Читать книгу Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket - A. F. Morland - Страница 99
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Оглавление„Verdammt!“, keuchte Ronnie Love schwer. Er lehnte benommen an der Wagentür und presste die Rechte fest an die linke Brustseite. „Dieses Miststück hat mich mit dem verdammten Knaller erwischt.“ Er schloss mit schmerzverzerrtem Gesicht die Augen. „Ich brauch’ dringend einen Arzt, Em! Mach schnell. Ich blute wie ein gestochenes Schwein.“
Emerson Surtees warf einen entsetzten Blick auf den angeschossenen Komplicen.
„Mach keine Geschichten, Ronnie“, stieß er mit belegter Stimme hervor. „Wo hat’s dich denn erwischt?“
„Direkt überm Herzen. Verdammt... heikle Sache“, stöhnte Ronnie.
„Beweg dich sowenig wie möglich, ja?“, keuchte Surtees aufgeregt. „Ich versuche aus der alten Mühle ’rauszuholen, was drinnen steckt.“
Ronnie Love ließ den Kopf nach hinten sinken. Sein Atem begann zu rasseln. „Beeil dich, Em! Bitte, beeil dich!“, presste er zwischen zitternden Lippen hervor. „Ich glaube, ich schaff's nicht mehr lang.“
Emerson Surtees drückte wild aufs Gaspedal. Der Motor des Wagens brüllte, das rostige Blech dröhnte. Zum Glück waren um diese Zeit die Straßen so gut wie leer. Chicago schlief, und die wenigen Fahrzeuge, die unterwegs waren, stellten für Surtees kein Hindernis dar.
„Ich bring’ dich zu Doc Flipper“, zischelte Surtees zu seinem Komplicen hinüber.
Love schüttelte den Kopf. „Nein, Em. Nicht zu Doc Flipper. Da kannst du mich gleich lebendig begraben. Ich muss in ein Hospital. Ich muss sofort operiert werden. Das kann Doc Flipper nicht. Der kann dir höchstens ’ne Kugel aus dem Arsch holen, aber mehr nicht.“
„Dich haben sie wohl zu heiß gebadet, Ronnie“, bellte Surtees. „Ich kann doch nicht so einfach mit dir in ’nem Hospital aufkreuzen. Die würden doch eine Menge Fragen stellen. Was soll ich ihnen denn dann sagen? Etwa: Wir waren eben so schön dabei, Brian Astor umzulegen, da knallte uns eine Wildkatze nach und traf meinen Freund haargenau in die Brust."
Ronnie Loves Atem ging nun stoßweise. Schweiß brach aus seinen Poren und bedeckte sein Gesicht glänzend.
„Kannst du nicht begreifen, dass es mir im Moment ziemlich egal ist, was sie fragen werden?“, jammerte Love. „Ich will nicht abkratzen. Ich will operiert werden. Wenn du mich zu Doc Flipper bringst, bin ich erledigt, Em.“
Emerson Surtees schüttelte mit verkniffenem Mund den Kopf. „Tut mir leid, Ronnie. Ich kann dich in kein Hospital bringen. Du weißt, dass es nicht möglich ist.“
Love ließ den Kopf schwer zur Seite fallen. Seine Linke glitt langsam in die Außentasche seines Jacketts. Als er sie wieder herauszog, umklammerten seine weißen Finger den Kolben einer 38er Automatik.
Er richtete die Waffe zitternd auf den Freund.
„Du fährst mich jetzt sofort ins Sunset Hospital, Em. Tut mir leid, dass du mich dazu zwingst, meine Waffe auf dich zu richten.“
Surtees erschrak bis ins Knochenmark. „Du bist verrückt, Ronnie“, stieß er entsetzt hervor. „Tu das Ding fort, ehe es losgeht.“
Love lächelte matt. „Keine Sorge... Es wird nicht losgehen, solange du tust, was ich dir sage.“
„So sei doch vernünftig, Ronnie“, presste Surtees furchtvoll hervor. „Doc Flipper hat erst vor ein paar Tagen einen Kerl zusammengeflickt, der schon mit beiden Beinen im Grab gestanden hatte. Flipper hat was auf dem Kasten. Ich versteh’ nicht, was du gegen ihn hast. Warum hast du kein Vertrauen zu ihm?"
„Weil er meinen Bruder kaputtoperiert hat. Oder kannst du dich daran nicht mehr erinnern?“
„Das war Pech. An dem Tag war Flipper total besoffen.“
„Könnte ja heute wieder so ein Tag sein“, stieß Ronnie Love mit schmerzverzerrtem Gesicht hervor. „Nun mach schon endlich, Em. Zum Sunset Hospital. Mir flimmert’s schon zeitweise schwarz vor den Augen.“ Er lachte gallbitter. „Aber gib dich keinen falschen Hoffnungen hin, Em. Wenn ich merke, dass es durch deine Schuld mit mir zu Ende geht, nehme ich dich mit auf die große Reise. Kannst dich darauf verlassen.“
Surtees nickte schnell. „Ich tu ja schon, was du sagst, Ronnie. Lehn dich zurück. Ich fahr’ dich zum Sunset Hospital.“
„Aber... keine Tricks, Em. Ich — ich würd’s nicht gern tun, aber ich würd’s trotzdem tun“, kam es matt und gedehnt aus Loves Mund.
