Читать книгу Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket - A. F. Morland - Страница 96

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Es gibt Tage im Leben, da gelingt einem schier alles. Ein Glück, dass es solche Tage gibt, und ein Glück auch, dass sie manchmal so günstig fallen, um einen echten Gewinn zu bringen.

Seit meinem Telefonat mit Tom Harris war eine knappe Stunde vergangen. Eigentlich hatte ich nicht damit gerechnet, so bald schon wieder von ihm zu hören. Um so mehr freute ich mich über seinen Anruf.

„Hallo, Tom. Was darf’s denn sein?“, fragte ich aufgekratzt und blinzelte meiner Partnerin über den Tisch optimistisch zu. Charles Lenoire war nicht mehr da. Er hatte sein Glück bei der Bank versuchen wollen.

„Hast einen guten Griff getan, dich an den FBI zu wenden, Biff“, verkündete Tom am anderen Ende der Leitung. „Wir haben den Bankraub tatsächlich schon am Hals.“

„Darf man fragen, wie das kommt?“

„Man darf. Zuerst sah es so aus, als ob uns die Sache weiter nichts anginge“, sagte Tom sauer. „Wenn’s kein Verbrechen auf bundesstaatlicher Ebene ist, lassen wir gern die Kollegen von der City Police ’ran. Du kennst unsere Spielregeln. Warst ja selbst lange genug bei unserem Verein.“

„Weck keine traurigen Erinnerungen, Tom“, entgegnete ich lachend. „Komm lieber gleich zur Sache.“

„Der Bankraub hatte ein blutiges Nachspiel, Biff.“

„Wieso? Kriegten sich die Gasmaskenbrüder untereinander in die Wolle?“

„Es kam viel pikanter“, erzählte Tom Harris. „Den Brüdern wurde die Beute geraubt.“

„Ja, gibt’s denn so was?“, rief ich erstaunt. „Das hört sich ja wie ein Kinolustspiel an.“

„Leider war’s kein reines Lustspiel“, sagte Tom ernst. „Denn die Knaben, die sich die neunhundertfünfzigtausend Dollar unter den Nagel gerissen haben, machten mit den Bankräubern kurzen Prozess. Sie knallten sie mit Maschinenpistolen einfach über den Haufen. Da einer der Toten aus New York ist und zwei andere aus New Jersey kamen, wurde der Fall ein Fall für uns.“

„Und nun, Tom?“, fragte ich.

„Nun hab’ ich ein Mädchen namens Mirja Stewart auf meinem Programm“, erwiderte Tom Harris. „Da scheint nämlich noch eine Schweinerei so ganz am Rande passiert zu sein.“

Ich lauschte gespannt den Worten meines Freundes.

„Die Schießerei spielte sich in einer leerstehenden Villa in der Groton Street ab“, sagte Tom. „Wenn es stimmt, was unsere Ballistiker und die Jungs von der Spurensicherung herausgefunden haben, lief da kurz folgendes Stück über die Bühne: Die Killer kamen mit zwei Wagen. Sie hatten einen Jungen und ein Mädchen bei sich. Sie knallten die Bankräuber nieder, doch einer der Räuber war noch imstande, einen Schuss abzugeben. Er traf den Jungen mit einer Dumdumkugel in den Bauch. Der Junge schleppte sich mit letzter Kraft aus dem Haus, wo ihn dann seine eigenen Leute mit einer Kugel in den Kopf fertigmachten. Wahrscheinlich wollten sie es sich ersparen, den Jungen zum Arzt zu bringen. Ihn lebend zurückzulassen, schien ihnen ebenfalls zu riskant. Eine Kugel in den Kopf schien ihnen die beste Lösung. Verfluchte Hunde. Der Junge war siebzehn. Er hieß Peter Stewart. Wir fanden in seinem Taschenkalender die Adresse seiner Schwester. Ich fahr’ jetzt zu ihr. Sie muss mit mir ins Leichenschauhaus kommen und den Jungen identifizieren.“

„Liegen die Bankräuber auch im Schauhaus?“, erkundigte ich mich.

„Alle fünf“, gab Tom zurück.

„Stört es dich, wenn Susan und ich ebenfalls hinkommen?“

„Keineswegs.“

„Wann wirst du mit Mirja Stewart aufkreuzen?“

„Ich schätze, in einer halben Stunde. Höchstens fünfundvierzig Minuten, vorausgesetzt, dass das Girl zu Hause ist.“

„Ich drück’ dir die Daumen“, sagte ich und warf den Hörer auf die Gabel. Dann gab ich an Susan Tucker eine Kurzfassung des Gesprächs weiter.

Fünfzehn Minuten später saßen wir in meinem roten Mustang. Ich machte das Radio an, um die Spannung, die an unseren Nerven kratzte, etwas zu lockern.

Die Uhr auf dem Armaturenbrett zeigte halb sieben, als ich den Mustang in eine Parklücke vor dem Leichenschauhaus setzte.

