Читать книгу Das Buch der Farben - Max J. Kobbert - Страница 20

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3 Farbe als Energie

Die Plasmafäden in der Teslakugel bewegen sich wie die Tentakel eines Lebewesens.


23 : Das Prisma war entscheidendes Instrument für die Farbforschung.

Warum blieb Goethes Wand weiß?

Um das Jahr 1670 machte Isaak Newton ein Experiment von großer Tragweite. Bis auf einen schmalen Spalt hatte er den Raum abgedunkelt. In das einfallende Sonnenlicht hielt er ein Prisma. An der Wand erschien ein Band reiner Farben, das Spektrum. Newton unterschied darin Rot, Orange, Gelb, Grün, Cyanblau, Indigoblau und Violett.

Er schloss daraus, dass sich das weiße Licht aus Anteilen zusammensetzt, die als Farben wahrgenommen werden. Führte er sie mittels einer Linse zusammen, so ergab sich wieder Weiß.

Als sein Widersacher entwickelte sich 120 Jahre später Goethe, der nicht nur Dichter, sondern auch Naturforscher war. Um 1790 betrachtete er eine weiße Wand durch ein Prisma in der Erwartung, dass sie gemäß Newton nun farbig sein müsse. Stattdessen blieb die Wand weiß, woraus Goethe schloss, dass Newtons Lehre falsch sei.


24 : Beim Blick durch ein Prisma auf eine Hell-Dunkel-Grenze erscheinen Farben.

Wohl aber beobachtete Goethe beim Blick durch das Prisma an der Grenze zwischen schwarzen und weißen Flächen Farben. Er entwickelte eine Farblehre, die er selbst für bedeutsamer als alle seine Dichtungen hielt. Die Farben der Kantenspektren interpretierte er als Mischungen von Weiß und Schwarz in Fortführung antiker Anschauungen, wie sie etwa in Platons Timaios dargestellt werden.

Die Vorstellung, dass stattdessen Weiß etwas Gemischtes sein solle, widersprach seiner Auffassung so grundsätzlich, dass er einen Großteil seiner Farbenlehre der Polemik gegen Newton widmete.

Seine Beobachtung am Prisma, dass eine weiße Wand nicht farbig wird, lässt sich mit Newton jedoch leicht erklären: Es kommt zur Überlagerung zahlloser Einzelspektren, die insgesamt wieder Weiß ergeben.

Goethe war daran gelegen, alles aus dem unmittelbar sinnlich Gegebenem abzuleiten. Heutzutage ist es selbstverständlich, davon auszugehen, dass die physikalische Realität etwa bei atomaren Vorgängen sich der direkten Sinneserfahrung entzieht. Die heutige Technologie wäre nicht entwickelt worden ohne schlüssige Theorien über die mikrokosmische Wirklichkeit einschließlich der Vorgänge, die mit dem Licht zusammenhängen.

Goethe aber gab den Erscheinungen absoluten Vorrang. Weiß erscheint nicht zusammengesetzt, also ist es nicht zusammengesetzt. Er betrieb, was man die phänomenologische Methode nennt. So wichtig diese Methode ist – hier werden ihre Grenzen erkennbar. Sie liegen dort, wo es notwendig ist, die außerhalb der Sinneserfahrung gelegenen Reizbedingungen herauszufinden und sie dem Wahrgenommenen gegenüberzustellen.

Weiß sieht nicht zusammengesetzt aus, da hatte Goethe recht. Vor allem hatte er recht insofern, als von Farben zu reden letztlich nur Sinn macht, wenn man von Erlebnissen spricht. In der Physik gibt es kein Weiß, Rot, Gelb oder Blau, sondern nur Konstrukte wie Wellen, Teilchen, Quanten, deren Beziehungen der Physiker mit seinen Formeln beschreibt.

Wir lassen farbiges Licht entstehen

Wir erfahren Licht im Allgemeinen als das Helle, Strahlende, das von der Sonne oder einer Lampe herrührt. Wir erleben es oft zusammen mit Wärme und spüren dabei leibhaftig seine Energie. Um zu verstehen, was wir uns unter dieser Energie vorzustellen haben, gehen wir zunächst von einer ungewöhnlichen Lichtquelle aus. Sie beruht auf einer Erfindung von Nikola Tesla im Jahre 1904.


25 : Berührt man die Teslakugel, so bündeln sich zahlreiche Plasmafäden zu einem einzigen und scheinen mit der Fingerspitze Kontakt aufzunehmen.

