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DIE ROTARIER: WILL THE CIRCLE BE UNBROKEN[69]

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Dennoch verstand es Abe seit diesem Frühjahr viel besser, mit Bob umzugehen, musste Freunden und Nachbarn aber immer noch erzählen, dass niemand Bob zu Gesicht bekäme, weil er spät abends mit seinem Privatjet nach Hibbing käme und früh am nächsten Morgen wieder abflöge. Trotz der Tatsache, dass Bob seit vier Jahren nicht zu Hause gewesen war, bekam die Geschichte mit den Nachtflügen so viel Glaubwürdigkeit, dass einige schworen, jemanden zu kennen, der den Jet selbst gesehen habe.

Im Herbst 1967 besuchten Abe und Beatty Bob und seine Familie in Woodstock. Ihr berühmter Sohn spielte nicht länger das Waisenkind. Die Tatsache, dass Bob geheiratet hatte und eine wachsende Familie besaß, war nach ihren Vorstellungen eine ebenso große Erfolgsstory wie alles andere, was geschehen war. Abe lud mich ein paar Tage später in New York zum Essen ein, weil er Wert darauf legte, mich wissen zu lassen, dass es in Woodstock eine Annäherung gegeben habe.

Abe hatte, schon als ich ihn 1966 das erste Mal traf, damit begonnen, seine eigene Fassung der Vater-Sohn-Geschichte zu schreiben. Er war nicht länger der spießige Vater, der Popmusik für Quatsch hielt. Hinter seiner Ladentheke, wenn er auf den nächsten Kunden wartete, pflegte er die letzte Nummer von Billboard, dem wöchentlichen Musikblatt, zu studieren. Bei einem meiner Besuche in Hibbing lud er mich zu einem Mittagessen der Rotarier im Androy ein. »Wenn Sie das Beste von Hibbing sehen wollen, müssen Sie die Rotarier in Aktion sehen.«

Abe machte mich mit einem Dutzend Säulen der Gemeinde bekannt. Er war von zwangloser Geselligkeit, hatte für jeden eine persönliche Bemerkung, ließ Grüße per Vornamen an jede Gattin ausrichten. Nach dem Essen hielt Paul Harris, ein führender Anwalt des Ortes, einen langen Sermon über die Ziele der Rotarier: »Erstens: Dienst geht vor Ego. Man sollte versuchen, seine Freunde und Nachbarn kennenzulernen. Zweitens: Hohe ethische Standards im Geschäftsleben. Stolz sein auf das, was man macht. Drittens: Engagement. Man muss sich Zeit nehmen für Gemeindeprojekte.« Es gab eine einstimmige Darbietung von »America« (Clyde Hill, Chorleiterin der Gemeinde, verlangte »just a little more spirit«), gefolgt von »Rotary«, dem Titelsong des Ordens, und schließlich »The Battle Hymn Of The Republic«. 40 voller Inbrunst singende Stimmen verwirbelten den Zigarrenrauch im Raum wie ein Ventilator. »The Rotary in Woodstock«, so erzählte mir Abe, als er beschwingt hinausging, »trifft sich immer montagabends. Daher konnte ich nicht hingehen, als wir Bobby das letzte Mal besucht haben.«

Vielleicht sah Hibbing für jemanden, der nicht den Rotariern angehörte oder den Kiwanis, ein bisschen anders aus. Vielleicht war die Stadt ein Vakuum, wenn man nicht dem Moose Club beitrat, den Odd Fellows, den Veterans of World War I Auxiliary No. 2039, dem Newcomers Club, YMCA, Tenger Lodge of the Vasa Order of America, Bethel No. 4 Order of Job's Daughters, Tuesday Musicale, The First Settlers of Hibbing, Izaak Walton League, Hibbing Figure Skating Club, Wells-Woodland Garden Club, Mesabi Rosarians, Guglielmo Marconi Lodge No. 1164 of the Sons of Italy, Hibbing St. Francis Court No. 610 of the National Catholic Society of Foresters, Bunker Willing Workers 4-H Club, B'Nai B'Rith oder der Handelskammer.

