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Modeste Goldberg war in ihrem Leben noch nicht oft in der Sackgasse gewesen. Genau genommen nur zweimal. Das erste Mal an dem Tag, an dem sie durch die Abschlussprüfung der Highschool gefallen war. Sie war knapp 18 und traute sich nicht nach Hause, weil dort ihr prügelnder Vater, der nach außen hin den Saubermann mit Diplomatenstatus spielte, auf sie wartete. Zitternd vor Angst hatte sie sich zwei Tage und zwei Nächte in den U-Bahnschächten von Tokio versteckt.

Dann war sie eines Abends in ihr eigenes Elternhaus eingebrochen, hatte alles Bargeld, sämtlichen Schmuck und eine Waffe ihres Vaters gestohlen und sich am nächsten Tag in die Staaten ein geschifft.

Das zweite Mal, zwölf Jahre später, hatte ihr Mann - ihr ehemaliger Mann - sie mit dem Chauffeur erwischt. Er wollte die Scheidung einreichen, und das wäre ihr Ruin gewesen. Denn acht Millionen sind nicht wenig. Ohne einen Pfennig hätte sie dagestanden.

Sie hatte einen Killer engagiert. Der wollte zwar 100.000, hatte seine Sache aber gut gemacht. Sie hatte den Killer damals mit einem anonymen Grabplatz belohnt, weil ihr 100.000 zu teuer waren.

Damals, also vor knapp zwölf Jahren, wurde auch die Idee dieses speziellen Services geboren, den sie nun seit etwa vier Jahren in Manhattan anbot. Eine geniale Idee, wie Modeste Goldberg fand.

Diese Gedanken gingen ihr durch den Kopf, während sie von Greenwich ins Lexington fuhr. Und als sie sich an diese verdammt harten Zeiten ihres Lebens erinnerte, spürte sie, wie sich die Angst aus ihren Knochen zurückzog.

Sie würde auch aus dieser Sackgasse einen Ausweg finden. Ohne Zweifel, das würde sie so wahr sie Modeste Goldberg hieß.

Sie parkte ihren Cadillac in der Tiefgarage des Hotels und holte den Aufzug. Sie machte sich keine Illusionen: Newby, dieser perverse Schwachkopf, würde seine Drohung wahr machen und mit einem Bus voller Geiseln vor dem Hotel halten.

Die Idee mit dem Helikopter hatte sie schon vor ihm gehabt. Aus dem Seniorenheim noch hatte sie einen Piloten informiert. Einen ihrer Liebhaber, mit dem sie schon seit einem Jahr schlief.

Der Aufzug kam, sie stieg ein und drückte den Knopf für das sechste Stockwerk.

Ein paar hundert Meilen Richtung Kuba besaß sie eine Insel, von der kaum jemand etwas wusste. Nicht mal die Finanzbehörde. Dorthin würde sie sich bringen lassen. Und sie würde Marilyn und Howard einladen, mit ihr zu fliegen, ja.

Aber oben, auf dem Flachdach, wo sie einen Hubschrauberlandeplatz hatte anlegen lassen, dort oben spätestens würde sie die beiden wieder ausladen. Mit einigen Kugeln.

Sie gelangte in ihre Suite und ließ Gordoner kommen, den inoffiziellen Empfangschef. Marilyn, diese naive Nymphomanin, hatte den Job nur zum Schein gemacht.

Der Mann trat ein. Er trug einen schneeweißen Anzug. Fragend schaute er sie an.

»Räumen Sie den Tresor aus, und schaffen Sie das ganze Zeug aufs Dach!«, befahl sie.

»Aufs Dach, Madame?« Er war verdutzt.

»Sind Sie schwerhörig?« Ihre Nerven flatterten. Sie riss sich zusammen. »Pardon, Gordoner. Ja, aufs Dach. Ich befürchte eine Hausdurchsuchung und habe einen Hubschrauber bestellt. Nehmen Sie den großen Aluminiumkoffer.«

Bewusst ließ sie den Mann im Unklaren über den wirklichen Ernst der Lage. Er würde ebenfalls ausgeladen werden. Zusammen mit Howard und Marilyn.

Während sie die wenigen verräterischen Papiere in einer Reisetasche verschwinden ließ auch die Festplatte ihres PCs und einen Stapel Disketten warf sie immer wieder einen prüfenden Blick auf ihren Assistenten. Er verstaute alles in den Koffer das Bargeld, die Aktien und Wertpapiere, und vor allem das halbe Dutzend Videokassetten. Ihre Verträge - sie hatte vor, mit diesen Aufnahmen noch eine Menge Geld zu machen.

Gordoner klappte die Aluminiumkiste zu.

»Fertig?«, fragte die Chefin.

Er nickte.