Zehn Minuten nach halb sieben konnten wir Tom Harris und eine zerbrechlich wirkende Mirja Stewart begrüßen. Als sie mir die Hand gab, fühlte ich, dass sie zitterte. Sie hatte einen Schock erlitten, und ich befürchtete, dass sie drinnen, wenn man ihr den Bruder zeigte, zusammenklappen würde. Ich nahm deshalb Tom beiseite und raunte ihm zu, die Sache so schnell wie möglich ablaufen zu lassen. Er beruhigte mich mit einem Kopfnicken.

Ein dünner Kerl mit einem schneeweißen Leinenanzug um die spitzen Schultern begrüßte uns mit der Feierlichkeit eines Bischofs.

Tom klärte den Mann auf, dass er bereits angerufen hätte, und zeigte ihm seinen Dienstausweis.

Der Dünne verzog das feierliche Gesicht einen kleinen Augenblick lang, um hinterher gleich wieder den Vorhang der Trauer fallen zu lassen.

„Ich darf vorausgehen“, sagte er mit einer erstaunlich tiefen Stimme, die ich ihm nicht zugetraut hätte.

Er wandte sich um und stakste durch den kahlen Korridor. Unsere Schritte hallten gespenstisch von den Wänden wider. Ich sah, wie Susan fröstelnd die Schultern hob und damit den schlanken, nackten Hals ein wenig verkürzte.

Wir erreichten eine blütenweiße Tür, auf die eine römische Fünf aufgepinselt war.

„Hier ist es“, sagte der Dünne und drückte die Tür zur Seite. Es war eine Schwingtür, die sich nach beiden Seiten bewegen ließ. So konnten die auf kleinen Rädern laufenden Sargbetten mit den Leichen ohne viel Mühe aus und ein transportiert werden.

Der Raum, den wir betraten, war so groß wie ein kleiner Tennisplatz. Von der Decke flutete grelles Neonlicht und ließ uns vergessen, dass draußen sich allmählich die Nacht auf Chicago senkte.

Rechts neben der Tür stand ein schmaler Schreibtisch und daneben ein weißlackierter metallener Karteischrank.

Der Dünne hatte bereits einige Vorarbeit geleistet. Auf dem Schreibtisch lagen sechs neue Karteikarten. Ich lag richtig, als ich vermutete, dass es die frisch ausgestellten Karteikarten der fünf Bankräuber und diejenige von Peter Stewart waren.

„Wen wollen Sie als erstes sehen?", erkundigte sich der Dünne mit taktvoll gedämpfter Stimme.

„Peter Stewart“, erwiderte Tom Harris.

Der Leichenheini nickte servil. Er warf einen Blick auf die Karteikarte, merkte sich die rechts oben vermerkte Nummer, trat zu einer übersichtlichen Knopftafel und drückte die entsprechende Taste nieder.

Es erklang das leise Surren eines Elektromotors. Wie von Geisterhand bewegte sich plötzlich ein Segment aus der langen Wand, hinter der die unsichtbaren Kühlboxen ihrer Aufgabe nachkamen, die Leichen frisch zu halten.

Der Körper des Toten war mit einem Leinentuch zugedeckt.

Wir gruppierten uns mit verhaltenem Atem um den Leichnam. Obwohl mir vor allen Dingen die frostige Kälte aus der Box entgegenschlug, wehte mir doch auch ein penetrant süßlicher Leichengeruch in die Nase.

Selbst dann, wenn man so etwas mehr oder weniger oft erlebt hat, kann man sich an diesen eigenartigen Geruch nicht gewöhnen. So riecht der Tod. Und man schaudert, wenn man damit konfrontiert wird.

Mirja Stewart hielt sich tapfer. Steif und aufrecht wartete sie darauf, dass der Dünne das Leinentuch hochheben würde.

Der Dünne blickte aber zuvor noch auf Tom, und erst als dieser ihm zunickte, zog er das weiße Laken von Peter Stewarts Kopf und legte den Saum auf die Brust des Toten.

Es ging einem ans Herz, die frischen Züge des Jungen zu sehen und zu wissen, dass sie nichts mehr auf dieser Welt zum Lachen bringen konnte.

Das Gesicht des Jungen war grau. Die blutleeren Lippen klafften ein wenig auf und ließen die Schneidezähne unter der Neonbeleuchtung matt schimmern.

Mirja Stewart nickte Tom Harris zu. „Er ist es. Das ist mein Bruder Peter.“

Sie wandte sich um und wollte einen Schritt zurück machen. Ich erkannte, dass sie das Gleichgewicht im selben Moment verlor, und sprang zu ihr. Gerade noch rechtzeitig, um sie aufzufangen, sonst wäre sie lang auf die kalten Steinfliesen hingeschlagen.

Tom half mir, sie zum Schreibtisch zu tragen. Dort setzten wir sie auf den Stuhl und bemühten uns um sie.

Ihre Ohnmacht dauerte zum Glück nur eine halbe Minute. Als sie die Augen wieder aufmachte, blickte sie uns benommen an. Dann lächelte sie traurig und bat uns um Entschuldigung.

