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ARME EINWANDERER[45]

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Hibbing wurde vor allem von Europäern erbaut. Während Bankiers und Finanziers in den Großstädten das große Geld machten, erledigten Einwanderer die harte Arbeit. Die Iron Range war ein Schmelztiegel. Die Holzarbeiter stammten zum größten Teil aus Skandinavien, vor allem Finnland. Jugoslawen, Polen, Böhmen, Tschechen und Italiener kamen hinzu. Es gab sogar eine Handvoll osteuropäischer Juden.

Inzwischen zapften ein paar hiesige Bohrleute eine neue Quelle des Reichtums an. Andrew G. Anderson, ein früherer Grobschmied, und Carl Eric Wickham, ein junger schwedischer Einwanderer, beschlossen, Andys unverkäuflichen alten Hupmobile-Transporter zur Beförderung von Passagieren zwischen Alice und Hibbing zu verwenden. Im Frühjahr 1914 begannen sie mit regelmäßigen Fahrten; ein Zweimeilentrip kostete 15 Cents. Während des Bergbaubooms im Ersten Weltkrieg expandierte der Service, und 1916 besaß die Mesabi Transportation Company fünf Busse, die bis nach Duluth und Minneapolis verkehrten. In den Zwanzigern, nach weiteren Fusionen und Zukäufen, die Verbindungen zu kleinen Gesellschaften bis ins ferne Kalifornien herstellten, wurde die Greyhound Bus Company gebildet.

Hibbing, gemästet von Kriegsprofiten, erlebte in den 20ern einen weiteren Boom. Schulen wurden gebaut, und die Howard Street wurde angelegt. In diesem Jahrzehnt erreichte das Dorf einen Schätzwert von 90 Millionen Dollar, es war das reichste der Welt. Aber in den 3oern kam der Bergbau in eine Krise, und die Stadtväter gaben Interimswechsel aus. Später wurde Dylan vorgeworfen, er habe seine eigene Version von der Depression[46] erfunden; dabei hätte er doch nur einigen älteren Einwohnern der Stadt zuzuhören brauchen, um zu erfahren, wie die soziale und wirtschaftliche Krise ausgesehen hatte. Durch die Works Projects Administration[47] und den Zweiten Weltkrieg kam der Wohlstand zurück. Der Koreakrieg tat ein Übriges, den örtlichen Minen zu einem weiteren kurzzeitigen Auftrieb zu verhelfen.

1953 war das wertvolle Eisenerz aufgebraucht. Das Taconit-Verfahren, bei dem riesige Magnete und Siebe kommerziell nutzbares Erz aussonderten, war entwickelt. Wirtschaftliche Stabilität brachte es der Range jedoch erst in den Sechzigern. Nach 1953 konnte keiner in Hibbing die örtliche Depression übersehen. Dylan erzählt von dieser Tragödie im »North Country Blues«, von der zerstörten Hoffnung einer Bergmannsfamilie. Die Eisenzeit an der Mesabi Range war vorbei, und nur die Handelskammer setzte noch auf das Taconit-Verfahren. Kinder von Bergleuten begannen die Gegend zu verlassen, denn es gab »nichts mehr, um sie zu halten«[48].

Wie Veteranen selten vom Kampf reden, sprach Dylans Familie kaum von ihrer Vergangenheit als Flüchtlinge. Gefühle von Trennung, Verfolgung und heimatloser Unsicherheit verschwinden nicht sehr schnell. Die Sorgen und Befürchtungen jener, die der Tyrannei der Zaren entkommen waren, dauerten an. Das Bindeglied zu einem jungen, in Amerika geborenen Musiker wird klarer, wenn man bedenkt, dass das Leben von Juden im russischen Reich nicht viel besser war als das schwarzer Sklaven in Amerika. Beide Gesellschaftsformen förderten Unterdrückung, beide Kulturen zwangen in den Untergrund. Dylans natürliche Affinität zu den Nachkömmlingen schwarzer Sklaven war eine Ausweitung seines eigenen Hintergrunds. Um vor den Zaren zu fliehen, war Geld lebenswichtig. Bemitleidenswert war der arme jüdische Einwanderer, der Amerika mit etwa 15 Dollar in der Tasche erreichte - weniger, als die meisten Flüchtlinge besaßen. Dylans Vorfahren mütterlicherseits verließen Litauen und Lettland, seine Großeltern väterlicherseits flohen aus Odessa in der Ukraine.