Surtees kurvte in die nächste Schnellstraße. Er blickte starr durch die Windschutzscheibe. Ab und zu wagte er einen scheuen Blick auf Ronnie, der mit halbgeschlossenen Augen in der Polsterung lehnte und seine Bewegungen müde verfolgte.
Langsam sank Loves Waffe. Millimeter um Millimeter. Weder Surtees noch Love selbst merkten es. Erst als Surtees an einer Kreuzung wegen des Rotlichts anhalten musste, zuckte die Automatik wieder hoch.
Love presste die Rechte fester auf die stark blutende Wunde. Sein Hemd, das Jackett, die Hose — alles war schrecklich mit Blut getränkt.
„Weißt du, wieviel Blut der Mensch in der Figur hat, Em?“, fragte Love, um sich wach zu halten, denn eine bleierne Müdigkeit versuchte ihn unablässig in einen schwarzgähnenden Abgrund zu zerren.
„Nein“, sagte Surtees geistesabwesend.
„Fünf bis sechs Liter“, keuchte Love und holte mehrmals tief Luft. „Zwei Liter bin ich sicher schon los. Wenn wir nicht bald da sind...“
Surtees wartete die Grünphase der Ampel nicht ab. Er fuhr bereits bei Gelb los, fuhr wie die Feuerwehr und erreichte knapp zehn Minuten später den großen Parkplatz des Sunset Hospital.
Dunkel lag der nüchterne Palast aus Glas und Beton da. Nur wenige der Fenster waren beleuchtet. Es waren die Fenster der Bereitschaftsräume der Ärzte und Schwestern.
„So, Ronnie“, sagte Emerson Surtees und ließ pfeifend Luft ab. „Wir sind da."
Er beugte sich zu seinem Komplicen hinüber. Ronnie hatte die Augen geschlossen. Sein Gesicht war merklich fahl. Die Automatik war seinen Fingern halb entglitten.
Surtees griff zögernd nach der Waffe, des Freundes. Er wollte verhindern, dass sie im letzten Moment womöglich noch losging. Als er den Ballermann zu sich gesteckt hatte, griff er nach Ronnies Schulter, um den Schlafenden zu wecken.
„He, Ronnie“, sagte Emerson eindringlich. „Wir sind da. Komm jetzt. Ich bring’ dich ’rein.“
Ronnie Love rutschte durch die Berührung nach vorn. Ein leiser Ächzlaut entrang sich seiner Brust. Doch Surtees wusste mit einemmal, dass dies kein Ächzlaut eines Lebenden gewesen war.
Ronnie Love war tot. Der vorfallende Körper hatte die Lunge im Brustkorb gequetscht. Das hatte das Ächzen hervorgerufen.
„Scheiße!“, schimpfte Surtees verstört.
Er klopfte dem Freund trauernd auf die schlaffe Schulter. Dann zuckte er die Achseln.
„Na ja, du hast es wenigstens hinter dir. Brauchst keine Angst mehr zu haben, dass du mal an ’nem Lungenkrebs elendig zugrunde gehst.“
Surtees legte den Gang wieder ein, wendete den Wagen und fuhr nach Norden davon.
Er kam in die Gegend, wo die Häuser kleiner werden und häufig einen Garten vorne dran haben. Hier ließ er den Wagen einen Hügel hinaufrollen, um dann nach rechts zu einem schmalen Bachbett hinunterzuschwenken.
Bevor er aus dem Wagen kletterte, lehnte er Ronnie Love sachte in die Polsterung zurück. Er durchsuchte die Taschen seines Freundes und nahm alles an sich, was zu dessen Identifizierung hätte führen können.
Dann stieg Surtees aus.
Er pumpte mehrmals die feuchte Luft in seine Lungen, schritt dann um den Wagen herum und zerrte den toten Freund auf der anderen Seite aus dem Fahrzeug.
Der Regen fiel ihm klatschend auf die Schultern. Er spürte, wie sein Jackett die Nässe gierig wie ein trockener Schwamm aufsaugte und bald so nass war, dass ihm die Kälte über den Rücken rieselte, während sein Gesicht vor Anstrengung schwitzte.
Er schleppte die Leiche bis zum Bach hinunter. Das Wasser rauschte und gurgelte hier so laut, dass Surtees sich nicht einmal selbst atmen hörte. Er legte den Toten ins Wasser. Schäumende Wellen umspülten sofort das wächserne Gesicht des Freundes. Surtees hatte irgendwie das Gefühl, dass Ronnies Züge nunmehr gelöst und entspannt wirkten. Nichts war mehr von den ausgestandenen Qualen darin zu entdecken.
Er hatte seinen Frieden gefunden.