Jim Hitchcock war 1966 Vorsitzender der Handelskammer und Verleger der Hibbing Tribune. Er gab zu, dass die Stadt schlechte Zeiten erlebt hatte, aber »wir sind jetzt wieder auf dem Weg zum Comeback … Ja«, sagte er traurig, »die Abwanderung der Jugend ist ein sehr großes Problem gewesen.« Hitchcock zufolge hatte Hibbing drei herausragende Produkte neben dem Eisenerz: Jeno Paulucci, den Großverpacker von Pizza und chinesischem Essen; Roger Maris, den Baseballspieler; und Bobby Dylan.

»Ich weiß, dass die Stadt wegen Dylan einigermaßen verwirrt ist. Roger Maris sagt immer, er sei aus Fargo, North Dakota, und wird wütend, wenn Leute sagen, er komme aus Hibbing. Die Leute hier freuen sich darüber, dass Bob aus Hibbing stammt, selbst wenn er ein bisschen ausgefallen ist.« Hatten die Stadtväter Bob jemals eingeladen, ein Konzert zu geben? »Soweit ich weiß, ist nie eine förmliche Einladung ergangen. Wenn wir wüssten, wann er einmal kommt, würden wir ihn bitten, hier aufzutreten.« Hatte The Hibbing Tribune je einen größeren Artikel über Bob Dylan veröffentlicht? »Nein, ich glaube nicht.« In der anspruchsvollen Jubiläumsausgabe zum 75-jährigen Bestehen der Zeitung am 10. August 1968 brachte die Tribune Dutzende von Artikeln über Hibbings Vorzüge. Dylans Name wurde nirgends erwähnt.

Als Bob aufwuchs, gab es in seinem Zuhause Rotariergerede, Handelskammergerede und scheinheiliges Gott-segne-unser-Heim-Gerede. Wussten Beatty und Abe rückblickend, warum Bob der bekannteste Jugendrebell der Sechziger geworden war? Dad: »Er hat eigentlich nicht rebelliert. Er hat sich selbst davon überzeugt, dass er etwas anderes zu verkaufen hatte.« Und Mom: »Ja, er hat sich selbst überzeugt. Nicht wir. Natürlich kam das nicht von uns. Man kann es nur in New York schaffen.« Glaubten sie, er sei im Zorn gegangen? »Oh nein, er ist doch nicht im Zorn gegangen?«, entgegneten sie.

Im Vergleich mit anderen Eltern-Kind-Beziehungen im Hibbing der späten fünfziger Jahre waren Abe und Beatty nicht übermäßig spießig - die erhöhte Sensibilität ihres Sohnes ließ sie aber so erscheinen. Im Frühjahr 1968 versuchten Abe und Beatty alles in einen Zusammenhang zu bringen. Als ich sie fragte, wie denn ihr »netter, zuvorkommender, wohlerzogener Junge« ihrer Meinung nach zum größten Jugendrebell seiner Generation werden konnte, fiel ihnen nur ein: »Genau das hat uns beunruhigt«. Abe: »Zu dieser Zeit hat er einige Jugendliche in einer Weise beeinflusst, wie er es nicht hätte tun sollen. Ich denke, er wusste, was er tat (Anspielung auf den Dean-Film Denn sie wissen nicht, was sie tun). Er wollte etwas für Menschen tun, aber auf eine schnelle Art. Er konnte scheinbar nicht verstehen, dass solche Veränderungen Zeit brauchen.« Beatty: »Auch wenn er zu Hause war, machte er sich Sorgen über sozial Benachteiligte. Er wollte den Leuten immer nur helfen.« Bob hatte sich Denn sie wissen nicht, was sie tun ein Dutzend Mal angeschaut. Was dachten sie über den Film? Abe: »Ich fand ihn übertrieben. Ehrlich gesagt, fand ich nicht, dass Kinder wirklich so waren. Entweder waren sie viel schlimmer als das oder viel besser.« Aber rebelliert nicht jedes Kind? Hatten sie selbst nie rebelliert? Beatty: »Wir haben nicht rebelliert, wir haben uns angepasst. Wir wussten, dass unsere Eltern das Bestmögliche für uns taten.« Abe: »Manchmal waren wir enttäuscht über das, was unsere Eltern uns haben tun lassen. Dann haben wir uns beklagt oder ein bisschen geweint, aber schließlich doch getan, was man uns gesagt hat.«

