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Montague Ross wohnte nicht. Er residierte. Er war ein kleiner Mann, etwas zu dick geraten und wegen seiner geringen Größe mit Komplexen beladen, die er dadurch zu kompensieren trachtete, dass er sich mit Prunk und teuren Dingen umgab. An den dicken Wurstfingern trug er protzige Goldringe, eine goldene Armbanduhr am Handgelenk, und man munkelte, dass sogar die Armaturen seiner Toilette aus purem Gold waren.

Ross war hartherzig und brutal. Er war der Chef einer Bande von Killern, die bedenkenlos ausführten, was er von ihnen verlangte.

Es war seine Idee gewesen, den fünf Bankräubern die Beute abzunehmen. Dass seine Leute das auf jene Art machten, die ihnen am besten lag, störte ihn dabei weiter nicht. Für Montague Ross zählte stets nur der Erfolg. Wie er erreicht wurde, war ihm Nebensache.

Deshalb war er auch vollkommen mit dem einverstanden, was seine Freundin Mei Chen ihm eben erzählt hatte.

Er saß verschwindend klein in dem riesigen Ohrenfauteuil. Die runde Knollennase leuchtete rötlich zwischen den aufgedunsenen Wangen und war der Blickfang in dem sonst nichtssagenden Gesicht.

Ross nickte zufrieden. Er nippte von seinem White Label, rutschte vom Fauteuil auf die kurzen Beine und lief auf dem teuren Hochflorteppich auf und ab.

„Weiß es Mirja schon?“, fragte er, hielt vor dem an der Wand hängenden Kristallspiegel, betrachtete seine unvorteilhafte Erscheinung eine Weile und zupfte dann versonnen an seiner Krawatte herum.

Mei Chen schüttelte den Kopf. „Nein, Mon.“

„Dann soll sie es jetzt erfahren“, sagte Montague Ross kalt. Er trippelte zum Telefon, hob den Hörer von der Gabel und bellte; „Mirja soll zu mir kommen. Sofort.“

Es dauerte drei Minuten. Dann schwang die ledergepolsterte Tür auf, und ein Mädchen mit langem blondem Haar trat ein. Sie war reizend, hatte eine perfekte Figur, blaue Augen, einen vollen, sinnlichen Mund und wohlproportionierte Brüste. Die Beine waren lang und schlank und gerade gewachsen. Ihr Gesicht war ausdrucksstark und verriet viel Intelligenz.

Mirja Stewart war für Montague Ross so etwas wie eine Sekretärin. Mehr als das zu sein, hatte sie bereits öfters mit größtem Nachdruck abgelehnt, nachdem der kleine Ross schon mehrmals versucht hatte, sie mit eindeutigen Angeboten zu seiner Geliebten zu machen.

Ross hockte sich wieder in seinen Ohrenfauteuil. „Los, Mei Chen! Sag’s ihr! — Setz dich, Mirja!“

Mirja Stewarts Blick wanderte fragend zu dem ausdruckslosen Gesicht der Chinesin. Sie setzte sich steif und wartete unsicher auf das, was Mei Chen ihr sagen würde.

Mei Chen vermied es, Mirja in die Augen zu sehen, als sie zu sprechen anfing. „Es — es handelt sich um deinen Bruder, Mirja. Pete hat uns arg zugesetzt, mitkommen zu dürfen. Ich war von Anfang an dagegen gewesen, aber Joe und Jack erlaubten es ihm. Es wäre besser für ihn gewesen, hierzubleiben.“

Mirja starrte Mei Chen besorgt an.

„Es kam zu einer Schießerei“, berichtete die Chinesin trocken weiter. „Pete bekam eine Kugel ab, Bauchschuss. Der arme Junge. Noch dazu mit einem Dumdumgeschoss. Ich will dir die Einzelheiten ersparen, Mirja. Es war furchtbar für ihn. Er hatte wahnsinnige Schmerzen. Ich hab’ mir die Verletzung angesehen. Pete war nicht mehr zu helfen. Wenn ich ihn in meinen Wagen genommen hätte, wäre er auf der Fahrt zum Arzt gestorben.“

Mirja blickte die Chinesin erschrocken an. „Du hast ihn einfach dagelassen?“, fragte sie entrüstet.