»Aufs Dach damit. Hier, nehmen Sie die Tasche auch mit. Ich komme gleich, nur noch ein paar Kleinigkeiten.«

»Sie wollen verreisen, Madam?«

»Nein, aber glauben Sie, ich lasse mein Vermögen unbeaufsichtigt in einem Helikopter davonfliegen?«

Der Mann schluckte es und eilte zur Tür hinaus.

Sie lauschte. Rotorenlärm näherte sich.

Sie packte noch einige Wertsachen und Dokumente in einen kleinen Lederkoffer.

Ein letzter prüfender Blick auf Schreibtisch, Regal und in den Tresor. Okay - nichts wie aufs Dach.

In dem Augenblick ging die Tür auf. Ein Haufen fremder Leute stand davor, verängstigt und bleich. Zwei Frauen und vier Männer. Dahinter, bewaffnet, Marilyn und Howard.

Mit äußerster Anspannung gelang es Modeste, den eiskalten Schrecken, der ihr in die Glieder gefahren war, zurückzudrängen. »Na endlich!«, blaffte sie. »Wo bleibt ihr denn, Kinder? Los, aufs Dach, der Helikopter wartet!«

Marilyns angespannte Züge hellten sich auf. Der Chefin fiel auf, dass ihre Nasenflügel bebten und die Mundwinkel zuckten.

Howard Newby dagegen bekam schmale Augen.

Sie ließ ihm keine Zeit, seinen Verstand zu benutzen. »Beweg dich, Howard, beweg dich! Sperr diese Leute in die Sauna, los!«

»Wir brauchen Geiseln!«, keuchte er. Weiter nichts.

Ich krieg ihn, dachte sie befriedigt. Und sie sagte: »Zwei reichen, wir nehmen die beiden Frauen mit. Die Männer sperr ein, mach schon!«

Er gehorchte widerspruchslos.

Sie kannte das. Ihre Stimme, ihr Blick, ihre bloße Gegenwart reichten, um Menschen zu verunsichern. Sie hatte schon halb gewonnen.

Howard schloss die Männer in der Sauna ein. Die Chefin und Marilyn hasteten mit den Frauen voraus zum Aufzug.

Modestes Hirn spielte ein halbes Dutzend Modelle durch, wie sie Howard und Marilyn loswerden konnte. Noch vor dem Aufzug? Oder Howard erschießen, bevor er einstieg? Oder am Hubschrauber?

Sie musste ihn irgendwie daran hindern, die Maschinenpistole zu benutzen. Mit Marilyn würde sie schon fertig werden.

Sie entschied sich genau in dem Augenblick, als sich die Aufzugstüren auseinander schoben. Howard kam eben erst aus der Suite gerannt.

Er war noch etwa zehn Schritte entfernt. Sie drängte sich an Marilyn und den beiden Geiseln vorbei und zog ihre Waffe aus der Handtasche. Sie drückte den Knopf über der 20, dann erst fuhr sie abrupt herum, riss die verblüffte Marilyn mit sich in den Aufzug, so dass sie auf den Boden stürzte und stieß die beiden Frauen gegen den herbeieilenden Howard.

Er torkelte rückwärts gegen die Wand. Die Uzi polterte auf den Teppichboden des Hotelganges. Die Geiseln schrien entsetzt auf.

Und die Aufzugtür schob sich vor die Szene. Schlagartig wurde es still.

Die Chefin wirbelte herum. Doch die völlig überrumpelte Marilyn war außerstande, ihre Waffe in Anschlag zu bringen.

Der Aufzug setzte sich in Bewegung. Modeste fixierte die junge Frau vor ihr auf dem Boden mit kaltem Blick. Das Lächeln ihrer schmalen Lippen gefror. Blitzschnell bückte sie sich und nahm Marilyn den Revolver aus der Hand. Marilyn machte nicht mal den Versuch, sich zu wehren.

Ihre Augen weiteten sich. »Warum tun Sie das, Chefin? Wir müssen doch...« Der stechende Blick über ihr ließ sie verstummen.

Sie setzte sich auf und schob sich in eine Ecke des Aufzugs.

»Was wollen Sie mit mir machen?«

Ihre Schultern zogen sich zusammen. Die Unterlippe flatterte, als würde sie nicht zu ihrem Gesicht gehören.

»Bitte nicht!«, winselte sie. »Bitte, bitte...«

Die Chefin hob langsam die Walther. »Du hast drei gute Jahre bei mir gehabt, stimmt’s?«

»Ja, ja, Chefin. Gute Jahre, Mrs. Goldberg. Bitte, bitte...«

»Drei gute Jahre sind doch besser als 30 Jahre in der Gosse, oder?« Die rauchige Stimme der Chefin klang jetzt wieder fast so wohlwollend wie sonst. Marilyn schöpfte Hoffnung.

»Ja, genau. Sie haben Recht, Chefin, ja, ja...« Sie lachte hysterisch.

»Na siehst du, Kind.«

Die beiden Schüsse machten einen höllischen Lärm in dem kleinen Aufzugsraum. Es war, als hätte man zwei Handgranaten gezündet.

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