Читать книгу Unvergängliches Blut - Sammelband - S.C. Keidner - Страница 14

Kapitel 11

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Rückblickend sollte ihm das Beisammensein mit Rodica flüchtig erscheinen, etwas, das einem unaufhaltsam durch die Finger glitt und im Dunkel der Zeit entschwand. Sie liebten sich in dem kleinen Raum im Turm. Häufig sprachen sie darüber, wie es weitergehen sollte, doch kamen sie nie zu einem Ergebnis. Sie lebten von Tag zu Tag, gaben sich trotz, oder gerade wegen der Hindernisse, die sich ihnen in den Weg stellten, ganz ihrem Liebesabenteuer hin. Er nährte sich nur noch von Rodica und vermutete aufgrund einiger Äußerungen, die sie machte, dass Delia die Romanze zwischen ihnen ahnte. Niemandem sonst schien etwas aufzufallen und seine Tante würde sie nicht verraten, da war er sicher.

In einer kalten Nacht, der Winter neigte sich seinem Ende zu, stand er im Hof und wusste, dass es Probleme geben würde, an die er nie gedacht hätte. Schwere nasse Flocken rieselten vom dunklen Nachthimmel herab, verschmolzen mit der Schneedecke, die sich über die Festung gelegt hatte, oder vergingen mit einem leisen Zischen in den Flammen der Fackeln. Die Pferde der Besucher aus dem Osten schnaubten und schüttelten die feuchten Mähnen.

»Maksim!« Inam glitt von ihrem Schimmel zu Boden. Sie war elegant gekleidet, trug einen silberfarbenen Pelzmantel über ihrem dunkelroten Reitkleid, schwarze Stiefel und Handschuhe. Ihren Kopf zierte eine Fellmütze und ihre Wangen waren von der Kälte gerötet. »Endlich sind wir angekommen! Du ahnst gar nicht, wie ermüdend diese Reise war!«

»Inam. Es ist schön dich, zu sehen.« Er deutete eine Verbeugung an und wandte sich dem zweiten Besucher, ihrem Vater Zelinkan, zu. »Seid willkommen! Wir haben dich … euch nicht so früh erwartet. Wieso habt ihr die beschwerliche Reise durch den Schnee auf euch genommen?«

»Vielen Dank, Maksim.« Zelinkan, ein schwerer bedächtiger Mann, strich sich über den penibel gestutzten Vollbart. »Ja, die Jahreszeit ist tatsächlich ungünstig, aber ich möchte verschiedene Dinge mit deinem Vater besprechen, bevor die anderen Fürsten eintreffen.«

Maksim verstand. »Ich habe mit Vater bereits erste Gespräche geführt. Vielleicht könnten wir zusammen ‒.« Er stockte, wollte vor den Kriegern und Sklaven nicht zu viel sagen.

»Natürlich, das habe ich gehofft, Maksim.« Zelinkan warf seiner Tochter einen ungehaltenen Blick zu. »Inam bestand darauf, mich zu begleiten, wohl wissend, dass es auf D’Aryun nichts für sie zu tun gibt.« Seine Stimme hatte einen harten Ton angenommen. Wie es schien, war es zwischen ihnen zu mehr als einer Auseinandersetzung gekommen, was diese Reise anging.

Nun, auch er, Maksim, war alles andere als glücklich darüber, dass Inam hier auftauchte. »In der Tat«, pflichtete er Zelinkan bei und sagte zu Inam: »Ich werde meine Tante Delia bitten, sich um dich zu kümmern. Aber ich befürchte, dir wird langweilig werden.«

»Oh, das glaube ich nicht, Maksim.« Inam lächelte ihm verschwörerisch zu. »Ich denke, ich werde Wege finden, mich zu amüsieren.«

Er erwiderte nichts darauf und bat Zelinkan, Inam und die sie begleitenden Krieger in die Halle. Rodica nahm sich zusammen mit einem Stallburschen der Pferde der Besucher an. Ihr kurzes Lächeln, zärtlich wie ein gehauchter Kuss, brachte sein Blut in Wallung. Es war mit einigem Bedauern, dass er den Gästen in die Halle folgte.

Inam drehte sich zu ihm um, als Alaric ihren Vater begrüßte. »So, nun bist du also der Erbe des Herrschers über die Stämme«, sagte sie leichthin.

Daher weht der Wind, dachte er, und erwiderte: »Ja, das bin ich dann wohl. Es bedeutet viel Arbeit für mich, aber noch viel mehr für meinen Vater.«

»Man sollte es mit der Arbeit nicht übertreiben, Maksim. Man braucht auch Erholung.« Ihr Augenaufschlag ließ ihn nicht im Ungewissen darüber, was sie meinte.

»Mir macht die Arbeit nichts aus«, entgegnete er, sie gewollt missverstehend. »Ah, da ist Delia!«

Seine Tante war zu ihnen getreten und er stellte ihr Inam vor.

