Читать книгу Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket - A. F. Morland - Страница 70

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Stundenlang hatte niemand nach ihr gesehen. Sie hatte zwar Schritte gehört, draußen vor der Badezimmertür, doch die Tür selbst blieb zu.

Theresa fragte sich, ob sie zu weit gegangen war. Hatte Barry einen Rückzieher gemacht? Hielt er sich nun von ihr fern, weil er gemerkt hatte, dass sie ihn auf ihre Seite ziehen wollte?

Die Dunkelheit im Bad ängstigte sie. Ob es draußen noch Tag war? Es gab ja kein Fenster in ihrem Gefängnis.

Die Stricke, gegen die Barry ihre Handschellen eingetauscht hatte, gaben ihr immerhin Bewegungsfreiheit genug, selbstständig auf die Toilette zu gehen. Aber sie hatte Hunger. Bohrenden Hunger. Und Durst.

Irgendwann hörte sie draußen wieder die Tür gehen.

»Barry?«, rief sie zaghaft. »Bany, kommen Sie bitte mal?«

Die Glühbirne flammte auf, und die Tür wurde geöffnet. Eine junge Frau stand im Türrahmen. Schwarzhaarig und schlank. »Was gibt’s?«

»Wo... wo ist Barry?«

»Weg.«

Theresas Verstand weigerte sich zu begreifen, was sie da eben gehört hatte. »Aber er wollte doch wiederkommen.«

Sie hatte es kaum ausgesprochen, als sie merkte, wie naiv sie sich anstellte. Barry war weg. Weil er ihr einen Mantel gebracht hatte. Weil er sie von den Handschellen befreit hatte. Weil er ihr Haferbrei gekocht hatte. Weil er eine Gefahr für die Kidnapper geworden war.

Eiskalte Klarheit zog plötzlich durch Theresas Gehirn. Barry war weg. Also auch das winzige Loch in die Freiheit, das sie in ihm gesehen hatte. Sie wusste genau, was das bedeutete. Sehr genau. Trotzdem fragte sie: »Wann lassen Sie mich frei?«

»Bald«, sagte die Frau.

In ihren Augen las Theresa etwas anderes.

»Haben Sie etwas zu essen für mich?«, bat Theresa.

Die Frau schloss die Tür, ließ aber das Licht an. Eine Viertelstunde später brachte sie ihr einen Teller. Ein Stück Brot und einige Scheiben Käse lagen darauf.

Wortlos stellte sie den Teller vor Theresa hin. Wortlos verließ sie das Bad. Wenigstens ließ sie das Licht an.

Heißhungrig schlang Theresa Brot und Käse hinunter. Die Stricke waren zu kurz, um das Waschbecken oder den Hahn über der Badewanne zu erreichen. Der Durst quälte sie.

Warum hatte sie die Frau nicht um Wasser gebeten? Barry hatte ihr immer Wasser oder Tee hingestellt, ohne dass sie darum hatte bitten müssen.

Sie rief, aber niemand reagierte. Offenbar war die Frau fortgegangen.

Die Stunden krochen dahin. Irgendwann wurde der Durst so quälend, dass es Theresa nicht mehr aushielt. Sie kroch zum Klobecken und drückte die Spüle. Mit der Hand schöpfte sie das Wasser in den Mund. Sie hörte erst auf zu trinken, als der Durst endlich kleiner war als der immer mehr aufsteigende Ekel.

Wieder an der Heizung, hüllte sie sich in den Mantel, zog die stinkende Decke über den Kopf und weinte. So lange, bis keine Tränen mehr kamen.

Sie spürte mit einer Klarheit, die jeden Widerspruch ausschloss, dass ihre Zeit vorbei war. Mit aller Gewalt wehrte sie sich gegen die auf brandende Panik.

»Nimm dich nicht so wichtig, Theresa«, murmelte sie, »jeder muss einmal gehen, und es können nicht alle erst mit 70 oder 80 sterben.«

Sie kramte ein paar Psalmen aus ihrem Gedächtnis hervor und sagte sie laut auf. Das beruhigte sie.

Dann ließ sie ihr Leben an sich vorüberziehen. Jahr für Jahr, von Anfang an. Sie schürfte Bilder aus ihrem Gedächtnis, die sie schon lange vergessen geglaubt hatte.

Irgendwann kam sie zu dem Schluss, dass es ein schönes Leben gewesen war. Kurz, aber schön. Und unverschämt leicht. Wenigstens bis zum Tod ihrer Tochter.

Ihr Traum fiel ihr ein, und sie musste lächeln. Sie hatte schon davon gehört, dass viele Menschen ihren Tod vorausahnen. Und dass manche vorher davon träumten. Jetzt wusste sie es.

»Ich komme zu dir, meine kleine Hjördis«, murmelte sie.

Theresa wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie Schritte im Zimmer vor der Badezimmertür hörte. Schritte von mehr als nur einem Menschen.

Sie schloss die Augen und lauschte.

Möbel wurden verrückt. Irgendetwas raschelte laut. Als würde da draußen jemand mit Plastikfolie hantieren.

Die Glühbirne flammte auf .Theresas Blick fiel auf einen toten Falter am Boden unter der Badewanne. Sie nahm ihn auf und schloss die Hand um das Insekt.

Die Tür öffnete sich. Der Kahlkopf trat ein und löste ihre Fesseln. »Aufstehen!«

Theresas Herz schien ihr in der Kehle herumzuflattern. Als suchte es einen Ausgang.

Sie gehorchte. Die Frage, ob sie jetzt freigelassen würde, drängte sich auf Theresas Zunge. Sie schluckte sie hinunter. Diese Frage war einfach zu lächerlich.

»Da raus!«

Der Mann deutete auf die offen stehende Tür.

Theresa wankte aus dem Bad...

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