Читать книгу Sammelband 4 Krimis: Mordgeflüster in Venedig und drei andere Krimis - A. F. Morland - Страница 10
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Dr. Berends sah sich die Auswertung einer Vektorkardiographie an, die bei einem Patienten vorgenommen worden war. Die VKG ist eine Ergänzungsmethode zum Elektrokardiogramm. Bei dieser Untersuchungsmethode zeigen sich manche Veränderungen in der Erregungsausbreitung sehr viel deutlicher als im klassischen EKG. Der Chefarzt machte sich Notizen und heftete diese der Auswertung bei.
Das Telefon läutete. Der Leiter der Wiesen-Klinik hob ab. „Dr. Berends.“
Der Anrufer war Albert Fersten.
„Hat sich meine Tochter inzwischen bei Ihnen gemeldet?“, wollte er wissen.
„Sie traf gestern in Bergesfelden ein.“
„Was sagen Sie zu dem Mädchen? Sie ist mir gut gelungen, was?“
„Wir können sie hier gut gebrauchen.“
„Sie ist wie geschaffen für diesen Beruf. Ich hätte sie in der Hotelbranche unterbringen können, aber damit hätte ich sie unglücklich gemacht. Ein Mensch wie Lydia muss helfen können.“
„Dazu wird sie in der Wiesen-Klinik reichlich Gelegenheit haben“, sagte Dr. Berends. „Unsere Oberin war bereits voll des Lobes über Ihre Tochter. Das hat es bisher noch nie gegeben. Schwester Hanna spart mit Lob im Allgemeinen. Lydia muss ihr Herz im Sturm erobert haben.“
Albert Fersten lachte herzlich.
„Ja, das ist meine Tochter. Sie nimmt die schwierigsten Bastionen geradezu mühelos ein. Das hat sie von mir - ohne unbescheiden sein zu wollen ...“
Der Hotelmanager bat Dr. Berends, seiner Tochter bei Gelegenheit schöne Grüße zu bestellen und fügte abschließend hinzu: „Ihre reizende Frau müssen Sie natürlich auch herzlich von mir grüßen. Es geht ihr doch gut?“
„Ich denke schon.“
„Das wundert mich nicht. Sie ist schließlich mit einem außergewöhnlichen Mann verheiratet. Sollten Sie mal im Raum Köln zu tun haben, rufen Sie mich an, damit wir uns auf ein Gläschen Wein zusammensetzen und über unseren Urlaub in Norwegen reden können.“
„Das mach’ ich ganz bestimmt“, sagte Dr. Berends und legte auf.
Am Abend dieses Tages aß Dr. Berends mit seiner hübschen Frau auswärts. Auf der Heimfahrt sagte Charlotte: „Steht nun schon genau fest, wann der Scheich mit seinem Anhang in Bergesfelden eintrifft?“
„Übermorgen“, sagte der Chefarzt. „Sind die Zimmer im ,Goldenen Mohren' reserviert? Mit wie vielen Leuten kommt der Scheich denn nun angereist?“
„Es werden vier Ehefrauen, zwei Töchter, sein Sohn Harun sowie zwei Leibwächter bei ihm sein.“
„Vier Ehefrauen. Ach, du lieber Himmel!“
Richard Berends schmunzelte. „Das ist ein Leben.“
„Sage bloß, du möchtest mit ihm tauschen. Was würdest du denn mit vier Ehefrauen machen?“
„Oh, da würde mir schon einiges in den Sinn kommen.“
„Du legst es wohl darauf an, mich zu ärgern.“
„Findest du?“
Charlotte sah ihren Mann prüfend an. „Bist du unzufrieden?“
Sie erreichten das Haus des Chefarztes nahe der Wiesen-Klinik. Dr. Richard Berends hielt den Wagen an und stellte den Motor ab. Er wandte sich seiner Frau zu.
„Nein, Charlotte, ich bin nicht unzufrieden. Im Gegenteil, ich bin mit dir sehr glücklich und könnte mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen. Vergiss, was ich gesagt habe. Ich wollte dich wirklich nur ein bisschen aus der Reserve locken.“ Er nahm sie in die Arme, und sie küssten sich wie ein junges Liebespaar, irgendwo an einem einsamen Ort.
Im Wohnzimmer machte sich der Chirurg einen Drink. Er setzte sich in einen bequemen Sessel, und seine Frau nahm auf der breiten Lehne Platz. Oft saßen sie so, wenn sie einander nahe sein wollten.
„Was glaubst du, warum Rashid Achbar zu uns kommt, Richard? Ich meine, es gibt größere Kliniken in Deutschland. Zum Beispiel die Universitätsklinik in Freiburg.“
„Vielleicht will er vermeiden, dass man international Spekulationen anstellt und womöglich denkt, er wäre sterbenskrank“, sagte der Chefarzt.
„Nimmst du an, dass ihm etwas fehlt?“
„Das werden die Untersuchungen zeigen.“
„Er würde abdanken, wenn wir etwas finden“, sagte Dr. Charlotte Berends, die Internistin. „Er würde dann seinem Sohn Harun die Regierungsgeschäfte übertragen. Was würde das für die Menschen in Yanba bedeuten?“
„Ich glaube, Harun Achbar wäre ein würdiger Nachfolger.“
„Ist er nicht noch zu jung zum Regieren?“
„Er ist vierundzwanzig.“
„Eben.“
„Sein Vater würde ihm am Anfang selbstverständlich mit Rat und Tat zur Seite stehen. Es ist nicht so, dass Harun Achbar über Nacht allein regieren müsste.“
.„Es gab im vergangenen Jahr Unruhen in Yanba. Rashid Achbar ist zwar ein souveräner Herrscher, der von seinem Volk geliebt wird, aber er hat auch Feinde in seinem Land.“
„Sie können ihm nichts anhaben. Er weiß allen Klippen hervorragend auszuweichen.“
„Ich würde mich in meiner Haut nicht wohl fühlen, wenn ich an seiner Stelle wäre“, sagte Charlotte. „Immer befürchten zu müssen, einer meiner Feinde könnte einmal auf den Gedanken kommen, einen Mörder zu dingen, um mich aus dem Weg zu räumen ... Nein, das wäre kein Leben für mich.“
Charlotte Berends schauderte leicht. Wenn sie geahnt hätte, wie nahe sie mit ihrem Gedanken der Wirklichkeit gekommen war, wäre ihr der kalte Schweiß ausgebrochen.