhalten. Unter dem Elektronenmikroskop offenbart sich, welche Getreidearten, Hefen und Stärken Verwendung fanden. Wird Stärke in Wasser erhitzt, schwellen die einzelnen Partikel an, verschränken sich und gehen ineinander auf. Ist nicht genug Wasser gegeben, schwellen die Stärkepartikel zwar auch an, lösen sich aber nicht komplett auf. So erlaubt die individuelle Struktur und Form der Stärke Rückschlüsse auf die einzelnen Schritte des Brauvorganges und die Vorbereitung des Korns.

Über die Auswertung von Rückständen in über 200 Tongefäßen aus den Arbeitersiedlungen von Deir el-Medina und Amarna konnte die britische Bioarchäologin Delwen Samuel den Brauvorgang in der Zeit von etwa 1550 v. Chr. bis 1307 v. Chr. rekonstruieren.22 So bestand der erste Schritt des altägyptischen Brauprozesses darin, eine Menge an Korn – in der Regel Emmer, Gerste oder beides – zu teilen. Der eine Teil der Getreidesamen wurde in Wasser zum Keimen gebracht, um so die im Korn enthaltenen Enzyme zu aktivieren. Der andere Teil wurde gekocht, was die Stärke im Korn löste. Im zweiten Schritt wurden die beiden Produkte miteinander vermischt. So hatten die Enzyme des gekeimten Getreides ideale Bedingungen, um die durch das Kochen bereits gelöste Stärke des anderen Getreideteils in Zucker zu verwandeln. Dieses Verfahren eignet sich besonders gut für Umgebungen, in denen die Temperatur während des Brauvorgangs nicht exakt reguliert werden kann und die Stärkeumwandlung dadurch leiden konnte.23

Der nächste Schritt sah vor, die verzuckerte Flüssigkeit zu sieben, um so die Spreu aus dem Sud zu filtern. Der Sud selbst vergärte unter Zugabe von Hefe.24 Die Hefestarterkulturen gewann man womöglich aus dem Schaum eines vorherigen Sudes. Eine Spontanvergärung scheint aufgrund der Menge und Reinheit der Heferückstände in den untersuchten Gefäßen unwahrscheinlich.25 Das trinkbare Ergebnis bestand wohl aus einem verhältnismäßig trüben Bier mit Ablagerungen von Spreu und winzigen Hülsenfasern.26

Der Brauvorgang, wie ihn Delwen Samuel auf der Basis mikroskopischer Untersuchungen rekonstruiert, ist nicht unumstritten. Gemessen an dem langen Zeitraum von über 4.000 Jahren, den die ägyptische Kultur umfasste, ist nicht ausgeschlossen, dass parallel unterschiedliche Brauverfahren oder Biertypen in Gebrauch waren.

Hinweise darauf, dass sich die Bierkultur des Alten Ägypten wesentlich ausdifferenzierter gestaltete, als es mikroskopische Einzelbefunde vermuten lassen, finden sich auch in der künstlerischen Ausgestaltung von Architektur wie Grabmälern oder Tempelanlagen.27 Zu den frühesten Inschriften zählen die Grabsprüche in den Pyramiden von Sakkara, die bis in die Zeit um 2380 v. Chr. zurückführen. Sie beschäftigen sich minutiös mit der Versorgung der verstorbenen Pharaonen im Jenseits und unterscheiden dabei eine Reihe von Bieren: „dunkles Bier“ etwa, „eisernes Bier“, das „Bier eines Freundes“ oder das „Bier eines Beschützers“. Die Verwendung von gewürzten und mit Zusatzstoffen versetzten Bieren, wie sie bei religiösen Festen gebräuchlich waren oder aus den Brauereien von Hierakonpolis bekannt sind, legt nahe, dass es sich hier tatsächlich um unterschiedliche Sorten handeln könnte.

Auch skulpturale Kunstwerke wie die Miniatur-Brauerei aus dem Grab von Meketre und die stete räumliche Verbindung von Bäckereien und Brauereien legen alternative Brautechniken nahe, die – ähnlich den mesopotamischen Techniken – auf halbgebackenem Brot basieren.28 So gehen konventionelle Forschungsmeinungen von einem Brauprozess aus, der auf Sauerteigfladen als Starter setzte.29 Den Teigling buk der Brauer in einem Ofen nur leicht an, um die enthaltenen Hefekulturen nicht durch zu große Hitze zu zerstören. Im Anschluss zerbröselte man die angebackenen Brotlaibe und spülte sie über Siebe in Bierbehälter. Dort vergärte das Brotbier dank der Hefe im Teig. Eine weitere Quelle für Hefe und Aroma bestand womöglich in der Zugabe von Dattelmus, dessen Zucker zugleich einen Nährstoff für die Alkoholproduktion bildete. Nach der Abfüllung in mit Ton versiegelte Gefäße gärte das Bier noch einige Tage nach und klärte sich während dieser Zeit auch. Getrunken wurde es mit einem Strohhalm. Das Ergebnis dieses Verfahrens wird ein trübes Bier mit teils sämiger Konsistenz gewesen sein, dessen Alkoholgehalt je nach Lager- und Gärdauer erheblich schwanken konnte. Die Biersorten, die dem altägyptischen Getränk dieser Brauweise heute am nächsten kommt, sind wohl die nährstoffreichen sudanesischen und südägyptischen Bouza-Biere30, die nach nahezu identischer Brautechnik aus halbgebackenem, angefeuchteten Bierbrot gefiltert und vergoren werden.

Ein Problem in der Interpretation von Grabbeigaben oder Wandmalereien besteht darin, dass sie durch die Brille der modernen Brautechnik interpretiert werden. Das kann zu Missverständnissen führen. Zum anderen vermitteln die erhaltenen Kunstwerke zum überwiegenden Teil lediglich einen Blick auf die Bierkultur der gehobenen Bevölkerungsschichten und Trinkgewohnheiten während religiöser Zeremonien oder Begräbnisfeierlichkeiten. Inwieweit diese Darstellungen auf die breite Bierproduktion zu übertragen sind, muss kritisch beleuchtet werden.31

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