In einem kugeligen Glasgefäß befindet sich Edelgas. Im Innern ist ein Wechselstrom von hoher Spannung und hoher Frequenz angelegt. Hierbei entstehen Lichtfäden, die sich wie die Tentakel eines Lebewesens bewegen. Sie leuchten blau und orangerot. Das Edelgas wird dabei von der Energie des Wechselstroms zum Leuchten angeregt. Von dem, was bei diesem Vorgang passiert, kann man sich eine Vorstellung machen, wenn man sich die Atome des Gases millionenfach vergrößert vorstellt.

Ein Atom besteht aus Atomkern und Elektronenhülle. In unserem Zusammenhang sind besonders die Elektronen von Bedeutung, die um den Kern herum schwingen. Jedes Element hat eine bestimmte Anzahl von Elektronen. Ist die Zahl der Elektronen größer oder kleiner als im neutralen Zustand, spricht man von Ionen.


26 : Atommodell von Niels Bohr.

Niels Bohr hatte 1913 ein Atommodell entworfen, nach dem die Elektronen auf festgelegten Bahnen den Kern umkreisen. Werden Elektronen durch Energiezufuhr „angeregt“, so springen sie auf eine höhere Stufe. Dieser Zustand ist instabil, das Elektron fällt unmittelbar danach zurück. Beim Rücksprung wird die überschüssige Energie als Photon abgegeben. Ein kleiner Sprung führt zu langwelligem Licht, das etwa als Rot wahrgenommen wird, ein großer Sprung zu kurzwelligem Licht, was als Blau wahrgenommen wird. Sind die Sprünge noch größer, so wird unsichtbares Ultraviolett erzeugt.

Nach heutiger Auffassung beschreiben die Elektronen um den Kern keine Kreisbahnen, sondern „Orbitale“. Man kann sie sich als virtuelle Raumplastik vorstellen, die von der Bewegungsspur des Elektrons gebildet wird. Tatsächlich findet keine Bewegung im herkömmlichen Sinne statt, vielmehr beschreiben die Orbitale Aufenthaltswahrscheinlichkeiten für die Elektronen.


27 : Orbitale.

Wird ein Atom angeregt, so nehmen Elektronen ein Orbital mit höherem Energieniveau ein. Nach einer Milliardstel Sekunde kehrt das Elektron in den alten Zustand zurück, die überschüssige Energie wird als Photon abgegeben – Licht ist entstanden.

Der Rücksprung erfolgt manchmal in mehreren Schritten. So kann bei Anregung durch Ultraviolett ein kurzwelliges („blaues“) und ein langwelliges („rotes“) Photon abgestrahlt werden.

Bei hohen Energien werden die Elektronen ganz von den Atomkernen getrennt – es entsteht ein Plasma. Das geschieht auch in der Teslakugel. Wenn die Elektronen wieder von den Kernen eingefangen werden, wird die Energie in Form von Photonen abgegeben. In der Teslakugel erfolgen zwei unterschiedliche Energiesprünge, die als orangerotes und als blaues Licht in Erscheinung treten. Wo sie sich vermischen, sieht man Weiß.

1939 entwickelte S. D. Kirlian eine Methode, mit dem Teslaprinzip Fotos zu machen. Eine Hand etwa verändert das elektrische Feld und erzeugt dadurch charakteristische Strahlenmuster. Die Kirlianfotografie wurde von esoterischen Lehren übernommen, weil man meinte, dadurch die Aura des Lebendigen sichtbar machen zu können.

Welle oder Teilchen?

Lange haben die Physiker darüber gestritten, ob Licht aus Teilchen besteht, wie Newton meinte, oder aus Wellen. Im 19. Jahrhundert dominierte das Wellenmodell, das noch heute Licht als elektromagnetische Welle beschreibt.

1905 machte Albert Einstein eine Entdeckung, für die er den Nobelpreis erhielt. Der „fotoelektrische Effekt“, bei dem Strom aus Licht entsteht, lässt sich nur erklären, wenn man das Licht als Teilchen auffasst. Er ist Grundlage für die heutige Fotovoltaik und für die CCD-Sensoren der Digitalfotografie.