Abe zeigte mir das Haus. Im Hobbyraum, im Keller, wo einmal Bobs Bilder von James Dean die Wände bedeckten, hatten nun die Eltern eine Galerie ihres eigenen jungen Rebellen: Poster, Plattencover, PR- und Zeitschriftenfotos von Dylan. Seine Eltern spielten mir alte Probebänder seiner diversen High-School-Bands vor. Bobs junge, harsche Stimme schrie: »Rock and Roll is here to stay«. Stapel verstaubter 78er- und 45er-Platten standen in einer Ecke, ein Querschnitt durch die fünfziger Jahre. Da waren »Dearest« und »There Ought To Be A Law« von Mickey and Sylvia auf Vik, »Baby Blue« von Gene Vincent and the Hot Rods auf Capitol, »Hank Snow Sings Jimmie Rodgers 3«, The Clovers und Nat »King« Cole. Dann eine Flut von Hank Williams' traurigen Bluesgesängen, Bill Haley, Pat Boone, Bobby Vee, Johnny Ace, Webb Pierce und natürlich Buddy Hollys »Slippin' And Slidin'«, Little Richards »Tutti Frutti« sowie Presleys »Heartbreak Hotel« und »Blue Suede Shoes«.

Abe führte mich treppauf zu Bobs Zimmer; im Treppenhaus kamen wir am Bild eines pausbäckigen Bob mit ordentlicher Krawatte vorbei - aufgenommen am Tag der Reifeprüfung. Abe: »Die beiden Jungen haben sich dieses Zimmer geteilt. Wir hatten hier zwei Betten stehen. Man wusste nie, wer wo schlief.« Abe zog mehrere Alben mit Familienbildern hervor. Als er die Menge wahrnahm, bemerkte er: »Ich frage mich, ob da Geld drin steckt.«

Langsam durchblätterte Abe das Album. »Hier ist ein Bild von Bobby, wie er Stierkämpfer spielt, mit einem Badetuch als Capa. Da war er ungefähr zwölf. Die sind jetzt unbezahlbar … Hier spielt er Bongo … Hier ist die Medizin, die er gegen sein Asthma genommen hat. Damit hat er heute nicht mehr so viel Ärger. Das ist das Zimmer, als die Tapete mit den Cowboys noch da war … Bobby war 15, als er mit einem Cowboyhut auf dem Kopf und einer Zigarette im Mundwinkel posiert hat. Ich habe ihm das Bild vor einiger Zeit geschickt, zusammen mit seinem Foto von der Anzeige für Don 't Look Back. Da hatte er genau den gleichen Ausdruck … Hier sind wir am Paul-Bunyan-Platz[70] am Oberlauf vom Mississippi. Ja, diese Lügengeschichten von Paul Bunyan hat er gemocht …«

Wie stand es mit der Faszination, die Schurken und Gesetzlose auf Bob ausübten? »Oh ja, die haben ihn fasziniert. Das stimmt. Alle haben sich für diese ›Bad Men‹ interessiert. Ich selbst auch … Da sind all diese Illustrierten Klassiker - Cyrano, Der Glöckner von Notre Dame, Die korsischen Brüder, Der Pfadfinder.« Wusste er, dass Bob als Junge eine Reihe von Zeichnungen zu Victor Hugos Die Elenden gemacht hatte? »Nein, das wusste ich nicht. Wo mögen die jetzt bloß sein?« Abe durchblätterte diese Erinnerungsstücke mit einer Mischung aus Stolz und Trauer. So viel Zeit war vergangen, und so viel war geschehen, seit Bob fortgegangen war.

Ob Abe glaubte, dass Bob je wieder nach Hibbing kommen würde? Lange Pause, dann: »Hier ist ein Bild von Bobby als Pfadfinder.« »Glauben Sie, er wird eines Tages noch mal nach Hibbing kommen, oder wissen Sie es nicht, Abe?« Er blätterte weiter in den Fotos herum. Drei Wochen später kam Dylan zum ersten Mal seit vier Jahren zurück nach Hibbing. Abes Sohn war heimgekehrt, um an der Bestattung seines Vaters teilzunehmen.

Bob Dylan - No Direction Home

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