Mei Chen drückte mit der Antwort herum. Sie blickte nach Ross, und als dieser ihr aufmunternd zunickte, sagte sie: „Ich hab’ ihn von seinen Leiden erlöst, Mirja.“

Mirja Stewart riss entsetzt die Augen auf. „Was soll das heißen?“

„Du musst dich in meine Lage versetzen, Mirja“, sagte Mei Chen zögernd. „Vor mir lag Pete. Er wand sich in höllischen Schmerzen. Er flehte mich an, Schluss zu machen. Er bettelte um eine Kugel. Was hätte ich tun sollen? Hätte ich den armen Jungen bis zu seinem qualvollen Tod leiden lassen sollen?“

Mirja Stewart schloss benommen die Augen. Sie hatte begriffen, wollte es jedoch nicht zur Kenntnis nehmen.

„Was hast du getan, Mei Chen?“, fragte sie mit fest aufeinandergepressten Lidern.

„Ich musste ihm diesen letzten Dienst erweisen. Ich war es ihm schuldig, Mirja.“

Mirja ließ die Augen geschlossen. Sie schluckte mehrmals und kämpfte gegen die heißen Tränen an. „Du hast ihn totgeschossen?“, fragte sie mit zitternder Stimme.

„Er hat darum gefleht. Er wusste selbst, dass ihm anders nicht mehr zu helfen war.“

Mirja schlug verzweifelt die Hände vor das bleiche Gesicht. Sie schluchzte laut, und schwere Tränen rollten aus ihren Augen.

„Du hättest es nicht tun dürfen, Mei Chen!“, stöhnte Mirja. „Du hättest versuchen müssen, ihm zu helfen.“ Das Mädchen schlug mit einemmal die Augen auf. Sie nahm die Hände vom Gesicht. Ihr Blick war plötzlich hasserfüllt und rachedurstig. „Du hast Pete damit keinen Gefallen getan, Mei Chen. Was du getan hast, war gemeiner Mord an einem wehrlosen siebzehnjährigen Jungen. So sehe ich die Sache. Es wird mir sehr schwer fallen, dir das zu vergessen, Mei Chen. Wenn es mir überhaupt gelingt.“

Nun schaltete sich Montague Ross ein. „Mirja“, sagte er und rutschte von seinem Ohrenfauteuil. Er trat zu dem Mädchen und legte ihr die Hand beschwichtigend auf die Schulter. „Wir alle wissen, wie dir jetzt ums Herz ist, Mädchen. Und wir fühlen mit dir. Auch mir ist der Tod deines Bruders sehr zu Herzen gegangen. Aber wir müssen es überwinden. Es hat keinen Sinn, uns gegenseitig Vorwürfe zu machen. Ich denke, du solltest jetzt eine Weile ausspannen. Ich geb’ dir Geld. Verreise für ein paar Tage. Wenn du wiederkommst, sieht die Welt sicher wieder anders aus. Ist nur schwer, die ersten Tage zu überwinden. Ich kenne das. Hatte auch einmal einen Bruder, der beinahe auf dieselbe tragische Weise ums Leben kam.“ Er zuckte die Achseln. „Tja. Das Leben ist manchmal schrecklich grausam. Und es legt uns Prüfungen auf, an denen wir zu zerbrechen glauben. Mei Chen und ich werden versuchen, dir darüber hinwegzuhelfen, Mirja. Nicht wahr, Mei Chen?“

Die Chinesin nickte mit steinerner Miene, und sie dachte daran, wie Mirja wohl reagiert hätte, wenn sie ihr die Wahrheit erzählt hätte.

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