Gewitterblitze

Zu den spektakulärsten Lichterscheinungen gehören Blitze. Gewitter entstehen, wenn feuchtwarme Luft aufsteigt und zu Tröpfchen kondensiert. Deren Reibung führt zu elektrischen Ladungsunterschieden. Überschreitet die Feldstärke einen kritischen Wert, entsteht innerhalb eines schmalen Kanals bei 40.000 °C Plasma. Wenn die Atome die Elektronen wieder einfangen, geben die unterschiedlichen Bestandteile der Atmosphäre rotes, blaues und grünes Licht ab, was zusammen als gleißendes Weiß erscheint. Die explosionsartig ausgedehnte Luft ist Quelle des Donners.


Abb. 28 : Gewitter.

Heute behaupten die Physiker nicht mehr, dass Licht ein Teilchen bzw. eine Welle ist, sondern dass es sich so oder so verhält. Was Licht ist, entzieht sich letztlich unserer Vorstellungsfähigkeit.

Schon die Lichtgeschwindigkeit von 299 792 km/s ist unvorstellbar. Erst recht die spezielle Relativitätstheorie Albert Einsteins. Raum und Zeit erscheinen uns absolut gegeben, aber sie sind von der Lichtgeschwindigkeit abhängig, einer tatsächlich absoluten Grenze.


29 : Nach James C. Maxwell besteht Licht aus einem magnetischen und einem elektrischen Anteil, die als Wellen zueinander senkrecht schwingen.


30 : Goldnugget: Beim Goldatom treten relativistische Effekte auf, weil die innersten Elektronen sich fast mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Das hat Einfluss auf die Energiesprünge der äußeren Elektronen und bewirkt die Farbe des Goldes – ein sichtbarer Effekt der Relativitätstheorie.

Die Zeit vergeht umso langsamer, je schneller sich ein Objekt bewegt. Diese Zeit-Dilatation hat zur Folge, dass für ein Lichtteilchen die Zeit stillsteht. Solche Merkwürdigkeiten greifen auch in unser Leben ein: Das GPS-Navigationssystem ist deshalb so exakt, weil es die Zeitdilatation der Satelliten berücksichtigt.


31 : Kochsalz über einer Gasflamme.


32 : Die angeregten Natriumatome geben Licht in zwei schmalen Bereichen im Gelb-Bereich ab.


33 : Zeichnung im Raum, gezogen mit einer Glühbirne. Arbeit eines Kunststudenten.

Die Farben der Glühbirne

Licht kann, wie dargestellt, durch Anregung von Elektronen entstehen. Typisch hierfür ist, dass bei jedem Element charakteristische Energiesprünge möglich sind. Das Licht ist dann monochromatisch, es hat eine bestimmte Farbe.

Ganz anders das Licht, das von einer Glühbirne ausgeht. Es entsteht durch Hitze, das heißt bei rascher Bewegung der Atome, wobei Photonen abgestrahlt werden. Solche thermische Strahlung ergibt ein kontinuierliches Spektrum.

Regeln wir den Stromfluss in einer Glühlampe durch einen Dimmer, dann wird sie heller oder dunkler. Aber sie ändert auch ihre Farbe. Bei stärkerem Stromfluss bewegen sich die Wolfram-Atome schneller, die Temperatur steigt. Mit der Temperatur verschiebt sich auch der Bereich, innerhalb dessen ein kontinuierliches Spektrum abgestrahlt wird. Zwischen Temperatur und Wellenlänge besteht eine enge Beziehung: je heißer, desto kürzer die mittlere Wellenlänge.

In idealer Weise wird ein kontinuierliches Spektrum von einem perfekten schwarzen Körper abgestrahlt. Doch den gibt es nicht. Eine Annäherung bilden Kohlenstoffpartikel. Das physikalisch beste Schwarz findet sich dort, wo man es nicht erwartet: mitten im hellen Licht einer Kerzenflamme.


34 : Glühlampenlicht verläuft kontinuierlich über das sichtbare Spektrum.


35 : Der Wolframfaden in einer gedimmten Glühbirne. Bei 500 °C glüht er tiefrot, bei höherer Temperatur bis gelbweiß. Bei über 2400 °C brennt er durch.


36 : Das Leuchten der Kerze wird vor allem durch schwarze Kohlenstoffpartikel erzeugt, die durch Verbrennung zum Glühen gebracht werden.

Allgemeine Literatur

Daniel 1998, Davies & Gribbin 1993, Feynman 1992, Friedman 1987, Gage 1994, Goethe 1810, Görnitz 2007, Hawking 1989, Kippenhahn 1990, Zajonc 1994, Zeilinger 2003

Das Buch der Farben

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