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Kapitel 2

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Es tat gut, zu Hause zu sein.

Aufatmend sank Maksim in den mit Schaffellen ausgelegten Sessel, in der Hand einen Becher mit Wein, und sah dem Spiel der Flammen im Kamin zu. Sein Gemach war mit einer Kommode und einem Tisch mit eisernen Beinen, um den sich Holzstühle gruppierten, ausgestattet. Das Bett stand an der hinteren Wand, daneben ein Waschtisch. Auf dem Steinfußboden lagen dicke Teppiche aus Wolle. Die Wände waren weiß verputzt. An ihnen hingen einige Gemälde, Ansichten der Festung, die ein künstlerisch begabter Vorfahr geschaffen hatte.

Seine Gedanken wanderten zu den Erlebnissen bei den Arrajk’ag und zu Inam, der Tochter des Stammesfürsten Zelinkan. Sie hatten sich dem körperlichen Vergnügen den ganzen Sommer hingegeben. Er war nicht ihre einzige Eroberung. Zelinkans Krieger hatten ihm von ihr berichtet und Inam gab freimütig zu, dass ihr mit nur einem Mann langweilig würde. Zelinkan, der um die Umtriebe seiner Tochter wusste, versuchte seit geraumer Zeit, ihr einen standesgemäßen Gefährten zu verschaffen, doch sie wollte keinen der Männer, die er vorschlug. »Er versteht nicht, dass ich keinen Gefährten möchte!«, hatte sie sich einmal bei Maksim beschwert.

»Bleib standhaft! Ich verstehe dich. Ich möchte auch keine Gefährtin.«

Sie hatte gelacht und gesagt »Da sind wir uns ja einig!«, bevor sich ihre Lippen um seine Männlichkeit schlossen und er dieses Thema sehr schnell vergaß.

Ja, auch wenn er Inams Leib vermisste, gerade in einer kalten Nacht wie dieser, war es gut, wieder zu Hause zu sein, den altbekannten Weg am See entlang und den Berg hinauf zu nehmen, all die Krieger, Wächter und Sklaven wiederzusehen.

Die kleine Rodica. Er konnte kaum glauben, dass diese schöne junge Frau das schlaksige Mädchen sein sollte, das er vor vier Wintern zuletzt gesehen hatte. Oder das verstörte Kind, das Vidar und er an jenem schicksalhaften Regentag nach D’Aryun gebracht hatten. Sie hatte ihre Scheu damals rasch verloren und war ihm wie ein Welpe überallhin gefolgt, erfuhr eine Nähe zur Fürstenfamilie wie sonst kein Sklave. Er, zu der Zeit ein Knappe von vierzehn Wintern und stolz darauf, ihr Leben gerettet zu haben, hatte ihre Heldenverehrung genossen. Inzwischen hatte er Schlachten geschlagen und genug getötet, um zu wissen, dass es kein Heldentum gab.

Er nahm einen Schluck Wein. Ob sie schon Blutsklavin geworden war? Vater sah sie dafür vor, aber es war Usus bei den D’Aryun, dass nur Erwachsene Blutdienst leisteten. Sie musste jetzt siebzehn oder achtzehn Winter alt sein, also fast erwachsen. Natürlich wusste sie, was Vater mit ihr plante und hatte erlebt, wie Vampire sich nährten, was bei den D’Aryun über das Handgelenk und niemals am Hals erfolgte. Vater behandelte die Sklaven streng, aber gerecht, und verlangte, dass sie ihre Aufgaben gewissenhaft erledigten. Sie fürchteten die Vampire nicht. Bei anderen Stämmen kam es vor, dass Sklaven schlecht behandelt wurden. Vater duldete so etwas nicht.

Maksim sprang auf und begann, rastlos im Raum umherzugehen. Der Aufenthalt bei den Arrajk’ag hatte ihm viele neue Ideen vermittelt. Zelinkan schwebte das Ende des Blutsklaventums vor. Er verwies auf den uralten Brauch der Blutdienerschaft, menschliche Familien, die gegen Bezahlung mit den Vampiren lebten und sie mit Blut versorgten. Das war, bevor einige der ärmeren Stämme auf die Idee kamen, Menschen zu versklaven. Wozu für Blut zahlen, wenn man es sich einfach nehmen konnte? Mit der Sklaverei setzte die Flucht der Menschen aus den Bergen ein. Die anderen Stämme wurden gezwungen, ebenfalls zu Sklavenhaltern zu werden, um den Zugang zu Blut nicht zu verlieren. Es war ein Teufelskreis, der dazu führte, dass es immer weniger Menschen im Gebirge gab. Sie flohen in die Städte, wohin ihnen die Vampire nicht folgen konnten, ohne von der Sonne verbrannt zu werden. Die Berge wurden im Westen und Norden von den Grasländern umschlossen, die man durchqueren musste, um zu den Städten der Menschen zu gelangen. Unterschlüpfe wie Höhlen gab es in den Grasländern nicht und so waren sie ein unüberwindbares Hindernis für die Stämme. Die Vampire richteten ihr Augenmerk daher auf das Niemandsland zwischen der Westflanke des Gebirges und den Grasländern, wo es Dörfer und Weiler der Menschen gab. Aber es war mehr als fraglich, ob die Menschen dortblieben, wenn die Vampire sie jagten und versklavten.

Wie man es auch drehte und wendete, würde den Vampiren das Menschenblut ausgehen, es sei denn, sie schafften die Sklaverei ab und streckten den Menschen die Hand der Freundschaft entgegen. Taten sie dies nicht, hätte es katastrophale Folgen: Ein Gebirge voller Vampire, alle auf der verzweifelten Suche nach Blut, um ihre Unsterblichkeit zu erhalten. Ihr Organismus verlangte danach, zwang sie, es zu trinken. Bekamen sie es nicht, wurden sie wahnsinnig und starben qualvoll.

Überhaupt: Welche Stärke konnte man erreichen, wenn Vampire und Menschen gleichberechtigt waren! Ihm schwebten Menschenkrieger vor, die tagsüber kämpfen konnten. Späher, die nicht gezwungen waren, sich vor der Sonne zu verstecken. Diener, die wie früher gegen Lohn Blut gaben. Menschen und Vampire konnten sich ergänzen, die Schwächen des einen waren die Stärken des anderen.

Er blieb mit dem Rücken zum Kamin stehen, nahm den letzten Schluck Wein. Hoffentlich konnte er Vater überzeugen, der sich gute Chancen ausrechnete, zum nächsten Herrscher über die Stämme gewählt zu werden. Nachdem Zoltan Lu’sin, der bisherige Regent, bei einem Duell enthauptet worden war und keinen Erben hinterließ, ging es bei dem Treffen der Stammesfürsten um seine Nachfolge. Falls Vater Herrscher würde, dann hätte er, Maksim, die besten Voraussetzungen, seine Ideen zu verwirklichen.

Er stellte kopfschüttelnd den Becher ab. All dies waren Gedankenspiele und ohne dass sie gesprochen hatten, konnte er keine Pläne schmieden. Vater würde nicht auf alle seine Vorschläge eingehen. Er war der Sklaverei nicht abgeneigt, befand die Gesetze so, wie sie waren, für gut und setzte sie durch. Doch Maksim war sicher, dass Vater die Notwendigkeit der Änderungen im Umgang mit den Menschen einsehen würde.

Unvergängliches Blut - Sammelband

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