Delia war höflich, aber zurückhaltend. »Du wirst das Leben auf der Festung eintönig finden«, sagte sie zu Inam. »Wir sind sehr mit den täglichen Arbeiten beschäftigt, gerade jetzt, wo die Ratsmitglieder hier leben werden. Kurzweil gibt es leider wenig.«

»Ich verstehe das.« Inam schien zu begreifen, dass man sich auf D’Aryun mit Gästen schwertat, die zu keinem besonderen Zweck anreisten. »Ich helfe natürlich mit, wo ich kann.«

»Das freut mich.« Delia lächelte höflich. »Ich werde sehen, was sich machen lässt. Alaric, unsere Gäste werden hungrig sein und die Mitternacht naht. Ich habe die Küche gebeten, uns das Mahl etwas früher als sonst aufzutragen. Danach können du, Zelinkan und Maksim sich zurückziehen. Inam«, sie wandte sich an die Besucherin, »du kannst mir helfen, eure Gemächer vorzubereiten. Ihr werdet im Wohntrakt untergebracht.«

Inam schien nicht begeistert von der Aussicht, Betten zu beziehen oder Staub zu wischen, denn ihr zustimmendes Lächeln wirkte verkniffen.

Maksim atmete innerlich auf. Er und Rodica konnten sich erst einmal weiter in dem Turm treffen. War es wirklich erst sechs Monde her, dass er nicht genug von Inam hatte bekommen können? Jetzt hätte er sie am liebsten auf ein Pferd gesetzt und nach Hause geschickt. Stattdessen führte er sie höflich zu der langen Tafel und rückte ihr den Stuhl zurecht.

»Vielen Dank, Maksim.« Wieder ein verführerisches Lächeln. Sie senkte die Stimme: »Wie geht es dir? Hast du mich vermisst?«

»Danke, mir geht es gut«, sagte er hölzern.

Sie runzelte die Stirn. »Was ist los? Freust du dich denn gar nicht, mich zu sehen?«

»Doch, natürlich. Es ist nur, dass wir hier so viel zu tun haben, seitdem Vater der Herrscher ist. Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht.« Selbst in seinen Ohren klang das lahm und es wunderte ihn nicht, dass sie ihre dünnen Augenbrauen hob.

»Aha. Bei uns hat dich die Arbeit nicht von Vergnügungen abgehalten.« Die Betonung des Worts ›Vergnügungen‹ ließ keinen Zweifel, was sie im Sinn hatte. Er konnte ihr leider nicht sagen, dass ihn ›Vergnügungen‹ seit Rodica nicht im Geringsten interessierten.

Er seufzte. »Hör zu, ich habe wirklich viel um die Ohren. Zelinkan und ich haben die einmalige Chance, unsere Pläne zu verwirklichen, jetzt, wo Vater der Herrscher ist. Es mag sich nicht großartig anhören, aber es braucht Zeit und Geduld, bis wir alle auf unsere Seite gezogen haben. All die Streitgespräche, die Dispute, das zehrt an einem. Ich muss diese Chance jetzt nutzen und kann mich da nicht auf etwas anderes und schon gar nicht auf ›Vergnügungen‹ konzentrieren.«

Inams Lippen pressten sich zu einem schmalen Strich zusammen. »Eure heiligen politischen Ambitionen! Ich verstehe. Vater wollte nicht, dass ich mitkomme. Du willst mich nicht hier haben und deine Tante will mich auch nicht. Ich werde mich bemühen, euch nicht in die Quere zu kommen.«

»Das wäre schön«, entfuhr es ihm, bevor ihm die Unhöflichkeit seiner Antwort klar wurde.

Einen Augenblick herrschte Stille, in der sie wohl darauf wartete, dass er sich wortreich entschuldigte, ihr versicherte, dass er sich über ihre Anwesenheit freue und sie keineswegs eine Last sei.

Er tat es nicht, zu sehr ärgerte es ihn, dass sie zu glauben schien, er würde für sie alles stehen und liegen lassen, wenn sie auf D’Aryun auftauchte. Mal abgesehen davon, dass sie die beschwerliche Reise bestimmt nicht auf sich genommen hätte, wäre Vater nicht zum Herrscher gemacht worden. Seine Attraktivität musste im Vergleich zum Sommer, als er nur der Sohn eines beliebigen Stammesfürsten war, stark zugenommen haben. Zelinkan setzte Inam unter Druck, sich einen Gefährten zu wählen. Der Erbe des Herrschers über die Stämme wäre für sie eine exzellente Wahl. Nur, dass er da nicht mitmachen würde, sollte das wirklich das Ziel ihrer Reise sein.

Als er beharrlich schwieg, kehrte sie ihm wortlos den Rücken zu und begann ein Gespräch mit Vidars Gefährtin, die auf ihrer anderen Seite saß.

Nun, wenigstens habe ich jetzt Klarheit geschaffen, dachte er, nahm sein Messer und schnitt wütend in die gebratene Schweinelende, die man auf das Holzbrett vor ihm gelegt hatte.

Unvergängliches Blut - Sammelband

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