Tom bat sie, vorläufig auf dem Stuhl sitzen zu bleiben. Dann ging er mit Susan und mir zu dem Dünnen und forderte ihn auf, uns die toten Bankräuber vorzuführen.

Wir kannten keinen von ihnen, und ich sah Susan an, dass sie froh war, die Sache so schnell hinter sich gebracht zu haben.

Mirja Stewart hatte sich inzwischen so weit erholt, dass sie mit uns, aber ohne unsere Hilfe, das Leichenschauhaus verlassen konnte.

„Können Sie uns dafür irgendeine Erklärung geben, Miss Stewart?“, fragte Tom als wir aus dem Leichenschauhaus waren. „Tut mir leid, dass ich Ihnen nicht mehr helfen kann, Mr. Harris.“ Tom lachte bitter. „Lassen Sie sich deshalb keine grauen Haare wachsen, Miss Stewart. Ich wäre schon zufrieden, wenn Sie mir gestatteten, einen Blick in Peters Zimmer zu werfen.“

„Jetzt?“, fragte Mirja erstaunt.

Mirja sah ihn mit stumpfem Blick an.

Sie wirkte geistesabwesend, als sie den Kopf schüttelte.

„Kannten Sie Peters Freunde, Miss Stewart?", erkundigte sich Tom.

„Nein“, sagte Mirja leise. „Er vertraute sich mir überhaupt nie an. Er sprach selten mit mir über seine Pläne und eigentlich nie über seine Freunde. Ich hätte wissen sollen, dass das einen Grund hatte.“

„Er wohnte bei Ihnen?“

„Ja.“

„Wurde er nie von einem Freund abgeholt?“

„Nie.“

„Haben Sie vielleicht mal zufällig einen Revolver bei seinen Sachen entdeckt?“

„Ich habe seine Sachen nie angerührt. Er wollte das nicht. Er wollte überhaupt in Ruhe gelassen werden.“

„Warum zog er dann nicht einfach aus?“

„Das hatte er nicht nötig. Ich wusste, dass er in Ruhe gelassen werden wollte, und ließ ihn deshalb in Ruhe. Wozu also hätte er ausziehen sollen?“

„Arbeitete Ihr Bruder, Miss Stewart?“

„Nicht regelmäßig.“

„Was machte er?“

„Er machte alles, wenn er Geld brauchte, nehme ich an. Er hat mit mir nie darüber gesprochen.“

„Hatte er immer Geld?“

„Ich glaube schon.“

„Woher?“

„Ich habe keine Ahnung, Mr. Harris.“

Tom nickte. „Na ja“, sagte er resignierend. „Ich bring’ Sie wieder nach Hause, Miss Stewart.“

Mirja Stewart sah Tom traurig an.

„Wenn es sich einrichten ließe, ja.“

Sie zuckte die Achseln. „Meinetwegen.“

Tom verabschiedete sich von uns, wir sprachen Mirja Stewart nochmals Trost zu und falteten uns dann in meinen Mustang.

„Wie findest du Mirja?“, fragte mich Susan während der Fahrt nachdenklich.

„Nett“, erwiderte ich aufrichtig. „Sie tut mir leid. Scheint sehr an ihrem Bruder gehangen zu haben.“

„Sie kam mir irgendwie eigenartig vor“, sagte Susan und verschränkte die Hände vor den Knien.

„Eigenartig? Wieso?“

„Sie schien nicht ganz bei der Sache zu sein.“

„Na, hör mal, sie ist sogar in Ohnmacht gefallen“, entrüstete ich mich. „Mehr hätte sie wohl kaum bei der Sache sein können.“

„Ich meine nachher“, entgegnete Susan kopfschüttelnd. „Ich hatte das Gefühl, sie dachte an etwas anderes, während sie mit Tom sprach.“

„Wundert mich gar nicht“, brummte ich. „Schließlich hatte sie vor der Leiche ihres Bruders gestanden. Sie hat einen Schock erlitten. Sie konnte sich nicht konzentrieren. Deshalb machte sie auf dich diesen zerfahrenen Eindruck.“

Susan stieß einen leisen Seufzer aus. „Wollen hoffen, dass du recht hast, Biff.“ Damit war für sie die Sache vorderhand abgeschlossen. „Darf ich dich um einen kleinen Gefallen bitten?“, schwenkte sie plötzlich in eine ganz andere Richtung um.

Mein Blick glitt langsam über Susans herrliche Schenkel, die beachtlich weit aus dem kurzen Minirock herausragten.

„Ich bin für jeden Gefallen zu haben“, grinste ich anzüglich.

„Dann mach doch bitte den kleinen Umweg zu meiner Schneiderin, Biff. Du weißt doch, dass heute Abend bei meinen Freunden eine Party steigt. Ich hab’ mir einen schicken Hosenanzug bauen lassen, bin aber noch nicht dazu gekommen, ihn abzuholen.“

„Wenn’s weiter nichts ist“, tönte ich sauer. „Dachte schon, du hättest Appetit auf einen nackten Biff bekommen.“

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