Die Flut von Einwanderern, die von Bialystok über holländische und deutsche Häfen reisten, verebbte meistens in der Gegend um New York herum; viele zogen jedoch weiter, wenn ein Freund, ein Vetter oder auch nur ein Gerücht ihnen sagte, anderswo sei das Leben voller Verheißungen. Nachdem er von der Prosperität in der Iron Range erfahren hatte, machte Dylans Großvater mütterlicherseits, Ben D. Stone, die Reise von Superior, Wisconsin, nach Hibbing. 1913 eröffnete er ein Warenhaus in Stevenson Location, einem Dorf zwölf Meilen westlich von South Hibbing. Dort arbeiteten etwa 500 finnische, italienische und slowenische Bergleute, in Kleidern, die sie beim freundlichen, entgegenkommenden Ben Stone gekauft hatten. Aus der Handvoll jüdischer Familien in der Gegend suchte er sich eine Frau, Florence Edelstein, deren Familie eine Reihe von Kinos in der Iron Range betrieb.

Das Kino kam 1906 nach Hibbing in Form von 20-minütigen Stummfilmen auf zwei Spulen, gefolgt von ebenso kurzen, stummen Western. Kein Jahrzehnt später begann Hollywood mit der Produktion fünfspuliger Spielfilme. Zu Beginn der 2oer-Jahre war Julius Edelstein, der Bruder von Bobs Urgroßvater, Mitbesitzer des Lyric Theatre. Julius und B. H. Edelstein, Bobs Urgroßvater, machten gute Geschäfte und übernahmen 1925 das Garden Theatre. Sie tauften es um in The Gopher und verkauften es 1928 an eine größere Kette. 1947 bauten die Brüder das Lybba Theatre auf, benannt nach Bobs Urgroßmutter. Diese Familienbeziehung zum Film mag zu Bobs frühem Interesse am Showgeschäft beigetragen haben.

Ben Stone kümmerte sich um die Grundschulen in der Range. Er kannte seinen Markt. Manche sagen, er sei fast zu leutselig gewesen. Ben verdiente sich ein anständiges Auskommen und den Respekt von Hibbing. In schweren Zeiten versuchte Stones Bekleidungsgeschäft gar zu helfen. Wenn die Arbeitshose zwei Dollar kostete und ein Bergmann nur einen Dollar zehn Cent hatte, gab Stone sich damit zufrieden. Als die Mine von Stevenson Location erschöpft war, zog er mit seiner Familie um und baute sein Geschäft neu auf, an der Ecke 1st Avenue und Howard Street, in einer ehemaligen Bank; sein Lager richtete er in dem leeren Tresorraum ein.

Ben und Florence hatten vier Kinder - Lewis, Vernon, Beatrice, genannt Beatty, und Irene. Beatrice, geboren 1915, war Dylans Mutter, eine lebenssprühende Frau, blond, eigenwillig, nervig, lebhaft und warmherzig. Sie wollte unbedingt von dort fort. Ein Teil von Beatty Stones Rastlosigkeit wurde durch den prächtigen viertürigen Essex ihres Vaters befriedigt. Als sie 14 war, bot ihr der Vater Fahrstunden an. »Ich bring es dir bei«, sagte er; dabei hantierte er ganz langsam an der Gangschaltung. »Brauchst du nicht«, erwiderte Beatty. Sie hatte ihn oft beim Fahren beobachtet. Zum Erstaunen ihres Vaters setzte sie sich hinters Steuer und fuhr los. »Bobby ist mir ganz ähnlich«, sagte sie Jahre später. »Entweder man macht's oder man macht's nicht.«

Für Beatty, die erste »Rolling Stone«[49], bedeutete der Wagen die Verbindung nach Duluth. Sie konnte zu Clubs wie dem Covenant fahren. Sie suchte Status, Zuverlässigkeit und die solide Ehe mit einem netten jüdischen Jungen. Zu diesem Zweck kleidete sie sich tadellos, so gut es eben die Mode in Iron Rage erlaubte, und hielt den Essex in strahlendster Politur. Was andere über sie dachten, war wichtig; materieller Erfolg bedeutete Sicherheit. 1932 begannen sich bei einer Silvesterparty in Duluth Beattys Träume zu erfüllen. Sie war ein begehrtes Mädchen, aber ein Mann, dem sie an diesem Silvesterabend begegnete, hatte mehr als nur Sinn für Humor, ruhige Intelligenz und gutes Aussehen. Abraham Zimmerman hatte einen Job.

Bob Dylan - No Direction Home

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